Theologin: Muezzinruf keine Frage der Religionsfreiheit
Die Debatte um den Muezzinruf in Köln dreht sich nach Ansicht der katholischen Theologin Anja Middelbeck-Varwick nicht um rechtliche Fragen. Es gehe stattdessen darum, "welche Rolle die Religion einer Minderheit in der Öffentlichkeit einnehmen darf", sagte sie am Montag bei einer Online-Konferenz zu Populismus und Religionsfreiheit. In Deutschland habe der Islam eine besonders schwierige Position. "Der Muezzinruf ist hierbei für Muslime vermutlich gar nicht von entscheidender Bedeutung, sondern vielmehr von symbolischem Wert."
Die Gleichberechtigung von Musliminnen und Muslimen sei in Deutschland noch keinesfalls erreicht, so die an der Goethe-Universität Frankfurt lehrende Professorin. Vor allem Hürden der Alltagsdiskriminierung müssten überwunden werden – dies fange bei Fragen des islamischen Religionsunterrichts an und gehe hin bis zu Chancen auf dem Arbeits- und Wohnungsmarkt. Die Lösungen dieser Probleme seien "weitaus gewichtiger" als Debatten um den Muezzinruf.
Seit Mitte Oktober gibt es erstmal einen öffentlichen und regelmäßigen Muezzinruf an der Ditib-Zentralmoschee in Köln. Bislang hatte der Muezzin nur innerhalb der Moschee gerufen. Vor rund einem Jahr hatte die Stadt Köln ein Pilotprojekt gestartet, wonach der Muezzinruf in islamischen Gemeinden unter Auflagen ertönen darf. Die Kommune begründet den Schritt mit der Religionsfreiheit. An der Zentralmoschee ist die maximal fünfminütige Gebetsaufforderung nun immer freitags in der Zeit zwischen 12 und 15 Uhr zu hören – je nach Jahreszeit und Sonnenstand. Außerhalb des Moscheegeländes darf der Ruf den Auflagen gemäß 60 Dezibel nicht überschreiten. Das ist etwa so laut wie ein Gespräch. (mpl/KNA)