Benediktiner in Rom: So gehe ich mit Spannungen zum Synodalen Weg um
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Der Benediktinerpater Mauritius Wilde ist Prior der Primatialabtei Sant’Anselmo in Rom und Generalprokurator der internationalen Benediktiner-Föderation. Als deutscher Ordensmann, der in Rom lebt, spüre er die Spannungen zwischen Deutschland und dem Vatikan zum Synodalen Weg geradezu in sich selbst, sagt er. Doch er habe Hoffnung, denn es werde zunehmend miteinander gesprochen. Zudem erzählt Pater Mauritius vom momentanen Leben in Sant'Anselmo und von seinen Neujahrswünschen.
Frage: Um uns vorstellen zu können, was Sie in Rom machen und was Ihre Aufgaben dort sind: Erklären Sie uns, was ein Prior in der Primatialabtei Sant'Anselmo macht?
Pater Mauritius: Dieser Name Primatialabtei kommt von dem Abtprimas, der hier seinen Sitz hat. Das ist der höchste Repräsentant des Benediktinerordens. Gleichzeitig neben seiner Kurie gibt es hier eine Gemeinschaft von momentan 110 Mönchen. Wir haben auch Weltpriester und andere Ordensleute, die hier auf dem Aventin in Sant'Anselmo leben. Sie leben hier in dem sogenannten Collegio Sant'Anselmo. Und für das bin ich zuständig. Ich bin der Prior, das heißt, ich bin der Leiter dieser Gemeinschaft. Meine Aufgabe ist, dass es all diesen Männern gut geht und dass sie auf ihrem geistlichen Weg vorankommen.
Frage: Sie selbst haben einen Zwischenstopp in den USA gemacht. Ihre Heimat oder eine Ihrer Heimaten ist aber in Deutschland in der Abtei Münsterschwarzach. Wie viel Münsterschwarzach steckt noch in Ihnen? Wie viel haben Sie mitgenommen nach Rom?
Pater Mauritius: Das Ganze, denn Münsterschwarzach war das Kloster, in das ich im Jahr 1985 eingetreten bin. Zur Gemeinschaft von Münsterschwarzach gehöre ich, da habe ich meine Profess abgelegt. Wir haben ja als Benediktiner die Profess der Stabilität. Hier in Sant'Anselmo bin ich so gesehen nur "ausgeliehen" und werde auch irgendwann wieder nach Münsterschwarzach zurückkehren, so Gott will.
Mein "Ausflug" in die USA war sechs Jahre lang, in denen ich dort Prior in unserem Kloster in Schuyler in Nebraska war. Diese Gemeinschaft ist ein Priorat von Münsterschwarzach. Das heißt, ich bin innerhalb derselben Gemeinschaft von Münsterschwarzach nur auf dem anderen Kontinent gewesen.
Aber insofern steckt Münsterschwarzach ganz in mir, auch natürlich von der Prägung her, weil ich dort das Noviziat genossen habe, als zeitlicher Professe dort gelebt habe, in Würzburg studiert habe und 25 Jahre dort gelebt habe. Die Spiritualität, die in mir ist, habe ich dort geschenkt bekommen. Insofern ist Münsterschwarzach ganz präsent.
Frage: Um noch ein bisschen mehr Ihr Leben in Rom kennenzulernen, möchte ich auch gerne das internationale Volontariat "Klosterzeit" ansprechen, das man bei Ihnen machen kann. Welche Aufgaben hat man und wer kann das überhaupt machen?
Pater Mauritius: Wir haben eigentlich vier Stellen und die Freiwilligen kommen zu uns aus aller Welt. Momentan haben wir zwei Amerikaner und zwei Deutsche, die alle zwischen 19 und 22 Jahre alt sind. Sie machen so eine Art Freiwilliges Soziales Jahr und arbeiten hier in allen Bereichen mit. Im Frühling, im Sommer und im Herbst zum Beispiel im Garten, dann arbeiten sie im Speisesaal mit, in der Küche – etwa beim Geschirrspülen. Da sind also ganz praktische und einfache Sachen dabei, zum Beispiel auch Reinigungsarbeiten wie etwa das Putzen der Kirche.
