Zu Besuch im Krippenmuseum
G.A. Schröppel steht noch heute in großen Lettern über dem Schaufenster. 1818 wurde die "Lebkuchen-, Chocolade- und Zuckerwarenfabrik" von Georg Adam Schröppel gegründet. Hier, in der Bamberger Sandstraße, wurden bis in die 1960er Jahre unter anderem die berühmten Bamberger Pfeffernüsse hergestellt. So ist es gar nicht so weit hergeholt, dass heute im Schaufenster ein anderer Schriftzug zu lesen ist: "Krippenmuseum".
Seit dem Jahr 2001 stellt der Kunsthistoriker Erk Baumann hier eine Auswahl seiner reichen Krippensammlung zur Schau. Das Museum möchte dem Besucher "einen möglichst abwechslungsreichen Querschnitt von historischem und aktuellem Krippenschaffen" bieten, wie der Museumsinhaber betont. Und so nehmen die jährlich wechselnden Darstellungen den Besucher mit hinein in eine andere Welt: Eine Welt, in der Menschen aller Jahrhunderte versucht haben, dem Weihnachtsgeschehen einen Ausdruck zu verleihen.
(Fast) vergessene Traditionen
Kaum ist man über die Schwelle des Museums getreten, begegnen dem Besucher beinahe mannshohe Wachsfiguren, die von Baumann mühevoll restauriert und eingekleidet wurden. Die langen Brokatgewänder geben Maria und Josef ein sehr würdevolles Aussehen. In der Barockzeit wurden Krippenfiguren sehr hochwertig bekleidet, obwohl sich Maria und Josef damals sicher keinen Brokatstoff leisten konnten. Ebenso sehenswert ist eine Krippendarstellung unter einem Glassturz: Auf mehreren Ebenen sind nicht nur die Geburt Christi und die anbetenden Könige zu sehen, sondern auch allerhand Hirten, die mit ihren Geschenken unterwegs sind. Solche Krippen waren vor allem im Egerland und in Böhmen verbreitet. Die kleinen Figuren sind nicht aus Holz oder Wachs gefertigt. Sie wurden aus Tragant hergestellt, besser gesagt aus dem Sirup der Tragant-Pflanze. Mithilfe von Modeln hat man dann – ähnlich wie beim Plätzchenbacken - die kleinen Figuren ausgeformt.
Auch heimische Künstler sind im Krippenmuseum vertreten: Die in Hof a.d. Saale lebende Gerta Steiff hat aus Ton Figuren geformt, die schließlich im Stil fränkischer Trachten bekleidet wurden. Den Hintergrund für die Krippe bildet ein Gebäude, dessen Gestaltung an die Alte Hofhaltung gegenüber dem Bamberger Dom angelehnt ist. Nur wenige Schritte weiter hat Wilfried Kuntke eine Darstellung geschaffen, die mit dem Titel "Schau beim Herrn Rat gibt's a Krippala" überschrieben ist. Zu sehen sind einige Kinder, die eine Krippe in einem Schaufenster bewundern. Hineinverlegt ist die Szene mitten in die Bamberger Altstadt mit ihren prächtigen Fachwerkhäusern und ihrem ganz besonderen Charme.
Das Highlight der Ausstellung ist wohl eine Krippe, deren Figuren aus Glas gefertigt wurden. "Wir zeigen in diesem Jahr nach der Corona-Zwangspause von praktisch zwei Jahren nochmal die größte böhmische Glaskrippe der Welt, die ein Wunderwerk der böhmischen Glaskunst ist", so Erk Baumann. Solche Figuren sind nicht nur selten, sondern aufgrund ihres zerbrechlichen Materials wirklich eine Besonderheit. Wer die Glasbläser waren, die diese Krippe gearbeitet haben, kann man nicht mehr sagen. Dafür findet man andere große Namen der Krippenkunst im Museum vertreten: Den Salzburger Krippenbauer Xandi Schläffer zum Beispiel oder Angela Tripi aus Palermo oder Alois Augustin Probst. Gerade die Krippenfiguren der Gebrüder Probst sind mit ihrer geringen Größe von nicht einmal fünf Zentimetern ein Meisterwerk der barocken Krippenkunst. Den Kontrast dazu bildet ein Krippenkasten, den die Aufschrift "Beim Schuala kimmt die Welt zum Kind" ziert. Zu sehen ist eine bunte Welt: Elefanten, Kamele, ein Strauß, Menschen mit peruanischer Tracht, zwei Indigene des Polarkreises. In einer Ecke hat er sich selbst dargestellt, wie er in seiner Werkstatt aus "Klubberln", also alten Wäscheklammern, seinen Figuren fertigt: der Oberammergauer Künstler Christian Mayr. Seine Darstellung ist das Zeugnis einer zeitgenössischen Krippenkunst.
