Papst und UN fordern Schritte gegen Flüchtlingselend im Südsudan
Papst Franziskus hat mit Nachdruck neue Friedensbemühungen im Südsudan gefordert, um das Flüchtlingselend in dem ostafrikanischen Land zu beenden. "Die Zukunft kann nicht in Vertriebenenlagern liegen", sagte er bei einer Begegnung mit Binnenflüchtlingen am Samstag in der Hauptstadt Juba. Die Sonderbeauftragte der Vereinten Nationen für die UN-Mission im Südsudan, Sara Beysolow Nyanti, sprach von der "größten Flüchtlingskrise in Afrika" mit mehr als vier Millionen Vertriebenen außerhalb und innerhalb des Landes.
Mittlerweile sei die Erfahrung, Vertriebener oder Flüchtling zu sein, im Südsudan zu einer "normalen und kollektiven Erfahrung" geworden, beklagte Franziskus. "Deshalb erneuere ich mit aller Kraft den eindringlichen Aufruf, alle Konflikte zu beenden und den Friedensprozess ernsthaft wiederaufzunehmen, damit die Gewalt ein Ende hat und die Menschen zu einem menschenwürdigen Leben zurückkehren können. Nur mit Frieden, Stabilität und Gerechtigkeit kann es Entwicklung und soziale Wiedereingliederung geben", sagte der Papst.
Unzählige Kinder lernten nichts als Flüchtlingscamps kennen und wüchsen ohne Wurzeln in Heimat, Herkunft und Traditionen auf, so der Papst mit Blick auf die Geburten- und Migrationsrate im Südsudan, die jeweils zu den höchsten der Welt zählen. Franziskus warnte vor Ghettoisierung und einer Vertiefung ethnischer Gräben. Nachdrücklich verlangte er Schutz und Respekt für Frauen und Mädchen. Frauen seien "der Schlüssel zur Umgestaltung des Landes" und brauchten entsprechende Chancen.
Menschen im Südsudan nicht allein lassen
An die internationale Gemeinschaft appellierte der Papst, die Menschen im Südsudan nicht alleinzulassen. Neben Nothilfe gehe es auch um Ausbildung und wirtschaftliche Perspektiven. Die UN-Sonderbeauftragte Beysolow Nyanti, die auch baptistische Pastorin ist, nannte die ökumenische Friedensmission von Franziskus, dem Anglikaner-Primas Justin Welby und dem Vertreter der schottischen Presbyterianer, Iain Greenshields, eine Gelegenheit, die Aufmerksamkeit der Welt auf den Südsudan zu lenken; die humanitäre Lage sei "beunruhigend".
Die UN-Expertin sprach von "multiplen humanitären Krisen", die derzeit im Entstehen seien. Nach ihren Worten sind zwei Drittel der Bevölkerung erheblich unterversorgt oder mangelernährt; die Hungerkrise im Südsudan zähle zu den schwersten der Welt. Man rechne mit acht Millionen Menschen, die in diesem Jahr von Ernährungsunsicherheit betroffen seien.
Wer Grundrechte verletzt, verletzt auch Christus
Zusätzlich zu Konflikt, Vertreibung und Hunger erlebten die Menschen praktisch seit Erlangung der Unabhängigkeit vom Sudan im Jahr 2011 soziale und politische Instabilität, Naturkatastrophen, Mangel an Bildung und Gesundheitsversorgung, so Beysolow Nyanti. Überschwemmungen in vier aufeinanderfolgenden Jahren hätten die Lebensgrundlagen vieler zerstört. Frauen seien im Alltag sexueller Gewalt ausgesetzt, Kinder würden von Milizen entführt und als Kämpfer eingesetzt. Justiz und Rechtsstaatlichkeit seien begrenzt. Den humanitären Bedarf für die Unterstützung von 6,8 Millionen Bedürftigen im Land bezifferte Beysolow Nyanti mit umgerechnet fast 1,6 Milliarden Euro. Angesichts fehlender Mittel müssten humanitäre Helfer täglich schwere Entscheidungen treffen, wer Hilfe erhält und wer nicht.
Am Vormittag hatte der Pontifex Bischöfe und Kirchenmitarbeiter im Südsudan zum Eintreten für Grundrechte in dem instabilen und konfliktgepeinigten ostafrikanischen Land aufgerufen. Angesichts der Leiden durch Ungerechtigkeit und Gewalt könne die Kirche nicht neutral bleiben. "Wo eine Frau oder ein Mann in ihren Grundrechten verletzt werden, wird Christus verletzt", so Franziskus wörtlich. Als Fürsprecher des Gottesvolks müssten Bischöfe, Priester und Ordensleute ihre Stimme gegen Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch erheben, "die die Menschen unterdrücken und sich der Gewalt bedienen, um im Schatten der Konflikte Geschäfte zu machen", sagte Franziskus. Dies könne auch den Einsatz des eigenen Lebens erfordern. Es bedürfe "mutiger und großherziger Seelen, die für Afrika leiden und sterben können".
Anglikaner-Primas Welby hatte die Menschen im Südsudan eindringlich zum Einsatz für Frieden aufgerufen. Bei einem Gottesdienst am Samstagmorgen zeigte er sich betroffen über die anhaltende auch religiös motivierte Gewalt, die der jüngste Staat Afrikas seit Jahren erlebt. "Mein Herz bricht vor Trauer um den Südsudan", sagte der Erzbischof von Canterbury in der anglikanischen Allerheiligen-Kathedrale.
Präsident begnadigt Häftlinge
Unterdessen begnadigte Südsudans Präsident Salva Kiir Mayardit nach seinem Treffen mit Papst Franziskus am Freitag 71 Häftlinge. Bei 36 von ihnen handelte es sich laut örtlichen Medien (Samstag) um zum Tode verurteilte Insassen. Das Dekret, durch das sie freikommen sollen, wurde am Freitagabend im Staatssender SSBC verlesen. Unter den Begnadigten seien auch vier Frauen. Laut Amnesty International werden Todesurteile im Südsudan nach wie vor vollstreckt. Einen Grund für seine Entscheidung nannte Kiir den Berichten zufolge nicht. Beobachter gingen aber davon aus, dass das Treffen mit Papst Franziskus wenige Stunden zuvor den Vorstoß motiviert haben könnte.
Das Medienecho zur Papstreise nach Afrika ist auch am vorletzten Tag positiv. So zeigt das Cover der südafrikanischen Wochenzeitschrift "The Continent" (Samstag) eine Schar jubelnder Fans, Dutzende Fernsehkameras und mittendrin Franziskus im Papamobil. "Für einen Papst, der eine schnelle moralische Stärkung braucht, gibt es keinen besseren Ort als Kinshasa", schreibt das Magazin und spricht von einem "enthusiastischen Empfang" auch mit Blick auf den Südsudan, wo sich Franziskus seit Freitag aufhält. "Diese außergewöhnlichen Szenen heben hervor, was die eigene Statistik der Kirche sagt: Die Zukunft des Katholizismus ist afrikanisch." Morgen geht die historische Friedensmission der drei Kirchenoberhäupter im Südsudan zu Ende. (mpl/KNA)