Frauen waren lange Zeit nur auf lokaler Ebene kfd-Mitglieder

Die Freiburger kfd räumt mit einer historischen Hypothek auf

Veröffentlicht am 16.11.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Frauen der kfd in Freiburg mussten sich entscheiden, ob sie kfd-Mitglieder werden wollen – obwohl sie das schon waren. Grund dafür ist eine historische Sondersituation. Dadurch zeigt sich an der Basis, wie sich katholische Verbandsarbeit verändert hat.

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Dass die Kirche und viele katholische Vereine seit Jahren Mitglieder verlieren, ist weder neu noch überraschend. Da macht auch der größte deutsche Frauenverband, die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd), keine Ausnahme. Doch im Badischen ist gerade eine neue Welle zu beobachten: Der "Südkurier" berichtete, dass allein im Dekanat Schwarzwald-Baar-Kreis sechs Pfarrgruppen aus der kfd ausgetreten sind. Und das alles wegen zwölf Euro im Jahr und weil sie dadurch auf Bundesebene erst wirkliche kfd-Mitglieder geworden wären. Was zunächst verwirrend klingt, ist das Ende einer Jahrzehnte andauernden lokalen Besonderheit.

Die kfd ist ein Verband, der geschichtlich gesehen "von unten nach oben" gewachsen ist. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hatten sich Müttervereine auf Pfarreiebene gegründet, die sich erst nach und nach zusammenschlossen und ortsübergreifende Strukturen schufen. Den ersten Diözesanverband gründeten die Frauen erst 1915 in Paderborn, den Bundesverband gibt es seit 1928. Die lokalen Strukturen sind also deutlich älter als die überregionalen.

So kam es, dass insbesondere in den Jahrzehnten nach der Gründung des Bundesverbands nicht alle kfd-Frauen dort Mitglied waren, sondern nur in ihrer Gemeindegruppe. Das war zum Teil auch so gewollt. Wie im Erzbistum Freiburg, zu dem auch das Dekanat Schwarzwald-Baar-Kreis gehört: "Da gab es in dieser Zeit einen Präses, der der Meinung war, dass die Frauen in der Diözese das alleine könnten und keinen Bundesverband brauchen", erzählt die Freiburger Diözesanvorsitzende Monika Bohn. Man redete es den Frauen aus, dem Bundesverband beizutreten – schließlich habe man in Freiburg eine eigene Zeitschrift, wofür brauche man dann noch eine weitere vom Bundesverband?

Man blieb erstmal unter sich

Mit dieser Einstellung war man in Freiburg nicht allein. Auch in anderen süddeutschen Bistümern wie Speyer oder München und Freising blieb man erst einmal unter sich. Doch mit der Zeit verschwanden die Doppelstrukturen und deutschlandweit gab es bald nur noch Frauen, die auf allen Ebenen Mitglieder der kfd waren. Außer in Freiburg. Dort schob man das Thema lange vor sich her – fast 100 Jahre. Zuletzt waren von den 45.000 Diözesanmitgliedern nur 13.000 auch im Bundesverband organisiert. "Ich bin jetzt 16 Jahre in leitender Funktion des Verbandes und diese mehrschichtige Mitgliedschaft war immer Thema und hat unglaublich viele Kräfte gebunden", sagt Bohn. Zuletzt wurde es für diese Sonderstruktur dann nicht zuletzt aus bürokratischer und steuerrechtlicher Sicht eng. Nicht zuletzt, weil es keine namentlichen Mitgliederlisten gab.

Bild: ©Privat

Monika Bohn ist die Freiburger Diözesanvorsitzende der kfd.

Deshalb beschloss die Freiburger Diözesanversammlung 2019, aufzuräumen – mit dem Projekt Bundesverbandsmitgliedschaft: "Am 01.10.2022 gibt es im kfd-Diözesanverband Freiburg nur noch kfd-Pfarrgruppen mit ausschließlich kfd-Bundesverbandsmitgliedern." Denn: "Mitglied in der kfd zu sein, heißt, Mitglied in einem bundesweit organisierten Verband, Mitglied im größten katholischen Frauenverband zu sein und das endet eben nicht auf Diözesanebene", heißt es dazu auf der Internetseite des Diözesanverbands. "Was in anderen Diözesen also längst eine Selbstverständlichkeit ist, soll auch in unserem Diözesanverband eine werden." Die einzelnen Pfarrgruppen mussten sich entscheiden, ob sie dem Bundesverband beitreten wollen. Auch die einzelnen Mitglieder waren aufgefordert, sich zum deutschlandweiten Verband zu bekennen.

