Volles Geläut zur rechten Zeit
Ulrich Boom kennt das. Der heutige Würzburger Weihbischof rief Ende Juli 2006 auf die selbe Weise zum Gebet, damals noch als Pfarrer von Miltenberg. Die NPD-Jugendorganisation hatte sich gerade in der unterfränkischen Stadt versammelt, als die Glocken der Jakobus-Kirche zu läuten begannen - und erst nach 20 Minuten verstummten. Auch damals erstattete die Partei Strafanzeige, nach längeren Ermittlungen schaltete sich Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) dann ein. Boom blieb ohne Strafe, dafür erhielt er einen Preis für Zivilcourage - und tausende zustimmende Zuschriften aus ganz Europa.
Seitdem gilt der Kirchenmann als "Don Camillo von Miltenberg". Er selbst mag den Spitznamen nicht, "denn damit macht man das Problem zu etwas Lustigem". Dem Weihbischof ist es heute auch noch Ernst mit dem Engagement gegen Rechts. Ein bisschen Bimmeln wäre ihm zu wenig. Klar, damit könne unter Umständen eine Veranstaltung beendet werden. Zu fragen sei aber, warum Menschen für rechtsextremes Gedankengut heute noch empfänglich seien. Wer dagegen etwas tun wolle, müsse sich in der Bildung engagieren und jungen Menschen eine Zukunftsperspektive geben, findet der Weihbischof.
Unterstützung in und außerhalb der Kirche
Dank seines läutstarken Protests wird Boom immer wieder zu Diskussionen und Aktionen eingeladen. "Das müsste ich aber auch tun, ohne damals in Miltenberg die Glocken geläutet zu haben", sagt er. Angst bräuchte niemand haben. "Es stehen einem genügend Menschen in und außerhalb der Kirche zur Seite."
Booms Beispiel macht inzwischen Schule. Als am Mittwoch die NPD in Aschaffenburg Wahlkampf machen wollte, sorgten nicht nur die Gegendemonstranten mit Kabarettist Urban Priol in der ersten Reihe für mächtig Lärm. Die Geläute der beiden Kirchen Sankt Agatha und Zu unserer lieben Frau stimmten in den Protest mit ein. Auch in Landsberg am Lech kam es jüngst zu einer ähnlichen Situation.
In Regensburg beruft man sich indes noch auf eine andere Tradition. Dompropst Gegenfurtner gibt zu Protokoll, dass er bei seiner mit Bischof Rudolf Voderholzer abgestimmten Aktion nicht an den Mitbruder aus dem Bistum Würzburg gedacht habe. Vielmehr sei das ein "Maier"-Geläut gewesen.
Erinnerung an NS-Märtyrer Johann Maier
Gegenfurtner erinnert damit an den Regensburger Domprediger Johann Maier (1906-1945), der sich am 23. April 1945 kurz vor dem Einmarsch der US-Truppen für eine kampflose Übergabe der Stadt eingesetzt hatte. Noch in der Nacht verurteilten die Nationalsozialisten ihn zum Tod und erhängten ihn auf dem heutigen Dachauplatz. Seit 2005 ist Maier im Dom zu Regensburg begraben. Der damalige Bischof Gerhard Ludwig Müller hatte persönlich diese Umbettung veranlasst. Maier sollte stellvertretend für alle Opfer des Nationalsozialismus gewürdigt werden.
Es sollte nicht das einzige Engagement des heutigen Präfekten der Glaubenskongregation gegen rechte Umtriebe bleiben. Als die NPD ein Jahr später ihren Bayern-Tag in Regensburg mit 600 Anhängern veranstaltete, rief Müller zum Protestmarsch auf, während sich Oberbürgermeister Hans Schaidinger (CSU) zurückhielt. 2.000 Personen folgten dem Aufruf des Bischofs zusammen mit der evangelischen Kirche und der jüdischen Kultusgemeinde.
Von Christian Wölfel (KNA)