Abt wegen Fehlern bei Missbrauchsaufarbeitung zurückgetreten
Der Abt der Benediktinerabtei Kornelimünster, Friedhelm Tissen, ist wegen Fehlern bei der Missbrauchsaufarbeitung zurückgetreten. In einer Stellungnahme auf der Internetseite der Abtei schreibt Tissen, dass der Leiter der in Rom ansässigen Kongregation seiner Bitte um Entpflichtung nachgekommen sei. Tissen leitete die Gemeinschaft seit 2008. Die "Aachener Nachrichten" hatten zuerst über den Rücktritt berichtet.
Mönche der Gemeinschaft hätten sexualisierte und körperliche Gewalt begangen, heißt es in der Stellungnahme. Die Gemeinschaft habe dies lange verdrängt. "Ich als Verantwortlicher habe auf Meldungen Betroffener nicht angemessen reagiert, die Bearbeitung der Anträge auf Anerkennung des Leids verschleppt und die Aufarbeitung der sexualisierten Gewalt nicht intensiv genug vorangetrieben", schreibt Tissen. "Mit meinem Rücktritt will ich ein Zeichen setzen, dass ich Verantwortung übernehme für das Leid, das ich Betroffenen zusätzlich zugefügt habe."
Die Taten wurden laut Abtei in den 1960er- und 1970er-Jahren begangen. Es gebe keine Anschuldigungen gegen aktuelle Mitglieder der Gemeinschaft. Derzeit sei die Abtei in Kontakt mit fünf Betroffenen, bestätigte Bruder Antonius Kuckhoff der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Darunter sind ehemalige Schüler eines bis 1988 zur Abtei gehörenden Internats. Es sei zudem ein Fall sexualisierter Gewalt aus dem Seelsorgekontext bekannt; von weiteren Betroffenen sei auszugehen.
Gemeinschaft wisse seit spätestens 2010 von Taten
Die Gemeinschaft wisse seit spätestens 2010, dass es sexualisierte Gewalt in ihren Reihen gegeben habe, so Kuckhoff. Damals hatten Betroffene sich an die Medien gewandt. Die Abtei wird aktuell von einem Ausschuss der Ordensobernkonferenz bei der Aufarbeitung begleitet. Laut Kuckhoff geht es nun darum, Betroffene zu beteiligen und den Rahmen für eine angedachte Aufarbeitungsstudie zu klären.
Der Abt bot seinen Rücktritt im Rahmen einer Überprüfung durch die benediktinische Kongregation an – einer sogenannten kanonischen Visitation. Diese fand laut Kuckhoff zwar nicht außerplanmäßig statt, wurde aber seitens der Abtei für notwendig empfunden. Zuvor sei die Abtei durch den Kontakt mit Betroffenen der Versäumnisse des Abts gewahr geworden. "Mit Blick auf die Betroffenen war es wichtig, dass Abt Friedhelm Verantwortung übernimmt," so Kuckhoff. Die Abtei will zunächst keinen neuen Oberen wählen. Die vorübergehende Leitung hat der bisherige Stellvertreter des Abtes übernommen. Tissen bleibt Teil der Gemeinschaft und wird auch weiterhin als Pater Friedhelm in der Abtei wohnen.
Die heutige Benediktinerabtei ist eine Neugründung von 1906. Sie folgte auf die durch die napoleonische Regierung aufgelöste Reichsabtei. Zwischen 1948 und 1988 waren dem Kloster eine Realschule und ein Internat angeschlossen. Die Gemeinschaft gehört zur benediktinischen Kongregation von Subiaco und Montecassino mit Sitz in Rom. Deren Abtpräses ist Guillermo Arboleda Tamayo. (KNA)
16.2., 16:45 Uhr: Ergänzt um weitere Details.