Medien: Vatikan untersucht Missbrauchsfall um Kardinal Ricard
Für den Missbrauchsfall des französischen Kardinals Jean-Pierre Ricard (78) plant der Vatikan offenbar eine eigene Untersuchung. Das teilte das vatikanische Presseamt (Freitag) laut übereinstimmenden Medienberichten mit. Demnach teilte Vatikansprecher Matteo Bruni mit, es werde nach einem leitenden Ermittler gesucht, der die "notwendige Autonomie, Unparteilichkeit und Erfahrung" habe. Der frühere Erzbischof von Bordeaux und Ex-Vorsitzende der Französischen Bischofskonferenz Ricard hatte sich am Wochenende wegen "verwerflichen Verhaltens" gegenüber einer 14-Jährigen vor 35 Jahren selbst bei der Bischofskonferenz angezeigt.
Die Bischöfe hatten den Fall bei der Generalstaatsanwaltschaft und der zuständigen vatikanischen Glaubensbehörde angezeigt. Insgesamt werden oder wurden nach Angaben der Konferenz bereits elf pensionierte oder noch aktive französische Bischöfe von staatlichen oder kirchlichen Stellen untersucht.
In einer vom Episkopatsvorsitzenden, Erzbischof Eric de Moulins-Beaufort, verlesenen Erklärung teilte Kardinal Ricard mit: "Vor 35 Jahren habe ich mich als Pfarrer gegenüber einem 14-jährigen Mädchen verwerflich verhalten." Dies habe bei ihr "schwere und dauerhafte Folgen" hinterlassen. Er habe mit der Frau darüber gesprochen und "sie um Vergebung gebeten". Ricard erklärte weiter, er habe sich entschlossen, nicht länger zu schweigen und sich der staatlichen und kirchlichen Justiz zu stellen. Zudem wolle er nun eine "Zeit in Rückzug und Gebet" verbringen.
Das öffentliche Ansehen der Bischöfe hat stark gelitten
Ricard ist einer von sechs französischen Kardinälen. Seit 2001 leitete er das Erzbistum Bordeaux im Südwesten des Landes; zudem war er von 2001 bis 2007 Vorsitzender der Bischofskonferenz. 2019 nahm Papst Franziskus seinen altersbedingten Amtsverzicht als Erzbischof von Bordeaux an. Der Kardinal ist zudem stimmberechtigtes Mitglied im vatikanischen Dikasterium für die Glaubenslehre – dem Dikasterium, das für die Beurteilung von Fällen sexuellen Missbrauchs durch Priester verantwortlich ist.
Das öffentliche Ansehen und Wort der Bischöfe in Frankreich hat durch Enthüllungen um sexuellen Missbrauch oder den Umgang damit stark gelitten. Erst vor einigen Wochen war bekannt geworden, dass der frühere Bischof von Creteil, Michel Santier, wegen Machtmissbrauchs zu sexuellen Zwecken bereits vor mehr als einem Jahr vom Vatikan mit Strafmaßnahmen belegt wurde. Scharf kritisierte wurde von der Öffentlichkeit in diesem Zusammenhang auch, dass weder die Kirchenleitung noch der Bischof selbst damals über den Vorgang informierten.
Angesichts der Missbrauchsenthüllungen in der Kirche in Frankreich plädierte der vatikanische Kinderschutzexperte Hans Zollner am Dienstag dafür, die Namen der elf Bischöfe zu veröffentlichen, gegen die ermittelt wurde oder wird. Falls nicht, bestehe die Gefahr, dass alle Bischöfe unter Generalverdacht gestellt würden. "Wir müssen immer die Wahrheit zugeben und sagen, und zwar mit der nötigen Klarheit", sagte der Jesuit und Leiter des Instituts für Anthropologie an der Päpstlichen Universität Gregoriana. (cbr/KNA)
11.11., 18.30 Uhr: ergänzt um weitere Details