Künstler haben sich zu allen Zeiten mit dem Neuen Testament beschäftigt

Die Versuchung Christi in Bildern verschiedener Jahrhunderte erzählt

Veröffentlicht am 11.03.2023 um 12:15 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

Bonn ‐ Jesus wird vom Teufel versucht – ein dramatischer Moment in der Bibel. Nicht zuletzt deswegen wurde die Erzählung immer wieder künstlerisch dargestellt. Eine Rekapitulation verschiedener Bilder gibt Einblick in die religiösen Vorstellungen der jeweiligen Zeit.

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Es ist die entscheidende Phase vor dem öffentlichen Wirken Jesu: Die Zeit in der Wüste, 40 Tage Fasten. Ganz zum Schluss wird Jesus vom Teufel versucht, so schildern es das Matthäus- und das Lukasevangelium. Ein dramatischer Stoff, der auch viele Künstler in verschiedenen Zeiten inspiriert hat. Mit ihrem je eigenen Stil und ganz unterschiedlichen Schwerpunkten haben sie der gleichen Geschichte immer neue Aspekte abgewonnen. Für einen Überblick erzählt katholisch.de die Geschichte der Versuchung Christi anhand ausgewählter Werke.

Bild: ©picture alliance/akg-images

Iwan Kramskoi: "Christus in der Wüste", 1872

Iwan Kramskoi: "Christus in der Wüste", 1872

Die Versuchungen selbst spielen hier keine Rolle, zu sehen ist Jesus als Fastender in der Wüste, in sich gekehrt, vom Nahrungsentzug geprägt. "Dann wurde Jesus vom Geist in die Wüste geführt; dort sollte er vom Teufel versucht werden. Als er vierzig Tage und vierzig Nächte gefastet hatte, hungerte ihn", erzählt das Matthäusevangelium (Mt 4,1-2). Es ist ein Ausgezehrter, der auf diesem Bild erscheint. Für den russischen Maler Iwan Kramskoi spielten religiöse Themen immer wieder eine Rolle, dieses ist jedoch mit einigem Abstand sein Hauptwerk. Kramskoi verzichtet darauf, Jesus als Heiligen darzustellen, er konzentriert sich auf den Menschen. Die Farben sind etwas blass und zurückgenommen, was den Eindruck der Kontemplation noch bestärkt. Jesus ist fast am Ende der Fastenzeit in der Wüste. Bald wird der Teufel ihn versuchen.

Bild: ©picture alliance/Liszt Collection

Juan de Flandes: "Die Versuchung Christi", 1500-1504

Juan de Flandes: "Die Versuchung Christi", 1500-1504

Der Teufel betritt die Bühne – aber wie sieht er aus? Die Hörner sind bekannt, aber ein Ordensgewand und eine Kordel? Der Hintergrund des Motivs ist bis heute nicht ganz geklärt. Sicher ist: Im letzten Viertel des 15. Jahrhunderts wurde der Brauch des Rosenkranzbetens wiederbelebt und verbreitete sich unter Papst Sixtus IV. (1472-84) schnell. Auf diese damals neue Rosenkranzfrömmigkeit spielt Juan de Flandes hier an. In dieser Zeit wurde der Teufel gern als Kleriker dargestellt. Möglich ist, dass damit ausgedrückt werden soll, dass durch die Fürsprache Marias im Rosenkranz sogar der Teufel gerettet werden kann. Oder es weist auf die Geschicklichkeit des Teufels hin, sich gerade als heiliger Mann zu verkleiden. Der Teufel trägt einen Stein, ein Hinweis auf die erste Versuchung, denn er sagt: "Wenn du Gottes Sohn bist, so befiehl, dass aus diesen Steinen Brot wird." Jesus antwortet darauf "In der Schrift heißt es: Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, sondern von jedem Wort, das aus Gottes Mund kommt." (Mt 4,3-4) Er hat die erste Versuchung abgewehrt.

