Umstrittene Gemeindereform in Bergisch Gladbach vorerst abgeblasen
Das Erzbistum Köln schwenkt im Streit um die Abberufung von Pfarrern im Zuge der vorgezogenen Errichtung einer pastoralen Einheit in Bergisch Gladbach um. Am Freitag veröffentlichte die Gemeinde St. Johann Baptist Refrath auf ihrer Webseite eine entsprechende Verlautbarung des Leiters der Hauptabteilung "Entwicklung Pastorale Einheiten" des Erzbischöflichen Generalvikariats, Markus Bosbach. Demnach werden die bisherigen Pfarrer im Amt belassen und die Möglichkeit der Ausweisung von Bergisch Gladbach als Modellprojekt mit den Gremien neu diskutiert und entschieden. Die Erklärung macht "Fehler und Versäumnisse von Seiten der Projektverantwortlichen im Generalvikariat" insbesondere bei der Einbindung der Gremien und der Pastoralteams für die Lage verantwortlich. "Diese Verlautbarung hat in Bergisch Gladbach und im gesamten Erzbistum zu Irritationen, Enttäuschungen, Verärgerung und Wut geführt", so die Verlautbarung weiter.
In dem am Wochenende in den Gottesdienst zu verlesenden Schreiben wird betont, dass die Errichtung einer Pastoralen Einheit Bergisch Gladbach von den Änderungen nicht berührt sei. Perspektivisch werde es für die Einheit wie überall im Erzbistum nur noch einen Pfarrer und ein Pastoralteam geben. Der ursprünglich als Pfarrer vorgesehene Kreisdechant Norbert Hörte stehe nicht wie ursprünglich angekündigt zum 1. März als leitender Pfarrer von Bergisch Gladbach zur Verfügung.
Gremien und Pastoralteams sollen besser beteiligt werden
In den kommenden Wochen und Monaten sollen nun weitere Gespräche geführt werden. Zum einen werde es zunächst darum gehen, die gegenwärtig entstandene Verärgerung und die damit verbundenen Enttäuschungen auszudrücken und die dahinterliegenden Ursachen zu benennen. Darüber hinaus soll ergebnisoffen darüber gesprochen werden, ob in gemeinsamer Verantwortung und zu einem späteren Zeitpunkt ein Modellprojekt in Bergisch Gladbach denkbar ist", wird in dem Schreiben angekündigt. Bis zu den Sommerferien sollen die Gremien der Seelsorgebereiche entscheiden, ob sie für oder gegen eine Teilnahme an einem Modellprojekt votieren.
Mitte Januar wurde in den Gemeinden der Stadt überraschend mitgeteilt, dass in Bergisch Gladbach nicht wie angekündigt im Herbst, sondern schon zum 1. März eine pastorale Einheit unter der Leitung eines neuen Pfarrers errichtet werde. Insbesondere die Abberufung des langjährigen Pfarrers in Refrath, Winfried Kissel, hatte für Proteste gesorgt. In einem Brief an die Gemeinde berichtete Kissel, dass er von Woelki zum Verzicht auf sein Amt gedrängt wurde: "Er verlangt von mir diesen Schritt unter Verweis auf das Gehorsamsversprechen, das ich ihm bei der Weihe gegeben habe. Ich gehe diesen Schritt nicht freiwillig." Gegenüber katholisch.de hatte Kissel erklärt, dass er seinen Rücktritt nicht eingereicht habe.
Der Kirchenvorstand kritisiert die Entscheidung über Kissel, der seit 2005 Pfarrer in der Gemeinde war, mit deutlichen Worten: "Ihr Handeln ist nicht nur unverständlich, sondern zutiefst menschenverachtend und unchristlich. Sie behandeln Menschen wie Schachfiguren, die je nach taktischem Erfordernis herausgeworfen oder beliebig verschoben werden." Ende November sei der Gemeinde noch mitgeteilt worden, dass vorerst weder strukturelle noch personelle Veränderungen anstünden. Die formale Errichtung der Pastoralen Einheiten werde erst zum 1. September 2023 erfolgen. Angekündigte Gespräche vor Ort hätten nicht stattgefunden, Rückmeldungen aus der Gemeinde seien unbeantwortet geblieben. Dass Bergisch Gladbach eine Sonderrolle einnehmen solle, sei den Betroffenen vorher nicht mitgeteilt worden. Von der Bistumsleitung fordert der Kirchenvorstand, den Pfarrer bis zum 1. September im Amt zu belassen, das Modellprojekt in Bergisch Gladbach aufzugeben und die Gemeinden in der Stadt gleich wie alle anderen Gemeinden im Erzbistum zu behandeln. Das Erzbistum hatte mit einem Gesprächsangebot reagiert. Mittlerweile fanden Gespräche mit den Gremien und Gemeindeversammlungen statt.
Unter dem Projekttitel "#ZusammenFinden" will das Erzbistum Köln seine bislang 178 Seelsorgebereiche auf etwa 65 Pastorale Einheiten reduzieren. Als Grund für den Prozess führte das Erzbistum im vergangenen März die rückläufigen Zahlen bei Katholiken, Engagierten, Seelsorgenden und bei den Finanzen an. Kardinal Woelki hatte im Rahmen des "Pastoralen Zukunftswegs" diesen Schritt angekündigt, was zu heftiger Kritik an der Kirchenbasis geführt hatte. Die Entscheidung über den Zuschnitt der künftigen Einheiten sollte maßgeblich durch die Gremien vor Ort geschehen, das Erzbistum kündigte an, dass überall dort, wo es einheitliche Voten der beteiligten Gremien gebe, der Erzbischof diese Voten bestätigen werde. Im April wurden die Vorschläge für den neuen Zuschnitt vorgestellt. (fxn)