Klare Herzens-Sicht statt Lebensblindheit
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Weltweit gibt es laut WHO über 1,1 Milliarden Menschen, deren Sehen beeinträchtigt ist, davon gelten 43 Millionen als blind, in Deutschland sind es etwa 71.500 Menschen. Ein Teil von ihnen ist durch Krankheit oder Unfall erblindet, ein Teil von ihnen ist von Geburt an blind. Diese Zahlen beziehen sich aber "nur" auf die physische Blindheit. Doch das Leben und Zusammenleben wird von soviel mehr Blindheit beeinträchtigt, die bewusst oder unbewusst unser Leben in der Nahsicht oder Fernsicht erschwert, Trübungen verursacht oder Verzerrungen bewirkt.
Allerdings will ich nicht vergessen, dass es auch den Gestalttypus des "blinden Sehers" gibt, der mitunter bei und trotz aller Tragik, die sein Leben überschattet, manches deutlicher wahrnimmt als andere. Beispielhaft für ihn mag der Prophet und blinde Seher Teiresías sein, der seit der griechischen Mythologie in vielen kulturellen Werken und Variationen aufgenommen wurde. Doch die meisten Blinden und Sehbeeinträchtigten sind keine Propheten geworden. Viele finden lebenslang nicht über das Leid hinaus, das sie unverschuldet oder verschuldet tragen.
Blinde Flecken und unklare Sicht haben wir wohl alle. Oft geraten wir damit in die Gefahr unser eigenes Wahrnehmen, unsere eigene Wirklichkeit zum Maßstab für das Leben zu machen. Weil ich nicht sehe, sage ich dann: "Es gibt kein Licht." Weil ich keine lebensbejahende Perspektive finde, sage ich: "Es gibt keine Hoffnung." Die Beispiele ließen sich mühelos vermehren. Nicht umsonst bittet Paulus Gott im Brief an die Epheser: "Gott erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr durch ihn berufen seid, welchen Reichtum die Herrlichkeit seines Erbes den Heiligen schenkt." (Eph 1,18) Ich will auch Gott um Heilung bitten, wo es bei mir nottut, und selbst darangehen die Haltungen zu üben, die das unterstützen.
Denn manche Blindheit kann geheilt werden, wie die mit der Krankheit des grauen Stars einhergehende schrittweise Erblindung, die in vielen Ländern durch Operationen verhindert wird. Seelisch sind Operationen kein Weg. Martin Schleske, der Geigenbauer und geistlicher Schriftsteller, schreibt einmal "Ein Mangel an Dankbarkeit ist der graue Star des Herzens: Er trübt die Augen des inneren Menschen, sodass wir – lebensblind – das Gute nicht länger sehn."
Heilen kann ich mich nicht allein, aber mich öffnen wohl. Sie ersehnen, zulassen und bejahen, das kann ich wohl. Und wo immer sie mir geschieht, kann will ich mich ihr nicht verweigern, sondern sie bezeugen, wie ein Glück, das ich erfahren habe.
Evangelium nach Johannes (Joh 9,1–41)
In jener Zeit sah Jesus unterwegs einen Mann, der seit seiner Geburt blind war. Da fragten ihn seine Jünger: Rabbi, wer hat gesündigt? Er selbst oder seine Eltern, sodass er blind geboren wurde?
Jesus antwortete: Weder er noch seine Eltern haben gesündigt, sondern die Werke Gottes sollen an ihm offenbar werden. Wir müssen, solange es Tag ist, die Werke dessen vollbringen, der mich gesandt hat; es kommt die Nacht, in der niemand mehr wirken kann. Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.
Als er dies gesagt hatte, spuckte er auf die Erde; dann machte er mit dem Speichel einen Teig, strich ihn dem Blinden auf die Augen und sagte zu ihm: Geh und wasch dich in dem Teich Schiloach! Das heißt übersetzt: der Gesandte. Der Mann ging fort und wusch sich. Und als er zurückkam, konnte er sehen.
Die Nachbarn und jene, die ihn früher als Bettler gesehen hatten, sagten: Ist das nicht der Mann, der dasaß und bettelte? Einige sagten: Er ist es. Andere sagten: Nein, er sieht ihm nur ähnlich. Er selbst aber sagte: Ich bin es. Da fragten sie ihn: Wie sind deine Augen geöffnet worden? Er antwortete: Der Mann, der Jesus heißt, machte einen Teig, bestrich damit meine Augen und sagte zu mir: Geh zum Schiloach und wasch dich! Ich ging hin, wusch mich und konnte sehen. Sie fragten ihn: Wo ist er? Er sagte: Ich weiß es nicht.