Ein Volontär ist der Fahrer des Abtprimas, das ist immer ein besonders begehrter Posten, der kann den Abtprimas immer durch die Gegend fahren. Das ist eine tolle Sache, weil die jungen Männer – es sind in dem Fall ja nur Männer, weil unser Haus ja ein Mönchskloster ist – können somit etwas wie ein Jahr "Kloster auf Zeit" machen, völlig unverbindlich. Also die können in unsere Gebetszeiten kommen, mit uns im Schweigen oder auch im Reden essen und so mal kennenlernen, wie so ein Leben ist. Das wird sehr geschätzt. Das ist eigentlich ein klasse Angebot für junge Männer.
Frage: Wie viel Kontakt haben Sie zu den jungen Menschen?
Pater Mauritius: Sehr viel. Das ist eigentlich das Schönste hier überhaupt an meiner Aufgabe momentan. Wir sind ja ein Haus der Formation, der Ausbildung, es sind Studenten. Ich bin eigentlich den ganzen Tag umgeben von Menschen, die in ihren Zwanzigern oder in ihren Dreißigern sind, manche sind auch schon in den Vierzigern. Das ist ganz fantastisch, von denen zu hören, wie sie denken, wie sie die Zukunft sehen und wo sie ihre Hoffnungen und ihre Ängste haben. So bleibt man auch selbst ein bisschen jung, wenn man das haben darf.
Frage: In Deutschland bekommen wir im Moment mit, dass es auf kirchenpolitischer Ebene nicht ganz so gut läuft zwischen der deutschen katholischen Kirche und dem Vatikan. Immer wieder gibt es bei Reaktionen auf den Synodalen Weg, den Deutschland jetzt seit über zwei Jahren geht, Resignation oder Rückschläge. Kommt Ihnen das in Rom auch so vor?
Pater Mauritius: Ja, natürlich. Ich bin eigentlich genau da an der Kreuzung, weil ich Deutscher bin und mit Deutschland und der deutschen Kirche fühle, gleichzeitig aber in Rom lebe und natürlich auch Kontakte hier in Rom habe. Das ist manchmal gar nicht so leicht. Man spürt diese Spannung und ich spüre die geradezu in mir selbst. Was mir da Hoffnung gibt, ist tatsächlich alles, was an Gesprächen stattfindet. Wenn man sich austauscht, wenn man die andere Perspektive hört und ihr zuhört, dann bewegt sich was.
Ich glaube, es war über Jahre vielleicht auch ein bisschen zu wenig Kommunikation zwischen Deutschland und Rom. Vielleicht will man ja auch gar nicht so viel Kommunikation, das ist auch okay. Aber wenn es um etwas Gemeinsames geht, dann sollte man auch gemeinsam reden, denn dann versteht man sich besser.
Was mir hilft, ist, wenn irgendwelche Themen vom Synodalen Weg zum Beispiel, oder den Diskussionen aus Deutschland, bekannt werden, dann frage ich hier meine Mitbrüder aus den anderen Kontinenten, wie sie diese Themen sehen. Das ist unglaublich interessant und auch erhellend. Aus dieser Perspektive verstehe ich manchmal den Vatikan ein bisschen besser, weil er ja doch genau diese Stimmen auch hört und dann versucht, irgendwie eine Balance zu finden.
Was mir aber Hoffnung macht, ist, dass sich diese Gespräche oder diese Kontakte in letzter Zeit vermehrt haben und weiter vermehren sollen durch den Synodalen Weg und den synodalen Prozess, den Papst Franziskus angestoßen hat. Das ist ja eine interessante parallele Entwicklung. Im Grunde sucht man auf beiden Seiten über die Synodalität und über das miteinander Reden gemeinsam nach Wegen in die Zukunft.
