Strafprozess: Ex-Kardinal McCarrick soll verhandlungsunfähig sein
Der wegen sexuellen Missbrauchs eines 16-jährigen Jungen angeklagte ehemalige Kardinal Theodore McCarrick soll verhandlungsunfähig sein. Der US-amerikanische Zeitung "National Catholic Register" berichtet am Mittwoch unter Verweis auf Gerichtsdokumente, dass die Anwälte des ehemaligen Erzbischofs von Washington aufgrund des Gesundheitszustands des 92-Jährigen eine Einstellung des Verfahrens beantragen wollen. Ein psychiatrisches Gutachten, das nach einer Untersuchung McCarricks Anfang Dezember angefertigt worden sei, attestiere dem mittlerweile aus dem Klerikerstand entfernten Priester erhebliche neuropsychologische Defizite, die erst vor kurzem eingesetzt hätten und sich rasch verschlimmerten. Die kognitiven Fähigkeiten und das Gedächtnis McCarricks seien dadurch beeinträchtigt.
Auf der Grundlage des Gutachtens, das von einem Psychiater der Johns-Hopkins-Universität angefertigt wurde, hätten die Anwälte Zweifel an der Verhandlungsfähigkeit. "Die Anwälte haben ernsthafte Bedenken, dass Herr McCarrick nicht mehr verhandlungsfähig sein könnte, weil er nicht in der Lage ist, sinnvoll an der Vorbereitung seiner eigenen Verteidigung mitzuwirken oder sich während des Prozesses mit einem angemessenen Maß an rationalem Verständnis effektiv mit seinem Anwalt zu beraten", so das Gerichtsdokument.
Überraschende strafrechtliche Anklage
Zuletzt war McCarrick bei der Anklageerhebung vor dem Bezirksgericht in Dedham im US-Bundesstaat Massachusetts in der Öffentlichkeit aufgetreten. Im September 2021 plädierte er auf "nicht schuldig". Die Staatsanwaltschaft wirft dem Ex-Kardinal vor, 1974 einen damals 16-Jährigen während einer Hochzeitsfeier sexuell missbraucht zu haben. Aufgrund seines Alters und der gesetzlichen Verjährungsfristen wurde eine strafrechtliche Anklage zuvor als unwahrscheinlich bewertet. Die Anklage der fast 50 Jahre zurückliegenden mutmaßlichen Tat in Massachusetts ist möglich, da dort die Verjährungsfristen pausieren, solange der Beschuldigte sich außerhalb des Staates befindet. Da McCarrick nie seinen Wohnsitz in Massachusetts hatte, ist die mutmaßliche Tat nie verjährt.
McCarrick war von 2000 bis 2006 Erzbischof von Washington. Papst Johannes Paul II. hatte McCarrick entgegen des Rats des damaligen US-Nuntius Gabriel Montalvo, und des Präfekten der Bischofskongregation, Kardinal Giovanni Battista Re, in dieses Amt berufen. Nach erneuten Anschuldigen forderte Papst Benedikt XVI. 2005 McCarrick zum Rücktritt auf, ein formelles Verfahren wurde aber nicht eröffnet und die Öffentlichkeit nicht informiert. Trotz Auflagen, ein zurückgezogenes Leben zu führen, reiste der einflussreiche Kardinal weiter mit Duldung Roms durch die Weltkirche. Ein formelles Verfahren wurde erst 2017 eröffnet, als Vorwürfe wegen Missbrauchs von Minderjährigen im Raum standen. In Folge davon wurde McCarrick 2018 zunächst aus dem Kardinalsstand entlassen und ein halbes Jahr später auch aus dem Klerikerstand. 2020 legte der Vatikan seinen Untersuchungsbericht des Falls vor, mit dem geklärt werden sollte, wie es trotz der seit den 1990er-Jahren bekannten Gerüchte zu sexuellem Fehlverhalten zu der Karriere McCarricks kommen konnte. (fxn)