Plädoyer für externe Aufarbeitung

Betroffenenvertreter verlangt von Bischöfen Mut zur Machtlosigkeit

Veröffentlicht am 07.02.2023 um 15:49 Uhr – Lesedauer: 

Aachen ‐ Bischöfe sprechen im Umgang mit Missbrauchsbetroffenen gerne von Augenhöhe. Für den Betroffenenvertreter Patrick Bauer sind das nur leere Worte, solange Bischöfe nicht auch wirklich Macht aufgeben – und sich Konsequenzen stellen.

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Der Betroffenenvertreter Patrick Bauer fordert von Bischöfen Mut zur Machtlosigkeit und Konsequenzen für Fehlverhalten im Umgang mit Missbrauch. In einem Beitrag für die Zeitschrift "Diakonia" (Februar-Ausgabe) klagt der ehemalige Sprecher des Kölner Betroffenenbeirats über fehlende Augenhöhe im Umgang von Bischöfen mit Missbrauchsbetroffenen. Die Lösung könne nur eine Veränderung auf Seiten der Kirchenvertreter sein: "Wenn auf Augenhöhe gesprochen wird, dann muss anerkannt werden, dass Absprachen eingehalten und auch umgesetzt werden. Dann müssen Bischöfe, zumindest in diesem Bereich, ihre Machtposition aufgeben und sich auf echte Verhandlungen einlassen", so Bauer. Außerdem sei es für Betroffene unverständlich, dass die Offenlegungen von Pflichtverletzungen keine Konsequenzen für Bischöfe hätten. "Wir Betroffenen leben ein Leben lang mit den Folgen unseres Missbrauchs. Warum hat das verletzende Verhalten eines Bischofs keine Folgen?", fragt er.

Ein zentrales Problem ist für Bauer die Betonung von Gesprächen auf Augenhöhe bei gleichzeitigem Machtgefälle. Ein Betroffener könne nicht auf Augenhöhe mit einem Bischof reden, solange nicht geklärt sei, dass Absprachen auch wirklich eingehalten werden. "Ich selbst habe zu oft erlebt, dass es gute Gespräche mit zufriedenstellenden Ergebnissen gegeben hat, die im Nachhinein aus Gründen 'die man ja verstehen muss', nicht umgesetzt werden", berichtet Bauer, der auch Mitglied des Betroffenenbeirats bei der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) ist. So seien beispielsweise die Vereinbarungen über das Verfahren der Anerkennungsleistungen zwischen Betroffenenvertretern und Vertretern der DBK vom Ständigen Rat der Bischofskonferenz nicht umgesetzt worden.

Keine wirklich externe Aufarbeitung

Die gegenwärtigen Strukturen für die Aufarbeitung sind in den Augen Bauers nicht unabhängig genug. "Einer Institution, in der die gleichen Personen als Legislative, Exekutive und Judikative handeln, fällt es natürlich schwer, einen Prozess abzugeben, so dass sie keinen Einfluss auf das Ergebnis hat", erläutert der Betroffenenvertreter. So seien die Aufträge für Missbrauchsgutachten von den Bischöfen erteilt worden, die Gutachten von den Auftraggebern selbst beurteilt worden und Konsequenzen selbst gezogen worden. Auch die aufgrund einer Vereinbarung der DBK mit dem Unabhängigen Beauftragten für sexuellen Kindesmissbrauch (UBSKM) eingerichteten Unabhängigen Aufarbeitungskommissionen seien nicht unabhängig genug. Zwar gebe es auf dem Papier eine Mehrheit von Mitgliedern, die nicht vom jeweiligen Bischof bestimmt werden. Tatsächlich werden aber auch die Betroffenenvertreter in den Beiräten vom Bischof bestellt auf der Grundlage einer Auswahl durch vom Bischof beauftragte Personen. "Wirklich extern ist dann daran nicht mehr viel", stellt Bauer fest. Bei der Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) verwiesen die Bischöfe auf die Unabhängigkeit der Kommission, die UKA auf die von den Bischöfen festgelegte Verfahrensordnung. "So kann jeder seine Hände in Unschuld waschen, der Betroffene aber bleibt machtlos zurück", urteilt der Betroffenenvertreter.

Ein Ausweg dafür könne nur eine wirklich externe Zuständigkeit für die Aufarbeitung bieten, bei der verbindliche Konsequenzen vorgesehen sind und bei der sich Betroffene auf echte Unabhängigkeit verlassen können. Für Bauer steht fest, dass das nur die Politik leisten könne. Dazu müsse die Kirche aber ihr Selbstverständnis ändern. "Sie muss anerkennen, dass es Bereiche gibt, für die sie eben nicht selbst sorgen kann. Bischöfe müssen einsehen, dass sie auch an dieser Stelle einen Teil ihrer Macht abgeben müssen", so Bauer weiter. Bischöfe müssten begreifen, dass in einer Abgabe der Aufarbeitung und der Hilfe von kirchenunabhängigen Profis eine echte Chance liege. Die Kirche müsse sich außerdem trauen, ihre Entscheidungsprozesse für Betroffene transparent zu gestalten. "Dies würde als Veränderung aber auch wieder bedeuten, Macht abzugeben, die Macht der Heimlichkeit und der Verschwiegenheit aufzugeben, welche ursächlich für den ganzen Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche sind", betont Bauer.

Der Beitrag von Bauer erschien in der aktuellen Ausgabe der internationalen Zeitschrift für die Praxis der Kirche "Diakonia", die sich dem Schwerpunktthema "Sexueller Missbrauch" widmet mit Beiträgen unter anderem aus der Pastoraltheologie, der Psychologie und der Exegese. Als Zeichen für das Entsetzen angesichts des Missbrauchs eröffnet der Herausgeber der Zeitschrift, der Trierer Pastoraltheologe Klaus Vellguth, das Heft mit einem Editorial, das nur aus dem Satz "mir fehlen die Worte" besteht. Kluge Worte und Explikationen zum sexuellen Missbrauch in der Kirche würden derzeit fast inflationär produziert und vermarktet, erläutert Vellguth. Es fehle aber an einer echten emotionalen Erschütterung. (fxn)