Katholisch sein hat nicht nur etwas mit der Institution zu tun

Junge Synodale Müller: Die Kirche gibt mir Hoffnung

Veröffentlicht am 04.12.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 6 MINUTEN
Mutmacher im Advent

Harsewinkel-Marienfeld ‐ Johanna Müller gehört zu den jungen Mitgliedern des Synodalen Wegs. In ihrem "Mutmacher im Advent" schreibt sie, was ihr in einer Zeit der Kirche im Umbruch und schwindender Bedeutung Hoffnung schenkt – und das hat auch viel mit der Kirche an sich zu tun.

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Im Advent 2019 begann der Synodale Weg in Deutschland. Damals bin ich Teil der Synodalversammlung geworden, als eine der jungen Synodalen. Ich hatte mich beworben, weil ich gespannt war, wie das funktionieren könnte, und vor allem, weil ich überzeugt war und immer noch bin, dass sich die katholische Kirche verändern muss. Ich hatte die große Hoffnung, dass ich mich irgendwann nicht mehr für meine Kirche schämen muss. Das ist bis heute nicht der Fall – im Gegenteil.

In knapp drei Jahren hat sich einiges getan und doch muss ich frustrierte Katholikinnen und Katholiken, interessierte Gleichaltrige und mitfiebernde Mitchristen immer wieder vertrösten. Natürlich ist auf dem Synodalen Weg viel passiert. Ich sehe, wie viel Zeit, Herzblut und Arbeit Menschen in den Reformprozess stecken. Jedoch sind die Ergebnisse, die wir bis jetzt haben, vor allem für Leute sichtbar, die sich in der katholischen Bubble bewegen.

Gottesienst bei der Synodalversammlung
Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Der Synodale Weg geht kommendes Jahr zu Ende.

Im März geht der Synodale Weg in Deutschland mit der fünften Synodalversammlung zu Ende. Lange nicht alle Themen haben es auf die Tagesordnung geschafft – ich und viele andere sind mit der Bearbeitung der Themen und den Ergebnissen noch lange nicht zufrieden. Es wird abzuwarten sein, was von den vielen Beschlüssen letztlich umgesetzt wird, was eine spürbare Veränderung zur Folge hat.

Oft verliere ich den Mut, bin frustriert und ungeduldig. Es fällt mir schwer, hoffnungsvoll zu sein. Auf dem Weg frage ich mich immer wieder: Wie lange noch? Was bringt das, was wir tun, überhaupt? Lohnt sich die viele Arbeit und Zeit, die ich investiere? Das Jahr geht zu Ende und die fünfte Synodalversammlung steht vor der Tür. Ich habe mir Gedanken gemacht, was mir, trotz allem, Hoffnung gibt. Dabei haben sich vier große Aspekte aufgetan.

Ich bin nicht allein

In erster Linie geben mir die vielen Menschen Hoffnung, mit denen ich gemeinsam auf dem Weg sein darf. Das sind insbesondere die anderen jungen Synodalen. Und dann sind da unterschiedlichste Menschen, von denen ich weiß, dass sie auf uns, die Synodalen, setzen. So oft habe ich das erlebt: Ich werde zu einer Veranstaltung eingeladen, um über den Synodalen Weg zu berichten. Ich freue mich über diese Möglichkeit und zugleich habe ich kein gutes Gefühl, denn ich weiß genau, dass der Synodale Weg auch nur begrenzt etwas verändern kann. Doch trotz aller Skepsis ermutigen die Zuhörerenden mich, weiterzumachen. Und fast jedes Mal komme ich ermutigt und wieder mit ein bisschen mehr Hoffnung von den Veranstaltungen zurück.

Bild: ©katholisch.de/ Madeleine Spendier

"Das, was viele in der katholischen Kirche in Deutschland beschäftigt, treibt auch die Menschen in anderen Teilen der Welt um", schreibt Johanna Müller.

Da sind Menschen, die hoffen, wenn ich frustriert bin und keine Lust mehr habe, mich mit der Kirche zu beschäftigen. Und dann, in einem anderen Moment, kann ich ihnen von meiner Hoffnung und meinen Erfahrungen erzählen, wenn sie keinen Fortschritt in all den Bemühungen sehen. Wir teilen unsere Hoffnung, wir hoffen füreinander und ich kann mir gewiss sein, ich bin nicht allein.

