Standpunkt

Spirituelle Autonomie stärken, um Sekten in der Kirche zu verhindern

Veröffentlicht am 15.12.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Katholische Integrierte Gemeinde und Totus Tuus sind nur zwei Beispiele, die nach Ansicht von Regina Nagel aufzeigen, dass die Kirche ein Problem mit "Sekten" hat. Nagel fordert deshalb eine Stärkung der geistlichen Selbstbestimmung.

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Im Podcast "Im Sog der Integrierten Gemeinde" des Bayerischen Rundfunks (BR) sagt Ex-Mitglied Monika Kindler: "Wir hingen da drin wie eine Fliege im Spinnennetz. Wir haben das nicht gemerkt." Der Podcast und die Reportage des BR "Seelenfänger – Verrat im Namen des Herrn: Die Integrierte Gemeinde" ermöglichen einen breitgefächerten Einblick in die Abgründe einer katholischen "Bewegung", in Methoden der Seelenfängerei, das Leid der Betroffenen und die Unterstützung durch die Hierarchie bis hin zu Josef Ratzinger. Die Katholische Integrierte Gemeinde wurde, wie auch Totus Tuus, inzwischen kirchenrechtlich aufgelöst. Weitere katholische "Bewegungen" agieren ähnlich übergriffig. Betroffene erzählen ihre Geschichte meist nur anonymisiert. Sie haben Angst vor der Macht dieser Gruppierungen, die weitgehend geschützt oder gar gefördert wurden und werden durch hochrangige Kleriker bis hin zu Päpsten.

Aufgrund ihrer Struktur und Lehre ist unsere Kirche offensichtlich anfällig für innerkirchliche "Sekten". Es braucht dringend mehr Bewusstsein, Aufklärung und den Mut, Position zu beziehen. Ebenso wichtig ist Prävention. Junge Leute, aber auch Menschen in Krisensituationen, sind besonders empfänglich für Heilslehren aller Art, seien sie politisch, pseudowissenschaftlich oder religiös. Kirchliche Mitarbeiter*innen in Jugendarbeit, Pastoral und Schule tragen Verantwortung dafür, Menschen auch in spiritueller Hinsicht zur Autonomie zu ermutigen. Wer lernt, Manipulationsmechanismen zu durchschauen, faktenorientiert nachzufragen und seinen Lebens- und Glaubensweg in Freiheit zu gehen, dem kann es gelingen, in einem zunehmend pluralen religiösen und gesellschaftlichen Umfeld, selbstbestimmt zu leben und die Zukunft konstruktiv mitzugestalten.

Bei der jüngsten Vollversammlung des ZdK hat Regina Heyder dazu aufgerufen, "spirituelle Selbstbestimmung als Querschnittsaufgabe" in unterschiedlichsten Bereichen mitzubedenken. Möglich werden kann dies durch eine Vernetzung derer, die die Gefahren zumeist traditionalistischer Strömungen (vor allem, wenn die Zielgruppe junge Menschen sind) wahrnehmen und die bereit sind, Strategien zur Förderung spiritueller Autonomie zu entwickeln.

Von Regina Nagel

Die Autorin

Regina Nagel ist Vorsitzende des Gemeindereferent*innen-Bundesverbands und verantwortliche Redakteurin der Verbandszeitschrift "das magazin".

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.