Papst Franziskus hat sein Beratergremium neu justiert

Der neue Kardinalsrat – Berater für eine synodalere Kirche

Veröffentlicht am 24.03.2023 um 00:01 Uhr – Von Roland Juchem (KNA) – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Als Jorge Bergoglio neuer Bischof von Rom wurde, holte er sich aus den übrigen Teilen der Welt eigene Berater nach Rom. Seither war dieser Kardinalsrat persönliches Werkzeug des Papstes. Jetzt hat Franziskus ihn neu justiert.

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Nur einen Monat nach seiner Wahl berief der neue Papst im April 2013 aus jedem Kontinent einen Kardinal an seine Seite: George Pell aus Sydney, Oswald Gracias aus Mumbai (Bombay), Reinhard Marx aus München, Laurent Monsengwo aus Kinshasa, Francisco Javier Errazuriz aus Santiago de Chile, Oscar Andres Rodriguez Maradiaga aus Tegucigalpa und Sean O'Malley aus Boston. Europa, Asien, Afrika, Nord-, Mittel- und Südamerika wie auch Australien/Ozeanien waren vertreten. Die Sieben sollten den neuen Chef im Vatikan bei der Reform der weltkirchlichen Zentralverwaltung beraten. Und weil es opportun war, dazu auch Insider-Erfahrung ins Boot zu holen, ergänzte Franziskus sein Team um den Regierungchef des kleinen Vatikanstaats, Giuseppe Bertello, sowie Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin. Der sogenannte K9-Rat – plus bischöflicher Sekretär – war geboren.

Reformen der Kurie und ein neues Verhältnis zu den Ortskirchen waren wesentliche Elemente im Stellenprofil eines neuen Papstes, das die Kardinäle der Weltkirche bereits im sogenannten Vorkonklave  formuliert hatten. Bewusst habe er einen Rat von Outsidern gewählt, sagte Franziskus bei einer Pressekonferenz im Juli 2013. Zudem wollte er damit ein Zeichen von Synodalität setzen: gemeinsame Entscheidungsfindung durch die Bischöfe der Weltkirche. Die geforderte Kurienreform brachte Franziskus in den Folgejahren schrittweise auf den Weg. Im März vergangenen Jahres – nach fast neun Jahren – gab es die neue Kurienverfassung "Praedicate evangelium"; zu Pfingsten trat sie in Kraft. Damit ist eine wesentliche Aufgabe des Kardinalsrates erledigt.

Das Mandat von Kardinal Marx wurde nicht verlängert

Dennoch führt Franziskus die Gruppe nach zwei fünfjährigen Amtsperioden weiter und hat sie personell verändert. Neu im Team sind die Kardinäle Sergio da Rocha (Sao Salvador da Bahia), Jean-Claude Hollerich (Luxemburg), Juan Jose Omella Omella (Barcelona) und Gerald Cyprien Lacroix (Quebec). Ausgeschieden sind Reinhard Marx, Oscar Maradiaga und Giuseppe Bertello. Zwischenzeitlich nachgerückt war Kinshasas Fridolin Ambongo für den verstorbenen Monsengwo. Für Bertello kam dessen Nachfolger Fernando Vergez Alzaga. Geografisch fällt auf: Australien/Ozeanien ist im neuen Kardinalsrat nicht mehr vertreten. Dafür haben Nordamerika und Europa nun je zwei Vertreter. Zwei Männer der ersten Stunde, Gracias (78) und O'Malley (78), sind auch in der dritten Amtsperiode dabei. Nicht verlängert wurde das Mandat von Marx (69), obwohl er – anders als Maradiaga und Bertello – die Altersgrenze von 80 Jahren noch nicht erreicht hat.

Bild: ©KNA/Robert Kiderle

Das Mandat von Kardinal Reinhard Marx im Kardinalsrat wurde nicht verlängert.

An seine Stelle tritt Jean-Claude Hollerich (64). Der Luxemburger hatte bereits 2018 Marx' Vorsitz bei der Kommission der EU-Bischofskonferenzen (COMECE) übernommen. Die COMECE-Präsidentschaft schien 2013 ein Grund gewesen zu sein, weshalb Franziskus den damals als durchsetzungsstark geltenden Marx in das Gremium berief. Hinzu kam der Wunsch, einen Vertreter der finanzstarken und verwaltungserfahrenen Kirche in Deutschland im Boot zu haben. Nach Marx' Rücktrittsangebot vom Frühsommer 2021 und den Kontroversen um den deutschen Synodalen Weg könnte die Nichtverlängerung von Marx im K9 auch Ausdruck verminderter Bedeutung der Deutschen im Vatikan sein. Jedoch bleibt Marx Koordinator des Wirtschaftsrates; seine zweite fünfjährige Amtszeit endet dort erst in einem Jahr.