Das Argument Weltkirche zählt nicht mehr

Nicht zuletzt mit der Veröffentlichung des Arbeitsdokuments für die kontinentale Phase der Bischofssynode zur Synodalität wurde offenkundig, dass die Themen, die beim Synodalen Weg angegangen werden, mehr oder weniger auch in anderen Ländern eine große Rolle spielen. Es ist kein deutscher Sonderweg, es ist kein verrücktes Experiment. Wir laufen nicht dem "Zeitgeist" nach. Das, was viele in der katholischen Kirche in Deutschland beschäftigt, treibt auch die Menschen in anderen Teilen der Welt um: undemokratische Machtstrukturen, das Problem des Klerikalismus, die Diskriminierung von Frauen und queeren Menschen, eine Sexualmoral, die weit hinter den Erfahrungen der Menschen zurückbleibt.

Dass das, nicht zuletzt durch diesen weltweiten Synodalen Prozess, endlich offensichtlich wird, gibt mir Hoffnung. Wenn ich über die Weltkirche schreibe, möchte ich auch Gruppen wie zum Beispiel die Voices of Faith oder das Catholic Women's Council als Hoffnungsträgerinnen nennen. Diese Netzwerke von katholischen Frauen auf der ganzen Welt durfte ich ebenfalls bei einer Veranstaltung kennenlernen. Frauen erheben ihre Stimme, vernetzen sich, unterstützen sich, empowern einander. Das gibt mir Hoffnung.

Glauben in Gemeinschaft leben

Manchmal frage ich mich: Warum mache ich das alles? Wofür? Eine Antwort: Ich bin Teil dieser Kirche und ich möchte sie nicht allein denen überlassen, die sich ihrer Verantwortung scheinbar nicht bewusst sind und immer noch versuchen, Institution und Lehre vor jeder Veränderung zu "schützen", statt konsequent auch die systemischen Probleme anzugehen, die Machtmissbrauch von Klerikern immer noch begünstigen.

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Katholiken in Nordeuropa? Eine Ausnahmeerscheinung. Das bedeutet lange Wege und Vereinzelung. Doch in den postreligiösen Ländern stehen die Katholiken für eine bunte Gruppe, in der auf engstem Raum die ganze Welt zu Gast ist.

Katholische Kirche ist aber nicht nur die Institution. Die Kirche als eine Gemeinschaft der Gläubigen gibt mir Hoffnung. Das erlebe ich in meiner Familie, unter den jungen Synodalen, aber derzeit auch auf neue Weise während meines "Praktikums im Norden": Hier in Schweden ist die katholische Kirche viel kleiner und zugleich bunter, internationaler. Es tut gut, Weltkirche einmal anders zu erleben.

Es sind die Menschen selber, die das Evangelium in ihrem Alltag versuchen zu leben, die in ihren Gemeinden aktiv werden, Neues anstoßen und einfach ausprobieren, die mir Hoffnung geben.

Als junger Mensch finde ich, dass die Botschaft unseres Glaubens es wert ist und ein unglaubliches Potenzial in sich trägt: bedingungslose Liebe, Freiheit, gleiche Würde jedes Menschen, ohne Wenn und Aber. Und ich persönlich möchte diesen Glauben in Gemeinschaft mit anderen und eben in und mit Kirche leben.

2000 Jahre Kirchengeschichte

Ja, die Kirche ist im Umbruch. Die Ereignisse überschlagen sich. Und doch ist man faktisch seit mehreren Jahrzehnten an den gleichen Themen dran. Bei allen Entwicklungen, allem Stillstand und auch dem ein oder anderen Schritt rückwärts, tut es gut, auf 2000 Jahre Kirchengeschichte zurückblicken zu können. Erstens, weil es, leider Gottes, häufig lange gebraucht hat, bis Entwicklungen und Reformen, die immer an der Basis beginnen, auch "offiziell" anerkannt wurden und weltkirchlich Veränderungen bewirken konnten. Zweitens, weil die Theologie sich immer weiterentwickelt und auch die Kirche als Institution sich fortwährend verändert hat. Und drittens, weil sich immer Menschen zusammengefunden haben, um Gottesdienst zu feiern, das Evangelium zu verkünden und einander im Glauben und im Alltag zu unterstützen. Und das wird auch so bleiben.

Von Johanna Müller

Die Autorin

Die 19-Jährige Johanna Müller ist die jüngste Delegierte der Vollversammlung des Synodalen Wegs. Sie stammt aus Marienfeld im Bistum Münster und hat sich beim BDKJ für einen der Plätze der 15 Teilnehmer unter 30 Jahren in der Synodalversammlung beworben. Sie arbeitet im Forum "Macht und Gewaltenteilung" mit.