Das haben nicht alle Pfarrgruppen gemacht: Von den 22 Pfarrgruppen im Dekanat Schwarzwald-Baar-Kreis verließen sechs die kfd, zwei lösten sich auf. Einige Frauen empfanden den Beschluss als "Zwangsmitgliedschaft" und wandten sich gegen den höheren Beitrag, er stieg allerdings lediglich um zwölf Euro im Jahr. "Es war klar, dass wir dann auch mit Verlusten von Mitgliedern rechnen mussten", erklärt Bohn dazu. Dabei habe man sich schon Zeit gelassen und viele Informationsveranstaltungen angeboten. Sie sieht eher ein prinzipielles Problem: "Es gab Gruppen, die waren dem Bundesverband nicht sehr zugetan und haben sich auch nie wirklich über die gesellschaftspolitischen Themen informiert. Die haben sich selbst genügt, ihre Sachen gemacht und dadurch vor Ort gewirkt."

Eine Holschuld der Ehrenamtlichen

Hat sich also der Verband zu wenig um die Pfarrgruppen gekümmert? "Das möchte ich mir nicht unterstellen lassen", sagt Bohn dazu. Es gebe von Ehrenamtlichen auch eine Holschuld: Wer sich für die Inhalte interessiere, könne sich Materialien besorgen. Das könne man jedoch nicht aufzwingen.

Für die nun ausgetretenen Gruppen wird sich die Gesamtlage verändern. Sie sind nun keine Verbandsgruppe mehr, sondern lediglich eine Gruppe in einer Pfarrei. Dadurch fallen einige bislang selbstverständliche Zugänge weg, wenn es etwa um die Reservierung von Räumlichkeiten geht. Die Dekanatsvorsitzende Claudia Johannsen stellte im "Südkurier" infrage, ob diese Strukturen langfristig Bestand haben können.

Wie viele Frauen wirklich ausgetreten sind, kann Monika Bohn noch nicht sagen. Die einzelnen Gruppen seien sehr unterschiedlich, deshalb habe es Antworten per Anruf, Mail und Post gegeben – bei mehr als 600 Pfarrgruppen eine riesige Materialfülle. Man werte die Antworten nach und nach aus. Eine erste Erkenntnis hat sie aber schon: Es sind zum Teil auch mehr Frauen geworden. Der Grund ist die namentliche Erfassung. "Es gibt Gruppen, die hatten uns bislang nur acht Frauen gemeldet, auf den Meldebögen für die Bundesebene sind es nun aber 50. Und jede davon hat sich per Unterschrift für den Bundesverband entschieden."

Junge Frauen nur schwer zu gewinnen

Doch auch in der Freiburger kfd zeigen sich die Tendenzen der gesamten Kirche: Manche Gruppen sind überaltert, junge Frauen nur noch schwer zu gewinnen. Bei einem Vollzeitjob und Familie haben viele Frauen nicht mehr die Zeit, sich ehrenamtlich in den Vorstand wählen zu lassen. Zudem überlegen auch engagierte Frauen immer häufiger, ob sie angesichts vieler Skandale und des sehr ungleichen Verhältnisses von Frauen und Männern noch Kirchenmitglieder bleiben wollen. Darauf müssten auch Verbandsstrukturen reagieren, sagt Bohn, "damit wir lebensfähig sind, auch wenn Frauen weniger bereit sind, Vorstandsämter zu übernehmen". Dazu müsse es neue Leitungsmodelle geben. "Da müssen wir bekannte Strukturen neu denken".

In den nächsten Wochen stellt sich heraus, wie sich die Freiburger kfd durch die Neustrukturierung verändern wird. Ihre historische Hypothek sind die Frauen dann los, nach knapp 100 Jahren. Die Auseinandersetzungen zeigen, dass die großen gesellschaftlichen Entwicklungen auch an der Basis spürbar werden – und neue Antworten erfordern.

Von Christoph Paul Hartmann