Familien brauchten deutlich mehr Unterstützung

Erzbischof Koch: Bei Familie zählt Wertschätzung, nicht Lebensform

Veröffentlicht am 30.12.2022 um 00:01 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Ein katholischer Familiensonntag, der an einem Freitag gefeiert wird? Im Interview erklärt DBK-Familienbischof Heiner Koch nicht nur das, sondern sagt auch, dass für ihn die Konstellation einer Familie nicht das Entscheidende ist.

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Familien brauchen nach Einschätzung des Berliner Erzbischofs Heiner Koch wegen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs verstärkt Unterstützung. Im Interview erklärte der "Familienbischof" der Deutschen Bischofskonferenz, inwieweit Staat und Kirche dabei gefordert sind. Er äußerte sich aus Anlass des jährlichen "Familiensonntags", den die katholische Kirche in diesem Jahr bundesweit am 30. Dezember begeht.

Frage: Herr Erzbischof, ein katholischer "Familiensonntag", der an einem Freitag gefeiert wird, wie kommt das?

Koch: Alle sieben Jahre fällt Neujahr auf einen Sonntag, so dass kein zusätzlicher Termin zwischen Weihnachten und Neujahr als Familiensonntag zur Verfügung steht. Gibt es wie in diesem Jahr keinen "Sonntag in der Weihnachtsoktav", fällt das Fest der heiligen Familie, an dem normalerweise der Familiensonntag gefeiert wird, auf den 30. Dezember. Die Arbeitshilfe der Bischofskonferenz zur Gestaltung des Familiensonntags stellt es frei, dass er auch an einem anderen Tag begangen werden kann, zum Beispiel auch am weltweit begangenen Internationalen Tag der Familie am 15. Mai 2023.

Frage: Warum wurde für dieses Jahr das Motto "Füreinander da sein – Zusammenhalt in der Familie" gewählt?

Koch: Die vergangenen drei Jahre der Pandemie waren schwierige Jahre für die Familien, die sie an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit gebracht haben, etwa wegen der Schließung der Schulen und Kindertagesstätten. Wir wollen mit diesem Thema unsere Wertschätzung für die Familien und für ihre Leistung zeigen, die sie für die Gesellschaft erbringen.

Frage: Inwieweit spüren Sie, dass die Folgen von Corona nachwirken?

Koch: Ich merke bis heute, dass Kindern und Jugendlichen Erfahrungen von Gemeinschaft fehlen. So konnten Jugendliche bei der Firmvorbereitung in der Pandemiezeit keine gemeinsamen Wochenenden verbringen oder Fahrten unternehmen und haben dadurch viel weniger als früher ein Gruppengefühl entwickeln können. Langsam bessert sich das zum Glück wieder. Nach drei Jahren sind wieder Sternsinger unterwegs, solche Erlebnisse können Kinder nun endlich nachholen.

Eine menschenleere Schulklasse
Bild: ©KNA/Cristian Gennari/Romano Siciliani

Die größte Herausforderung seien die Folgen der pandemiebedingten Schulschließungen, sagt Heiner Koch.

Frage: Wie beurteilen Sie die Hilfen der Ampel-Koalition, um die Folgen der Pandemie für Familien zu mildern?

Koch: Der Staat hat viel getan etwa durch Einmalzahlungen und weitere finanzielle Leistungen, die – wie das erhöhte Kindergeld – besonders den Familien zugute kommen. Wünschenswert wäre es aber, diese Mittel stärker für die wirklich bedürftigen Menschen einzusetzen, zumal es derzeit eine sehr starke Inflation gibt. Die größte Herausforderung sind jedoch die Folgen der pandemiebedingten Schulschließungen, die zu immer größeren Bildungsunterschieden zwischen den Kindern armer und reicher Familien geführt haben. Der Staat muss in der Bildungspolitik deutlich mehr tun, um diese Kluft zu beseitigen.

Frage: Beim Familiensonntag geht es auch um den Krieg in der Ukraine. Zu uns geflüchtet sind vor allem Mütter mit Kindern – die Väter müssen meist zur Verteidigung ihrer Heimat bleiben. Wie kann die Kirche diesen Familien helfen?

Koch: Die Gastfreundschaft vieler Kirchengemeinden und Einrichtungen der Caritas, in denen die Geflüchteten untergekommen sind, ist großartig. Außer den vielen Unterstützungsangeboten, um im Alltag zurechtzukommen, können wir auch dadurch helfen, dass wir füreinander beten und gemeinsam versuchen, den Wahnsinn dieses Krieges auszuhalten.

Frage: Viele deutsche Familien entsprechen nicht dem katholischen Leitbild von Vater, Mutter und Kindern. Es gibt immer mehr Alleinerziehende, gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern und auch Eltern, die sich im Glauben oder ihrer Weltanschauung stark unterscheiden. Inwieweit hat der Familiensonntag sie im Blick?

Koch: Die Vielfalt familiärer Situationen nehmen wir als Kirche achtsam an, sie hat einen Platz in unseren Gemeinden. Ausschlaggebend ist für mich nicht die familiäre Konstellation, ausschlaggebend ist, dass alle Mitglieder einer Familie sich annehmen und wertschätzen, auch in ihren Glaubensentscheidungen, wenn etwa ein Partner Christ ist und der andere Atheist. Das muss sich insbesondere in der Erziehung der Kinder bewähren, damit sie zu einer bewussten Entscheidung über ihren Glauben kommen können.

Von Gregor Krumpholz (KNA)