Angekommen auf dem Domberg führt der Weg zunächst in die Kathedralkirche, in der seit einigen Jahren eine Krippe aus der Werkstatt des Ottobrunner Schnitzers Josef Hien zu bewundern ist. Anschließend aber geht es ins Diözesanmuseum. Dort ist in diesem Jahr eine besondere Krippenausstellung zu sehen: Sie ist dem Bamberger Krippenschnitzer Max Huscher gewidmet, dessen Todestag sich 2023 zum dreißigsten Mal jährt.
Max Huscher war ein Bamberger Original: Am 12. Juni 1905 wurde er in Bamberg als Sohn eines Konditormeisters geboren. Schon in seiner frühesten Kindheit interessiert er sich für den Krippenbau und besonders für das Schnitzen von Figuren. Neben seiner Ausbildung zum Konditor geht Huscher privat bei Franz Bauer in die Lehre. Bauer ist Holzbildhauer und betreibt unterhalb der Oberen Pfarre seine Werkstatt. Als "Hergottschnitzer aus der Höll" (die Straße, in der sich die Werkstatt Bauers befindet, trägt den Namen "Hölle") ist er weit über die Grenzen Bambergs bekannt. So lernt Huscher das Schnitzen und als er 1957 von seinem Vater den Cafébetrieb der Villa Remeis übernimmt, richtet er sich im ersten Stock eine kleine Werkstatt ein.
Und wie begabt Max Huscher war, zeigt die Ausstellung des Diözesanmuseums: Neben Szenen der Geburt Christi sind dort vor allem Ausschnitte aus den beiden Jahreskrippen zu sehen, die Huscher geschaffen hat. Eine fertigte er für die Pfarrei Herz Jesu in Erlangen, eine andere für den Regens des Priesterseminars, Prälat Rudolf Nickles. Ob die Versuchung Christi durch den Teufel, die Begegnung mit Maria aus Magdala oder das Zusammentreffen mit dem Zöllner Zachäus aus Jericho: Max Huscher hatte Freude, die biblischen Geschichten lebendig darzustellen. "Die hohe Qualität der Figuren, die ja von einem Laien-Bildhauer geschnitzt worden sind, ist das Besondere an Huschers Darstellungen", erklärt die Kuratorin der Ausstellung, Ludmila Kvapilová-Klüsener. Ausdrucksstarke, bärtige Männerköpfe und schöne Frauengesichter mit zarten Zügen, wie auch die gekonnt geschnitzten lebendig gestikulierend Hände verdeutlichen dies.
Da Urlaubsreisen für Huscher noch nicht möglich waren, schuf er sich eine einfache Lösung: Aus Zeitschriften und Zeitungen wurden Portraits ausgeschnitten, die der Meister in Notizbüchern sammelte. Sie waren für seine Figuren Anregungen und Modelle. Die größte Inspiration war aber für Huscher ein Besuch im Bayerischen Nationalmuseum in München: Die neapolitanischen Krippen, die dort ausgestellt waren, zogen ihn in seinen Bann. "In Anlehnung an diese Figuren arbeitete auch Huscher seine Figuren nicht als ganze Skulpturen, sondern schnitzte lediglich die Köpfe, Hände, Füße und den nicht sichtbaren Rumpf aus Lindenholz. Dann verband er alle Bestandeile mit dem Kupferdraht zu einer Art Gliederpuppe. Solche Figuren sind besonders beweglich und haben den Vorteil, dass sie nach Gegenständen greifen können bzw. diese tragen oder halten", beschreibt Kvapilová-Klüsener.
Besonders eindrucksvoll ist die Szene, die den wunderbaren Fischfang zeigt: Zwei Fischerboote sind auf das Wasser hinausgefahren, in ihnen sitzen die Apostel, die gerade die Netze herrichten. Am Ufer des Sees steht Jesus mit einem Jünger. Es sieht so realistisch aus, dass man am liebsten eintauchen möchte in die Szene am See Genesareth. Und welche Darstellung hat es der Kuratorin am meisten angetan? "Mich beeindrucken die großen Figuren Huschers, die eher Ausnahmen in seinem Oeuvre darstellen. Die größten Figuren, die eine Höhe von 47 cm erreichen, finden sich in der 'Anbetung der Heiligen Drei Könige und Hirte'", erzählt Kvapilová-Klüsener. So eröffnen die Krippenmuseen in Bamberg einen besonderen Blick in die weite Welt der Krippenkunst.