„Ich glaube, es war über Jahre vielleicht auch ein bisschen zu wenig Kommunikation zwischen Deutschland und Rom. Vielleicht will man ja auch gar nicht so viel Kommunikation, das ist auch okay. Aber wenn es um etwas Gemeinsames geht, dann sollte man auch gemeinsam reden, denn dann versteht man sich besser.“
Frage: Das heißt, wir bräuchten eigentlich so eine Art Übersetzung? Eigentlich bedeutet "synodal" ja auch, dass man gemeinsam geht und dass diese Kommunikation, dieser Austausch da ist. Ist das Ihr Wunsch für das neue Jahr?
Pater Mauritius: Ja, absolut. Ich bin mir eigentlich sicher, dass das kommt, weil das der Weg ist, den Papst Franziskus angestoßen hat. Es ist ein Mentalitätswechsel, ein Kulturwechsel. Natürlich geht das dann manchmal nicht so schnell, wie wir uns das in Deutschland wünschen, aber die Vorzeichen sind schon anders. Man hört mehr aufeinander und versucht wirklich, gemeinsam Wege zu finden. Das ist mein Wunsch für die ganze katholische Kirche, aber auch für die katholische Kirche in Deutschland. Denn wir können ganz viel profitieren und lernen von der Weltkirche. Die ist so reich und es ist gut, mit ihr in Verbindung zu bleiben.
Frage: Was wünschen Sie sich persönlich fürs neue Jahr? Oder gibt es auch im Leben eines Mönches so etwas wie gute Vorsätze, die man schmiedet und dann vielleicht doch wieder verwerfen muss?
Pater Mauritius: Na ja, das habe ich jahrelang immer wieder mal so versucht. Man weiß ja, wie lange die dann anhalten. Es gibt schon ein paar Grundbausteine, wie man sich so ein Jahr vorstellen kann, aber es gibt eigentlich nichts Spezifisches. Ich versuche einfach, meine Aufgabe hier gut zu machen und mit den Menschen in Kontakt zu bleiben.
Ich wünsche mir natürlich schon, dass sich die vielen Krisen auf der Welt nicht weiter verschärfen. Wir sind hier in Rom auch davon insofern betroffen, weil wir durch diese Internationalität darauf angewiesen sind, dass Menschen reisen können, ihre Visa kriegen, dass die Pandemie weg ist, dass es keine Kriege gibt, dass es keine Blockierungen bestimmter Staaten gibt, die ihre Leute nicht mehr aus- oder einreisen lassen. Das erleben wir jetzt schon. Das könnte durch die vielen Kriegssituationen und Konflikte natürlich noch stärker werden. Insofern ist meine Hoffnung, dass sich überall der lange Atem und die Nüchternheit und auch der Wille zum Frieden durchsetzen.
Frage: Was ist Ihre persönliche Hoffnung? Was bringt Ihnen Hoffnung?
Pater Mauritius: Mir bringt tatsächlich der Blick auf die jungen Mitbrüder hier in Sant'Anselmo Hoffnung, weil ich sehe, wie entschieden sie ihren Weg gehen. Das gefällt mir unheimlich gut. Viele kommen ja aus Ländern, in denen die Kirche Minorität ist oder sogar diskriminiert oder verfolgt wird. Wir haben einen jungen Priester aus Myanmar, wir haben einige Priester aus China, einer kommt aus der Untergrundkirche, ein Benediktiner kommt aus Taiwan. Wenn ich die höre und mit denen spreche, dann bin ich fasziniert, wie sie in einer absoluten Minderheitensituation ihren Glauben leben.
In Deutschland, das muss man fairerweise sagen, werden wir ja auch weniger. Nicht, dass ich mir das wünsche. Ich bin kein Verfechter dieser "Kleinen-Herde-Ideologie", aber es ist ja schon eine Realität. Wenn ich diese jungen Mitbrüder hier sehe, dann merke ich aber, dass da für uns auch eine Chance drin sein könnte, kleiner zu werden, weil wir noch mal intensiver miteinander auf dem Weg sind. Das gibt mir Hoffnung. Also da habe ich null Sorge um die Kirche und um die Zukunft der katholischen Kirche, wenn ich diese jungen Menschen sehe.