Frieden müsse jetzt schon vorbereitet werden

Bischof Wilmer: Dürfen uns nicht an den Ukraine-Krieg gewöhnen

Veröffentlicht am 22.02.2023 um 13:25 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Fast ein Jahr lang wird nun in der Ukraine gekämpft. Justitia-et-Pax-Bischof Heiner Wilmer erinnert daran, dass auch im Krieg der Frieden vorbereitet werden müsse. Das hat für ihn dezidiert auch eine juristische Seite.

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Der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer hat zum Jahrestag des russischen Angriffs auf die Ukraine dazu aufgerufen, mit diplomatischen Bemühungen nicht nachzulassen. Dazu gehörten Anstrengungen um die europäische und westliche Einheit ebenso wie Gespräche mit internationalen Partnern in Afrika und Asien, erklärte der Vorsitzende der Deutschen Kommission Justitia et Pax am Mittwoch in Berlin. Am Freitag jährt sich der russische Angriff auf das Nachbarland Ukraine zum ersten Mal.

Die Deutsche Kommission Justitia et Pax (Gerechtigkeit und Frieden) war 1967 gegründet worden und versteht sich als Forum der katholischen Einrichtungen und Organisationen, die im Bereich der internationalen Verantwortung der Kirche in Deutschland tätig sind.

Wilmer erklärte, die Aufgabe für alle heiße, dass im Krieg der Frieden vorbereitet werden müsse. "Diese Aufgabe bedeutet, dass wir uns an den Krieg nicht gewöhnen, sondern verlässlich zur Wiederherstellung von Frieden und Gerechtigkeit im Herzen Europas beitragen." Das sei eine anspruchsvolle und komplexe Herausforderung. Dazu gehöre, die Verantwortlichen für den Angriffskrieg vor einem internationalen Gericht strafrechtlich zur Rechenschaft zu ziehen.

Eklatanter Bruch des Völkerrechts

Wilmer bezeichnete den Angriff als "eklatanten Bruch des Völkerrechts", der die Grundlagen des internationalen Zusammenlebens untergrabe. Russlands Präsident Wladimir Putin habe Zerstörung, Leid und Tod über die Ukraine und seine Menschen gebracht. Tausenden Ukrainerinnen und Ukrainern, aber auch Tausenden von Putins eigenen Landsleuten sei das Leben genommen worden.

Zugleich betonte Wilmer, dass die Hoffnung auf ein Leben der Umkehr, Erneuerung und Versöhnung real sei. "Bei allen anspruchsvollen Herausforderungen, die vor uns liegen, ist es diese Hoffnung, die uns stark macht und antreibt." Weiter würdigte er "die Solidarität mit dem ukrainischen Volk und die konkrete Unterstützung der Menschen". Diese seien Grundlage des aktuellen Handelns. Es gebe "eindrucksvolle Unterstützung für die Menschen in der Ukraine wie auch für alle Geflüchteten bei uns, die mit dem Verlust ihrer Heimat auch die Haltlosigkeit und Orientierungslosigkeit in einem für sie unbekannten Land aushalten müssen".

„Das ukrainische Volk hat das Recht, sich gegen die brutale und ungerechtfertigte militärische Aggression zu verteidigen.“

—  Zitat: EU-Bischofskommission COMECE

Auch die Bischöfe in der EU haben Russland aufgefordert, den Angriff auf die Ukraine sofort zu beenden, seine Truppen zurückzuziehen und die territoriale Integrität des Landes entsprechend dem Völkerrecht zu respektieren. "Das ukrainische Volk hat das Recht, sich gegen die brutale und ungerechtfertigte militärische Aggression zu verteidigen", heißt es in einer Erklärung der EU-Bischofskommission (COMECE). Die Ukrainer kämpften für ein Leben in Würde, Sicherheit und Freiheit in einem unabhängigen Land. Die von dem Luxemburger Kardinal und COMECE-Präsident Jean-Claude Hollerich unterzeichnete Erklärung befürwortet ausdrücklich eine "angemessene und verhältnismäßige militärische Unterstützung" für die Ukraine. Die Bischöfe äußern aber auch die Hoffnung auf "erneuerte multilaterale diplomatische Bemühungen, die durch einen globalen Friedensgipfel angetrieben werden könnten".

Woelki: Krieg ist "Machwerk des Menschen"

In seinem ersten Aschermittwochs-Gottesdienst seit seiner Auszeit hat der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki den Krieg verurteilt. "Niemand darf sich auf Gott berufen, wenn er zum Krieg rüstet", sagte er in seiner Predigt. Krieg sei kein unabwendbares Schicksal. "Es ist ein Machwerk des Menschen und dem stellen wir uns in den Weg, nicht zuletzt durch unser Gebet." Die Bitte nach Frieden zähle mehr als alle Waffen der Erde. Es brauche keinen "Präventivkrieg"; dem Krieg müsse stattdessen vorgebeugt werden, so Woelki weiter: "Es kann doch nicht sein, es kann doch nicht vernünftig sein, Milliarden für einen Krieg zu verpulvern, während Millionen Menschen hungern." Auch sei es nicht vernünftig, die menschliche Intelligenz für die Entwicklung immer besserer Waffensysteme statt für die Völker einzusetzen.

Der katholische Mainzer Bischof Peter Kohlgraf hält Ängste vor einer weiteren Eskalation des Ukraine-Kriegs und einer direkten Kriegsbeteiligung Deutschlands für berechtigt. «Ehrlich gesagt treibt mich die Sorge auch um», sagte der Präsident der deutschen Sektion der katholischen Friedensbewegung Pax Christi in einem Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Auch Papst Franziskus habe bereits von einem Dritten Weltkrieg gesprochen – "und zwar nicht von einem drohenden, sondern davon, dass wir uns eigentlich schon mitten drin befinden".

Seine eigenen friedensethischen Grundsätze habe er durch den Ukraine-Krieg nicht revidiert, versicherte der Bischof. Niemand könne aus einem Krieg "schuldlos herauskommen". Dies gelte auch jetzt: "Egal, wo wir Waffen einsetzen, machen wir uns schuldig, weil Waffen töten. Wenn nichts getan wird, macht man sich auch schuldig." (cph/KNA/epd)