Bild: ©picture alliance/prismaarchivo

Codex von Predis: "Jesus und der Teufel auf dem höchsten Punkt des Tempels", 1476

Codex von Predis: "Jesus und der Teufel auf dem höchsten Punkt des Tempels", 1476

Diese Illustration stellt die darauffolgende Szene dar, wo der Teufel Jesus zum höchsten Punkt des Tempels bringt, und ihm sagt: "Wenn du Gottes Sohn bist, so stürz dich hinab; denn es heißt in der Schrift: Seinen Engeln befiehlt er um deinetwillen, und: Sie werden dich auf ihren Händen tragen, damit dein Fuß nicht an einen Stein stößt. Jesus antwortete ihm: In der Schrift heißt es auch: Du sollst den Herrn, deinen Gott, nicht auf die Probe stellen." (Mt 4,6-7) Spannend zu sehen sind hier zwei Dinge: Einerseits zeigt dieses Bild nicht eine Situation, sondern gleich drei. Zunächst lädt der Teufel Jesus in den Eingang des Tempels ein, geht mit ihm dann im mittleren Drittel die Treppe hinauf und kommt dann ganz oben an. Dieser Bildaufbau ist im Mittelalter keine Seltenheit: Um Erzählungen darzustellen, werden oft einzelne Stationen in einem Bild versammelt, um das Geschehen nicht auseinander zu reißen. Andererseits lohnt ein Blick auf den Tempel. Der ist nicht wie ein antiker Tempel geformt, sondern ähnelt eher einer für die damaligen Zeit typischen Kirche. Dadurch wird das Geschehen in die Gegenwart des Mittelalters geholt – und in seiner bleibenden Aktualität bestätigt.

Bild: ©picture alliance/Prisma Archivo

Gustave Doré: "Jesus wird vom Teufel verführt", 1865

Gustave Doré: "Jesus wird vom Teufel verführt", 1865

Der Franzose Gustave Doré setzte 1865 die nächste Versuchung ins Bild, in der der Teufel Jesus auf einen Berg führt und sagt: "All die Macht und Herrlichkeit dieser Reiche will ich dir geben; denn sie sind mir überlassen und ich gebe sie, wem ich will. Wenn du dich vor mir niederwirfst und mich anbetest, wird dir alles gehören. Jesus antwortete ihm: Es steht geschrieben: Vor dem Herrn, deinem Gott, sollst du dich niederwerfen und ihm allein dienen." (Lk 4,6-8) Dorés Bibelillustrationen zählen neben seinen Arbeiten für Edgar Allan Poes Gedicht "Der Rabe" und Miguel de Cervantes "Don Quijote" zu den bekanntesten ihrer Art. Für die "Grand Bible du Tours" schuf er insgesamt 241 Stiche, die Künstlergenerationen geprägt haben. Wieso, zeigt sich hier besonders deutlich: Doré spielt mit dem Licht, das den Kopf Jesu als Heiligenschein umgibt und den Abendhimmel erfüllt. Der Teufel ist dagegen ein dunkler Punkt und bildet einen dramatischen Kontrast. Jetzt lässt er von Jesus.

Bild: ©picture alliance/Heritage Images/Ann Ronan Pictures

James Tissot: "Engel, die Jesus dienen, nachdem der Teufel ihn verlassen hat", 1897

James Tissot: "Engel, die Jesus dienen, nachdem der Teufel ihn verlassen hat", 1897

Jesus hat sich erfolgreich gegen die Versuchungen des Teufels gewehrt. "Darauf ließ der Teufel von ihm ab und siehe, es kamen Engel und dienten ihm." (Mt 4,11) Der gebürtige Franzose Tissot interpretiert hier das "Dienen" auf seine ganz eigene Art: Die Engel reichen Jesus kein Essen oder Trinken, sie dienen ihm mit ihrer Nähe. Durch zarte Berührungen bauen sie ihn auf. Vielleicht ein Hinweis auf Tissots eigenes Leben? Nach dem Tod seiner Geliebten Kathleen Newton wendete er sich dem Katholizismus zu und malte für den Rest seines Lebens religiöse Motive, vor allem Bibelszenen. Dafür reiste er mehrmals nach Palästina. Er änderte dafür sogar seinen Malstil, wandte sich vom Impressionismus ab und einer klassischeren Malweise zu. An einer Reihe über das Alte Testament arbeitete er bis zu seinem Tod, seine Arbeiten gelten noch immer als Beispielgebende Bibelillustrationen.

Von Christoph Paul Hartmann