Kardinal Ouellet weist neue Missbrauchsvorwürfe zurück
Kardinal Marc Ouellet weist auch in einem neuen Fall alle Vorwürfe sexuell übergriffigen Verhaltens zurück. Am Wochenende teilte der Präfekt des Bischofsdikasteriums in einer kurzen Erklärung mit, dass er zu seiner Aussage im vatikanischen Beschwerdeverfahren stehe, dass er sich nie gegenüber der Beschwerdeführerin in irgendeiner Weise unangemessen verhalten habe. Aus Respekt vor den kirchlichen Verfahrensregeln, die Vertraulichkeit vorsehen, habe er sich zuvor nicht öffentlich zu den Vorwürfen geäußert. Bei der kirchenrechtlichen Untersuchung nach der Verfahrensordnung "Vos estis lux mundi" habe er freiwillig und umfassend kooperiert. "Ich habe nichts zu verbergen und habe in diesem Verfahren völlig transparent gehandelt", so Ouellet.
Er sei darüber informiert worden, dass die Beschwerde abgewiesen worden sei, auch weil die Beschwerdeführerin für den Untersuchungsführer nicht für eine Befragung zur Verfügung stehen wollte. Laut Ouellet habe die Frau auch keine Wiederaufnahme des Verfahrens beantragt. Gegen ihn lägen keine weiteren zivil- oder strafrechtlichen Klagen vor. "Ich betone erneut, wie wichtig es für alle Opfer sexuellen Missbrauchs ist, Anzeige zu erstatten und sich nicht von dieser Art von Veröffentlichung entmutigen zu lassen", so Ouellet weiter. Daher werde er sich auch nicht mehr zu dem Fall äußern.
In der vergangenen Woche hatte das französische Magazin "Golias Hebdo" über Vorwürfe einer weiteren Frau gegen den Kardinal berichtet. Zuvor waren Vorwürfe übergriffigen Verhaltens gegenüber einer anderen Frau bekannt geworden, die sie im Rahmen einer Sammelklage erhoben hatte. Laut dem Magazin sollen die Vorwürfe im nun bekanntgewordenen Fall "weitaus schwerwiegender" sein als bei der ersten Beschuldigung. Auch die Untersuchung im neuen Fall sei von dem Jesuitenpater Jacques Servais geleitet worden.
Sammelklage in Kanada beschuldigt 88 Kleriker
Im vergangenen August wurde bekannt, dass sich über 100 Betroffene sexuellen Missbrauchs in der Kirche einer Sammelklage in Kanada angeschlossen haben. Beschuldigt werden 88 Kleriker. Die meisten der mutmaßlichen Taten sollen in den 1950er- und 1960er-Jahren stattgefunden haben. Ouellet ist den Angaben zufolge der prominenteste unter den Beschuldigten. Von Anfang an wies er die Vorwürfe zurück. Mit der kirchenrechtlichen Voruntersuchung gegen den jetzigen Präfekten des Bischofsdikasteriums beauftragte Papst Franziskus den Jesuiten Jacques Servais, einen langjährigen Vertrauten Ouellets, der keine juristischen oder kirchenrechtlichen Qualifikationen hat. Die Voruntersuchung habe "keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Eröffnung einer kanonischen Untersuchung wegen sexueller Nötigung von Kardinal Ouellet gegen Person F" ergeben, teilte Vatikansprecher Matteo Bruni kurz nach Bekanntwerden der Sammelklage mit. Gegenüber katholisch.de schätzte der Tübinger Kirchenrechtler Bernhard Sven Anuth anhand der öffentlich bekannten Darstellungen die Sachlage so ein, dass die dem Kardinal vorgeworfenen unerwünschten Berührungen, Umarmungen, Massagen und Küsse zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt als Zölibatsverstoß, nicht aber als Straftat nach dem Kirchenrecht eingeordnet werden können.
Ouellet ist seit 2010 Präfekt des jetzigen Bischofsdikasteriums. Nach Lehraufträgen in Dogmatik, zuletzt an der Päpstlichen Lateranuniversität in Rom, ernannte ihn Papst Johannes Paul II. 2001 zum Sekretär des Päpstlichen Rates für die Förderung der Einheit der Christen. 2002 wurde er Erzbischof von Quebec und 2003 zum Kardinal erhoben. Papst Benedikt XVI. holte Ouellet 2010 als Kardinalpräfekt zurück an die Kurie. Als Leiter des Bischofsdikasteriums, das unter anderem für die Auswahl von Bischofskandidaten zuständig ist, ist Ouellet einer der einflussreichsten Kardinäle an der Kurie. (fxn)