"Massive Beihilfe zu Massenmord"
"Das menschenrechtsverletzende Königshaus in Riad rangiert beim Christenverfolgungsindex 2013 nach Nordkorea weltweit auf Platz 2", kritisierte Paul Russmann, Geschäftsführer von "Ohne Rüstung Leben", die Exporte. Aus ethischer und moralischer Sicht seien "derlei Waffentransfers zutiefst verwerflich". Zugleich stellte er infrage, dass die Exporte tatsächlich rückläufig seien. Laut dem Bericht wurden im vergangenen Jahr so wenig deutsche Rüstungsgüter exportiert wie seit zehn Jahren nicht mehr. Der Anteil der Lieferungen an Staaten außerhalb von Nato und EU nimmt aber zu.
Russmann verwies hingegen darauf, dass der Wert des Vorjahres für Einzel- und Sammelausfuhrgenehmigungen in Höhe von 10,8 Milliarden Euro mit einer einmaligen Computerumstellung im Bundesausfuhramt (BAFA) entschuldigt worden sei. Der Gesamtwert der Exportgenehmigungen von 8,87 Millarden Euro sei "real höher als je zuvor". "Ohne Rüstung Leben" ist eine der Trägerorganisationen der Kampagne "Aktion Aufschrei". Katholische Mitglieder des Bündnisses sind unter anderem Pax Christi , das Hilfswerk Misereor, die Franziskaner-Provinzleitung, der Bund der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) und die Diözesanräte und -versammlungen mehrerer deutscher Diözesen.
"Kanzlerin der Waffenexporte"
Harald Hellstern von der Deutschen Sektion von Pax Christi, warf der Bundesregierung vor, "Öl ins Feuer der Konfliktaustragung in aller Welt gegossen" zu haben. Der Sprecher der Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) Jürgen Grässlin, erklärte: "Qualitativ dokumentiert dieser Bericht eine massive Form der Beihilfe zu Massenmord mit deutschen Pistolen, Maschinenpistolen, Sturm- und Maschinengewehren". Die Verdoppelung der Kleinwaffenexporte sei "erschreckend". Deutschland führte 2012 Pistolen oder Maschinengewehre sowie Munition für 37,1 Millionen Euro an Drittländer außerhalb von EU und Nato aus. 2011 waren es noch 17,92 Millionen Euro.
Auch die Partei die Linke kritisierte die Milliarden-Geschäfte mit Saudi-Arabien scharf. Fraktionschef Gregor Gysi twitterte: "Der Rüstungsexportbericht 2012 belegt: Angela Merkel ist die Kanzlerin der Waffenexporte." Der stellvertretende Parteivorsitzende Jan van Aken warf der Bundesregierung "Skrupellosigkeit" vor. "Mit hehren Worten steht die Regierung Merkel auf der Seite der Reformer in der arabischen Welt, mit ihren Rüstungsexporten unterstützt sie die Despoten."
Bericht: Exporte in Drittstaaten nehmen zu
Laut dem Exportbericht nahmen die von der Bundesregierung erteilten Exportgenehmigungen um 13 Prozent auf 4,7 Milliarden Euro ab. Auch die tatsächlichen Kriegswaffenexporte seien rückläufig, teilte das zuständige Bundeswirtschaftsministerium mit. Sie lägen mit 946 Millionen Euro rund 26 Prozent unter dem Vorjahresniveau. Ebenfalls stark rückläufig sind nach Ministeriumsangaben die erteilten Ausfuhrgenehmigungen für Rüstungsgüter in Entwicklungsländer. Diese seien um rund ein Drittel auf 328 Millionen Euro gesunken.
Mehr als ein Viertel der genehmigten Lieferungen deutscher Waffenschmieden ist für das autoritär regierte Saudi-Arabien bestimmt. Insgesamt betreffen 55 Prozent der Ausfuhrgenehmigungen Länder außerhalb von EU und Nato. Im Vorjahr waren es nur 42 Prozent. Die Exporte in Drittstaaten nehmen angesichts schrumpfender Verteidigungsausgaben in Europa und den USA einen immer größeren Stellenwert für die deutsche Rüstungsindustrie ein. Sie sind aber besonders umstritten, weil die Waffenlieferungen auch in Länder gehen, denen massive Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen werden.
Regierungssprecher verteidigt Exporte an Saudi-Arabien
Dazu zählt auch das streng islamische Königreich Saudi-Arabien. Regierungssprecher Steffen Seibert rechtfertigte die hohen Waffenexporte an den Staat. Zu Buche schlage vor allem eine Grenzsicherungsanlage für 1,1 Milliarden Euro, ein Großauftrag für die EADS-Tochterfirma Cassidian. Das Land sei ein wichtiger Akteur für die Stabilität in der Region und habe sich konstruktiv bei der Lösung von Konflikten verhalten. Seibert räumte aber ein, dass es bei Menschenrechtsfragen durchaus andere Auffassungen zwischen Deutschland und Saudi-Arabien gebe. (luk/KNA/dpa)