Wenn es im Kloster still wird
Am Samstag vor dem ersten Advent wird es still im Kloster Gethsemani, noch stiller. "Wir halten an diesem Tag bewusst Stillschweigen und reden nur noch das Nötigste miteinander. Am besten gar nichts mehr", erklärt Schwester Magdalena König am Telefon. Sie ist Trappistin und lebt mit sechs weiteren Nonnen am Donnersberg in der Pfalz. Gemeinsam führen sie ein kontemplatives Leben in Stille und Abgeschiedenheit.
In ganz Deutschland gibt es nur zwei Niederlassungen der Zisterzienserinnen der strengen Observanz, wie die Trappistinnen auch genannt werden: Die Abtei Maria Frieden mit 14 Schwestern, die in diesem Jahr aus Kall in das ehemalige Benediktinerinnenkloster nach Steinfeld umgezogen sind und die kleine Gemeinschaft in Dannenfels, zu der auch Schwester Magdalena gehört. Die Trappistenabtei Mariawald wurde 2018 aufgelöst.
Wenn man in einer Gemeinschaft lebt, ist es nötig, dass man gut miteinander umgeht und auch gut miteinander spricht, erklärt Schwester Magdalena. "Daher brauchen wir diese festen Zeiten und Räume zum Schweigen". Und im Advent ganz besonders. "Wir versuchen in dieser Zeit auf Weihnachten hin insgesamt stiller zu werden“, fügt sie hinzu. Ihre Stimme klingt angenehm, ruhig. "Durch das Schweigen wird man hellhörig für das, was Gott von einem will", ergänzt sie.
Schwester Magdalena weiß, dass es nicht für jede Mitschwester leicht ist, so viel Zeit in Stille zu verbringen. "Da kommt alles hoch, Trauer, Schmerz, alte Wunden." Wenn man all das aber bewusst anschaut und vor Gott legt, kann Stille auch heilsam sein, meint die Ordensfrau, sofern die Stille nicht so wehtut, dass man Hilfe benötigt. Deshalb sind auch Gespräche wichtig.
Die Trappistinnen am Donnersberg bei ihrem täglichen Stundengebet. Sie beginnen morgens um 3.45 Uhr mit der nächtlichen Vigil und schließen um 19 Uhr mit der Komplet. Alle Gebetszeiten werden gesungen.
Für die Trappistinnen in Dannenfels beginnt der Tag sehr früh. Um 3:45 Uhr treffen sie sich zur ersten Gebetszeit, der nächtlichen Vigil. Die Nacht ist eine besonders gute Zeit zum Beten, findet Schwester Magdalena. Manche der Schwestern sind schon viel früher im Oratorium, um still vor Gott zu sitzen. "Wir denken in dieser Stunde auch an die Menschen, die nachts wach sind, die leiden oder sterben", erklärt sie die nächtliche Gebetszeit der Nonnen. Nach der Vigil folgt um 7 Uhr die Laudes und danach eine Eucharistiefeier mit einem Priester, der von außerhalb ins Kloster kommt. Tagsüber gibt es noch fünf weitere gemeinsame Gebetszeiten der Ordensfrauen, die allesamt gesungen werden. Geabeitet wird im Kloster auch in Stille. Insgesamt viel Zeit, um zu schweigen, meint Schwester Magdalena, die auch Priorin der kleinen Gemeinschaft ist. Schweigend werden auch alle Mahlzeiten eingenommen, während eine Schwester vorliest oder eine Musik-CD abgespielt wird, im Advent meist Händels Messias.
Die Stille im Kloster war es auch, die die heute 63-Jährige schon als junge Frau anzog. Sie war 29 Jahre alt und mitten in der Ausbildung zur Religions- und Deutschlehrerin, als sie die Gemeinschaft kennenlernte. "Ich brauchte dringend eine Auszeit und wollte meinen Berufsweg überdenken", erklärt sie. Per Zufall stieß sie auf das Kloster der Trappistinnen. Die Ruhe dort tat ihr gut. So gut, dass sie überlegte, ob so ein Leben in der Zurückgezogenheit auch etwas für sie sein könnte. "Aber bringt ein kontemplatives Leben der Gesellschaft wirklich etwas?", fragte sie sich, und zögerte ihre Entscheidung hinaus. Drei Jahre später kam sie wieder und blieb. "Die Stille hat mich nicht mehr losgelassen", sagt sie, "eine Stille, deren Mittelpunkt Gott ist. Denn wenn wir nur unsere Ruhe suchen würden, wäre das ein ziemlich egoistisches Leben".
Eine schöne Blume am Wegesrand. Schwester Magdalena kann sich daran sehr erfreuen. Das Kloster verlässt sie für Spaziergänge äußerst selten.
Schon zwei Jahre bevor sie ins Kloster eingetreten ist, habe sie sich keine neuen Kleider mehr gekauft. "Meine Schwestern fanden das merkwürdig", erinnert sich die Ordensfrau, "für mich war das ein Einüben des Klosterlebens". Heute zieht sie jeden Tag ihr schwarzes Skapulier über das weiße Ordenskleid und legt einen Ledergürtel um. Das vereinfache ihr Leben enorm. Denn sie müsse nicht mehr überlegen, was sie jeden Tag anziehen soll. Gesellschaftliche Konventionen habe sie ohnehin immer als lästige Pflicht empfunden. Ihr Eintritt ins Kloster war aber keine Flucht vor dem Leben draußen, sondern ein Gewinn für sie, ist sie sicher.