Da brachten sie den Mann, der blind gewesen war, zu den Pharisäern. Es war aber Sabbat an dem Tag, als Jesus den Teig gemacht und ihm die Augen geöffnet hatte. Auch die Pharisäer fragten ihn, wie er sehend geworden sei. Er antwortete ihnen: Er legte mir einen Teig auf die Augen und ich wusch mich und jetzt sehe ich. Einige der Pharisäer sagten: Dieser Mensch ist nicht von Gott, weil er den Sabbat nicht hält. Andere aber sagten: Wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen tun? So entstand eine Spaltung unter ihnen.
Da fragten sie den Blinden noch einmal: Was sagst du selbst über ihn? Er hat doch deine Augen geöffnet. Der Mann sagte: Er ist ein Prophet. Die Juden aber wollten nicht glauben, dass er blind gewesen und sehend geworden war. Daher riefen sie die Eltern des von der Blindheit Geheilten und fragten sie: Ist das euer Sohn, von dem ihr sagt, dass er blind geboren wurde? Wie kommt es, dass er jetzt sieht?
Seine Eltern antworteten: Wir wissen, dass er unser Sohn ist und dass er blind geboren wurde. Wie es kommt, dass er jetzt sieht, das wissen wir nicht. Und wer seine Augen geöffnet hat, das wissen wir auch nicht. Fragt doch ihn selbst, er ist alt genug und kann selbst für sich sprechen! Das sagten seine Eltern, weil sie sich vor den Juden fürchteten; denn die Juden hatten schon beschlossen, jeden, der ihn als den Christus bekenne, aus der Synagoge auszustoßen. Deswegen sagten seine Eltern: Er ist alt genug, fragt ihn selbst!
Da riefen die Pharisäer den Mann, der blind gewesen war, zum zweiten Mal und sagten zu ihm: Gib Gott die Ehre! Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist. Er antwortete: Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht. Nur das eine weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehe. Sie fragten ihn: Was hat er mit dir gemacht? Wie hat er deine Augen geöffnet? Er antwortete ihnen: Ich habe es euch bereits gesagt, aber ihr habt nicht gehört. Warum wollt ihr es noch einmal hören? Wollt etwa auch ihr seine Jünger werden?
Da beschimpften sie ihn: Du bist ein Jünger dieses Menschen; wir aber sind Jünger des Mose. Wir wissen, dass zu Mose Gott gesprochen hat; aber von dem da wissen wir nicht, woher er kommt. Der Mensch antwortete ihnen: Darin liegt ja das Erstaunliche, dass ihr nicht wisst, woher er kommt; dabei hat er doch meine Augen geöffnet. Wir wissen, dass Gott Sünder nicht erhört; wer aber Gott fürchtet und seinen Willen tut, den erhört er. Noch nie hat man gehört, dass jemand die Augen eines Blindgeborenen geöffnet hat. Wenn dieser nicht von Gott wäre, dann hätte er gewiss nichts ausrichten können. Sie entgegneten ihm: Du bist ganz und gar in Sünden geboren und du willst uns belehren? Und sie stießen ihn hinaus.
Jesus hörte, dass sie ihn hinausgestoßen hatten, und als er ihn traf, sagte er zu ihm: Glaubst du an den Menschensohn? Da antwortete jener und sagte: Wer ist das, Herr, damit ich an ihn glaube? Jesus sagte zu ihm: Du hast ihn bereits gesehen; er, der mit dir redet, ist es. Er aber sagte: Ich glaube, Herr! Und er warf sich vor ihm nieder. Da sprach Jesus: Um zu richten, bin ich in diese Welt gekommen: damit die nicht Sehenden sehen und die Sehenden blind werden.
Einige Pharisäer, die bei ihm waren, hörten dies. Und sie fragten ihn: Sind etwa auch wir blind? Jesus sagte zu ihnen: Wenn ihr blind wärt, hättet ihr keine Sünde. Jetzt aber sagt ihr: Wir sehen. Darum bleibt eure Sünde.