Gerechte Bewertung von Vertuschungsvorwurf brauche mehr Hintergründe

Polens Bischöfe: Verdacht gegen Johannes Paul II. im Archiv erforschen

Veröffentlicht am 08.03.2023 um 16:01 Uhr – Lesedauer: 

Warschau ‐ Polens Kirche wird durch eine Dokumentation über Missbrauch und die Rolle des späteren Papstes Johannes Paul II. erschüttert. Nun positioniert sich die Bischofskonferenz – ohne eine mögliche Schuld des ehemaligen Krakauer Erzbischofs auszuschließen.

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Um die Rolle von Kardinal Karol Wojtyła in seiner Zeit als Krakauer Erzbischof beim Umgang mit Missbrauch in der Kirche zu klären, braucht es nach Ansicht der polnischen Bischofskonferenz weitere archivalische Untersuchungen. In einer am Mittwoch in deutscher Sprache durch die Bischofskonferenz veröffentlichten Erklärung betonen die Verantwortlichen der Konferenz für Kinderschutz, dass auf Grundlage von Archivrecherchen eine gerechte Beurteilung der Entscheidungen und Handlungen des späteren Papstes Johannes Pauls II. möglich werde.

Anlass für die Stellungnahme ist die Ausstrahlung einer Fernsehdokumentation, die am Montag im polnischen Fernsehen ausgestrahlt wurde und sich mit dem Handeln Wojtyłas in seiner Krakauer Bischofszeit befasst. Die Dokumentation des Journalisten Marcin Gutowski will dem späteren Papst eine umfassende Mitwisserschaft an Missbrauchsfällen nachweisen. Wojtyła soll Beschuldigte und Täter versetzt haben, um Skandale zu vermeiden. Die Stellungnahme der Bischofskonferenz geht auf drei dort thematisierte Fälle ein. Zwei davon seien der Öffentlichkeit bereits bekannt gewesen. Der dritte Fall wurde nicht auf der Grundlage staatsanwaltschaftlicher oder gerichtlicher Ermittlungsergebnisse geschildert, sondern auf der Grundlage des kommunistischen Staatssicherheitsdienstes. "Durch die im Film dargestellten Quellen kann man die Qualifikation der dem Pfarrer Saduś zugeschriebenen Taten nicht feststellen", betont die Stellungnahme. Zudem müsse in Betracht gezogen werden, dass zum mutmaßlichen Tatzeitpunkt das Kirchenrecht Minderjährige nur bis zum Alter von 16 Jahren besonders schützte, und nicht bis zum Alter von 18 Jahren, wie es seit 2001 gilt.

Heute größeres Bewusstsein

Heute herrsche zweifellos ein viel größeres gesellschaftliches Bewusstsein für die Folgen von sexuellem Missbrauch, betonen der Koordinator der Polnischen Bischofskonferenz für den Schutz von Kindern und Jugendlichen, der Jesuitenpater Adam Żak, und der Leiter des Büros des Delegierten der Polnischen Bischofskonferenz für den Schutz von Kindern und Jugendlichen, Pfarrer Piotr Studnicki, in der Stellungnahme.

Wojtyła war seit 1958 Weihbischof in Krakau, von 1964 bis zu seiner Wahl zum Papst 1978 Erzbischof. Die polnischen Bischöfe hatten den 2014 heiliggesprochenen Johannes Paul II. bislang immer gegen Vorwürfe verteidigt. Noch im November wandte sich der Ständige Rat der polnischen Bischofskonferenz mit einem Brief an die Öffentlichkeit, in dem sie es als "unbestreitbare Tatsache" bezeichneten, dass Johannes Paul II. einen "entschlossenen Kampf gegen Fälle des sexuellen Missbrauchs von Kindern und Minderjährigen durch einige Geistliche" geführt habe. Im Dezember legte der niederländische Journalist Ekke Overbeek nach seiner Überzeugung "felsenfeste Beweise" vor, dass der ehemalige Krakauer Erzbischof Missbrauch vertuscht und Beschuldigte versetzt zu haben. (fxn)