Selenskyj verteidigt Schritte gegen angeblich moskautreue Kirche
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj rechtfertigt das massive Vorgehen seiner Regierung gegen die lange dem Moskauer Patriarchat unterstehende orthodoxe Kirche des Landes. In einer Videoansprache (Sonntagabend) sagte er, man werde nicht zulassen, dass Russland "irgendeine Gelegenheit bekommt, die Spiritualität unseres Volkes zu manipulieren, ukrainische Heiligtümer – unsere Lawras – zu zerstören oder aus ihnen irgendwelche Wertsachen zu stehlen". Es gelte, "unsere spirituelle Unabhängigkeit zu stärken".
Die zuständige ukrainische Behörde hatte am Freitag die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche (UOK) aufgefordert, ihr Hauptheiligtum, das weltbekannte Kiewer Höhlenkloster, zum Ende des Monats ganz zu verlassen. Kulturminister Olexandr Tkatschenko begründete den Rauswurf damit, dass die Kirche gegen Bestimmungen ihres Nutzungsvertrags verstoßen habe, indem sie etwa auf dem Klostergelände ohne Genehmigung Gebäude errichtet habe. Die UOK hatte 2013 unter dem damaligen Staatspräsidenten Viktor Janukowitsch einen unbefristeten Vertrag über die kostenlose Nutzung eines Großteils des Höhlenklosters geschlossen. Die Behörde kündigte den Vertrag nun zum 29. März. Selenskyj betonte, er wisse, dass die Ukrainer diesen Schritten zustimmten. Sie seien "völlig legitim". Der Präsident kündigte an, er werde diesen Kurs beibehalten.
Die Kirche betrachtet die Kündigung ihres Nutzungsvertrages als grob rechtswidrig. "Der einzige Grund für den Rauswurf der Mönche aus dem orthodoxen Heiligtum ist eine Laune von Beamten des Kulturministeriums, genau wie unter den sowjetischen Behörden in den 1960er-Jahren", protestierte sie. In der "Uspenski Kyjiwer Petscherska Lawra" (Mariä-Entschlafens-Höhlenkloster zu Kiew) haben unter anderem die Kirchenleitung mit Oberhaupt Metropolit Onufri und die Theologische Akademie ihren Sitz. Auch der Kreml protestierte gegen das Vorgehen der ukrainischen Regierung. Russlands Präsidentensprecher Dmitri Peskow sagte am Montag laut der Nachrichtenagentur Interfax: "Wir halten das für unzulässig, und natürlich meinen wir, dass die Weltgemeinschaft entsprechend auf eine solche empörende Entscheidung reagieren muss." Es handele sich um ein "absolut beispielloses Verhalten gegenüber Vertretern der russisch-orthodoxen Kirche".
Zwei konkurrierende orthodoxe Kirchen
In der Ukraine gibt es zwei konkurrierende orthodoxe Kirchen. Die Regierung unterstützt die 2018 mit Hilfe des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel und orthodoxen Ehrenoberhaupts, Bartholomaios I., gegründete Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU). Sie ging aus zwei Konfessionen hervor, die sich bereits vor Jahrzehnten vom Moskauer Patriarchat getrennt hatten. Die UOK sagte sich hingegen erst im Mai 2022, nach Kriegsbeginn, vom Moskauer Patriarchat los.
Selenskyj und seine Regierung beschuldigen die UOK seit Monaten, weiter mit Moskau zu kollaborieren. Ukrainische Gerichte verurteilten mehrere Priester zu hohen Haftstrafen, unter anderem wegen Spionage für Russland. Insgesamt eröffnete die Ukraine Strafverfahren gegen etwa 60 Geistliche der UOK; Selenskyj erkannte mehreren Bischöfen die ukrainische Staatsangehörigkeit ab. Die meisten von ihnen arbeiten in von Russland besetzten ukrainischen Regionen.
Das Kiewer Höhlenkloster aus dem 11. Jahrhundert gilt als die Wiege der ostslawischen Orthodoxie. Der 23 Hektar große Klosterkomplex mit rund 140 Gebäuden trägt den Ehrentitel "Lawra", wie insgesamt nur drei Abteien in der Ukraine und zwei weitere in Russland. Die Unesco nahm das Kiewer Höhlenkloster 1990 in ihre Liste des Welterbes auf. In den Höhlen des Klosters befinden sich Reliquien von mehr als 120 Heiligen. Bereits vor wenigen Tagen hatte das Kulturministerium angeordnet, dass die UOK zwei Klöster und eine Kathedrale im nordukrainischen Tschernihiw verlassen muss. Sie gehören ebenfalls dem Staat. Die Sakralbauten aus dem 11. bis 17. Jahrhundert sind Teil des architektonisch-historischen Nationalparks "Antikes Tschernihiw". (tmg/KNA)
13.3., 14 Uhr: Ergänzt um Kreml.