Nach dem Abgang des Deutschen und dem frühzeitigen Ausscheiden von Pell (de facto Juni 2017 und formal Oktober 2018) fehlt dem Kardinalsrat nun wirtschaftliche Fachkompetenz. Doch das ist verkraftbar, denn auch die Finanzreform an der Kurie gilt als weitgehend abgeschlossen. Neue Aufgaben stehen an: Die reformierte Leitungsstruktur im Vatikan muss sich in der Praxis bewähren. Und es steht eine Weltsynode ins Haus, in der es um ein anderes Miteinander von Klerikern und Laien in der katholischen Weltkirche geht. Da hat die neue Mannschaftsaufstellung Gewicht – insbesondere die Einwechslung von Hollerich, der so noch mehr weltkirchlichen Einfluss erhält.

Kardinal Hollerich als Schlüsselfigur für die synodalen Pläne des Papstes

Der Jesuit, der lange in Japan lebte und lehrte, war bislang COMECE-Präsident und ist Vizepräsident im Rat der europäischen Bischofskonferenzen (CCEE). Vor allem aber ist er Generalrelator der Weltsynode und als solcher eine Schlüsselfigur für das 2021 von Franziskus gestartete Mammutprojekt zur Etablierung eines "synodalen" Umgangs- und Leitungsstils in der katholischen Kirche. Dies könnte für den Kardinalsrat ein neues Aufgabenfeld werden. Das vatikanische Synodensekretariat unter Kardinal Mario Grech aus Malta ist der Weltsynode allein nicht gewachsen. Er bildet mit Hollerich ein Tandem, gemeinsam traten sie in den vergangenen Monaten bei fast allen Kontinental-Etappen der Weltsynode von Europa über Ostasien bis nach Lateinamerika auf.

Jean-Claude Hollerich sitzt auf einem Bischofsstuhl vor einer Steinwand
Bild: ©KNA/Stefano Dal Pozzolo/Romano Siciliani

Der Luxemburger Kardinal Jean-Claude Hollerich erhält durch seine Berufung in den Kardinalsrat noch mehr weltkirchlichen Einfluss.

Gelingen kann das Projekt "Synodale Kirche" nur mit Leuten, die loyal zum Papst stehen, die ausgleichen können zwischen innerkirchlichen Fraktionen und offen sind für den Dialog mit säkularen Gesellschaften – und falls nötig mit anderen Religionen. Das neu berufene K9-Mitglied Omella etwa erfüllt solche Kriterien. Der 2015 ernannte Erzbischof von Barcelona ist ein Mann von Franziskus, seit drei Jahren Vorsitzender der Spanischen Bischofskonferenz. Im Gegensatz zu früheren spanischen Bischöfen setzt Omella gegenüber der sozialistischen Regierung auf Dialog statt Konfrontation – wenngleich mit bisher bescheidenem Erfolg.

Der brasilianische Kardinal Sergio da Rocha gilt als synodenerprobt. Bei der Jugendsynode, die 2018 in Rom schon neue Formen der Mitwirkung von Nichtbischöfen testete, spielte der damals 59-jährige de Rocha als Generalrelator ein wichtige Rolle. Bostons Kardinal O'Malley ist im mehrheitlich franziskuskritischen US-Episkopat ein Parteigänger des Papstes. Zudem steht er nach wie vor für die Bekämpfung von Missbrauch. Auch wenn seine tatsächliche Leistung als Leiter der Päpstlichen Kinderschutzkommission – wohl aus Gründen der Überlastung – eher bescheiden ausfällt.

Der K9 bleibt ein Sonderinstrument des Papstes

Kardinal Lacroix ist Erzbischof von Quebec. Nach seiner Ernennung 2011 erklärte er, er bevorzuge einen diskussionsbasierten Ansatz. "Eines ist sicher: Ich werde das Evangelium verkünden. Wenn die Leute etwas anderes erwarten, werden sie enttäuscht sein." Eine Aussage ganz im Franziskus-Stil. Der heute 65-jährige Frankokanadier arbeitete in den 1990er Jahren längere Zeit in Kolumbien, ist seit etlichen Jahren Mitglied mehrerer Vatikan-Dikasterien. 2020 berief Franziskus ihn zudem in den von Marx koordinierten Wirtschaftsrat.

In der Kurienverfassung ist der Kardinalsrat nicht aufgeführt. Der K9 bleibt ein Sonderinstrument des Papstes. Mit dem Fünfjahresmandat bis zum Frühjahr 2028 ist es wahrscheinlich, dass die meisten Mitglieder das nächste Konklave miterleben. Und bei der Wahl eines Franziskus-Nachfolgers eine wichtige Rolle spielen.

Von Roland Juchem (KNA)