"Ich habe so vieles losgelassen, weggegeben, verschenkt", sagt sie. Nichts davon habe sie jemals vermisst. Schmerzhafter hingegen war es, Freundschaften loszulassen. "Das waren Abschiede für immer", so die Ordensfrau. An ihren letzten Kinobesuch mit ihrer Freundin erinnert sie sich noch, das war 1988. Heute genießt sie es, wenn die Schwestern gemeinsam einen Film anschauen. Aber einfach mal so zum Zeitvertreib fernzusehen, das Radio anzumachen oder im Internet zu surfen, das mache sie nie, erklärt sie. Die Zeit für so etwas sei ihr einfach zu kostbar. Lieber gehe sie mit den anderen in den Wald spazieren oder lese ein Buch. Aber das Kloster verlasse sie eigentlich nur sehr selten.
Wenn sie etwas dringend benötige, dann gehe sie zur Oberin und bitte darum. Das sei nicht lästig. Denn sie bekomme eigentlich immer, wenn sie etwas brauche. "Wenn ich mir aber ein Pferd wünschen würde, weil ich Pferde so gerne mag, dann geht das natürlich nicht", lacht sie. Das Leben hier im Kloster sei einfach, aber keineswegs karg, so die Ordensfrau. Das Haus, in dem die Schwestern seit 1984 wohnen, war früher ein Kinderkurheim. "Wir genießen die hohen weiten Gänge und das viele Licht in den Räumen", beschreibt Schwester Magdalena ihr Zuhause. Sie erfreue sich jeden Tag an den Ikonen, die an den Wänden hängen oder an frischen Blumen, die im Treppenhaus bei einer Statue der Muttergottes stehen. "Hier fühle ich mich wohl. Sonst wäre ich nicht mehr hier", betont sie. Früher hatte sie in der klostereigenen Paramentenstickerei gearbeitet, obwohl das anfangs gar nicht ihr Ding war, gibt sie zu. Heute ist sie die Priorin der Gemeinschaft und mit anderen Aufgaben in der Verwaltung betraut.
Bücher sind im Kloster Gethsemani wichtig. "Wir lesen viel", erklärt Schwester Magdalena König. Sogar eine Ausgabe von "Der Herr der Ringe" findet sich in der Klosterbibliothek der Trappistinnen.
Gerne erinnert sie sich an die Weihnachtszeit bei ihren Eltern, früher als Kind. An Heiligabend lagen immer kostbare Geschenke unter dem Baum, zum Beispiel ein Buch von Astrid Lindgren, das sie besonders gern hatte. "Das lesen heute meine Neffen", erklärt sie nüchtern. Auch das hat sie zurückgelassen. Heute freut sie sich, wenn ihre Eltern ihr in der Adventszeit Plätzchen schicken. Die dürfe sie sogar behalten, sagt sie freudig. "Wir Schwestern schenken uns untereinander nichts an Weihnachten", sagt sie. "Erstens kommen wir nicht raus zum Einkaufen und zweitens wollen wir uns dem Konsumzwang nicht unterwerfen", so König. Stattdessen schreibe sie lieber eine schöne Karte mit guten Worten an alle, auch an Freunde und die Familie. "Ich mache mir immer sehr viel Mühe in den kleinen Dingen", so die Ordensfrau. Manchmal werden jedoch Geschenke von Freunden des Klosters an der Klosterpforte abgegeben: Socken, Kerzen, Marmelade, Süßigkeiten. Die Päckchen werden aber gemeinsam geöffnet und die Inhalte an alle verteilt. "Schließlich sind wir eine Familie", lacht Schwester Magdalena. Natürlich könnte sie sich an Weihnachten von Familie oder Freunden etwas Besonderes schicken lassen. "Aber das machen wir nicht, denn das ist nicht im Sinne der Ordensregel", erklärt sie. Niemand solle etwas besitzen oder ohne Erlaubnis des Abtes etwas geben oder annehmen, steht in der Regel des Heiligen Benedikt im Kapitel 33. Das klinge zwar streng, aber sie erlebe es als Befreiung, so die Trappistin. Sie fühle sich durch ihr Leben reich beschenkt.
Die Kapelle im Kloster Gethsemani ist an Weihnachten mit einer Krippe und einem Strohstern geschmückt. Hier singen die Nonnen sieben Mal am Tag ihr Stundengebet.
An Heiligabend wird eine schlichte Krippe in der Kapelle des Klosters aufgestellt und Strohsterne aufgehängt. Christbaum gibt es keinen. Auf den verzichten die Schwestern wegen des Baumsterbens. An Heiligabend sitzt die Gemeinschaft kurz vor Mitternacht wieder eine halbe Stunde in Stille zusammen in der Kapelle. Dieser Moment sei immer sehr feierlich. "Wir bereiten uns auf die Begegnung mit Gott vor", so die Ordensfrau. Es sei ein großer Trost in dieser Nacht zu spüren, dass Gott als Mensch in unser Leben kommt und in das Leben aller, die mühsam darauf warten. "Wir sind eine Gemeinschaft, in der viel gebetet wird. Das ist unser Geschenk für die Menschen draußen", schließt die Ordensfrau.
