Religion soll in Berlin Wahlpflichtfach werden – Lob von Katholiken
CDU und SPD wollen in einer neuen gemeinsamen Landesregierung in Berlin ein Wahlpflichtfach Weltanschauungen/Religionen als ordentliches Lehrfach einführen. Das geht aus dem am Montag vorgestellten Koalitionsvertrag der beiden Parteien für die bereits laufende Legislaturperiode bis 2026 hervor. "In einem von fachlich ausgebildeten Lehrkräften erbrachten und von den Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften inhaltlich gestalteten Unterricht können Kenntnisse über Religionen und Weltanschauungen vermittelt werden", heißt es in dem Papier, das am Vormittag vom designierten Regierenden Bürgermeister Kai Wegner (CDU) und der noch amtierenden Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) präsentiert wurde. Das Fach Ethik solle daneben in seiner bisherigen Form bestehen bleiben.
In der vergangenen Woche hatte der "Tagesspiegel" bereits über entsprechende Pläne der beiden Parteien berichtet. Unter Berufung auf ein Papier aus den Koalitionsverhandlungen schrieb die Zeitung, dass Religion erstmals ab Klasse 7 ordentliches Schulfach werden solle. In einem neuen, zusätzlichen Wahlpflichtbereich sollten die Schüler entscheiden können, ob sie Religion, Lebenskunde oder ein überkonfessionelles Angebot besuchen möchten. Die Schulen könnten es aber auch als einstündigen Projektunterricht anbieten.
Diözesanrat begrüßt Entscheidung für Wahlpflichtfach Religion
An Berliner Schulen ist der Unterricht der Religionsgemeinschaften ebenso wie die Lebenskunde des Humanistischen Verbandes im Unterschied zum staatlichen Ethikunterricht kein ordentliches Schulfach, sondern ein freiwilliges Angebot in alleiniger Verantwortung der Träger. Eine Bürgerinitiative "Pro Reli" setzte sich vor einigen Jahren für einen Wahlpflichtbereich ein, bei dem sich die Schüler zwischen gleichrangigen Fächern Ethik und Religion entscheiden sollten. Ein entsprechender Volksentscheid ging 2009 jedoch verloren.
Der Diözesanrat der Katholiken im Erzbistum Berlin begrüßte am Montag das Vorhaben von CDU und SPD, ein Wahlpflichtfach Religion/Weltanschauungen einzuführen. "Wir merken, wie sehr Religion zu unserem Leben gehört und welchen Einfluss Religionen und ihre Überzeugungen auf unsere Gesellschaft haben. Daher ist auch die Vermittlung von Wissen über Religionen außerordentlich wichtig", sagte die Vorsitzende des Diözesanrats, Karlies Abmeier. Und weiter: "Über eine Religion Bescheid zu wissen und mit dieser Perspektive die Welt beurteilen zu können – diese Kompetenz ist für die nächsten Generationen wichtig und fördert ein tolerantes Miteinander."
Mit der Entscheidung der beiden Parteien bestehe "endlich" die Möglichkeit, auch in Berlin eine moderne Religionspolitik zu gestalten. "In einer so vielfältigen Stadt wie Berlin ist es Ausdruck der Wertschätzung gegenüber allen Religionen und Weltanschauungen, den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit zu geben, sich entsprechend der eigenen religiösen Traditionen und Werte weiterzubilden", so Abmeier weiter. Die Kirchen und die anderen Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften seien aufgerufen, an der Entwicklung eines modernen, auf Toleranz und gegenseitigem Verständnis basierenden staatlichen Religionsunterrichts konstruktiv mitzuwirken.
In ihrem Koalitionsvertrag bezeichnen CDU und SPD die Kirchen sowie andere Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften ferner als "bereichernde Partner im Einsatz für den gesellschaftlichen Zusammenhang". Außerdem bekennen sich die beiden Parteien zur Unterstützung von Projekten der interreligiösen Verständigung. Beispielhaft nennt der Vertrag den christlich-jüdischen Dialog, die Idee des im Bau befindlichen "House of One" und eine geplante "Drei-Religionen-Kita" im Ortsteil Friedrichshain. Zudem kündigen die Parteien an, die laufende Sanierung der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche weiter zu unterstützen und sich nach Möglichkeit an der Finanzierung der Kosten für die Gefängnisseelsorge zu beteiligen.
Koalition will "Internationalen Tag gegen Islamfeindlichkeit" würdigen
Auch das "wachsende jüdische Leben" in Berlin will die künftige Koalition in seiner Vielfalt weiter fördern und sichtbar machen. Konkret sollten "wichtige Baumaßnahmen" zur Stärkung des jüdischen Gemeindelebens wie der geplante Wiederaufbau der Synagoge am Fraenkelufer in Kreuzberg unterstützt werden. Fortgesetzt werden soll laut dem Vertrag zudem die Förderung der Islamischen Kulturtage und der Deutschen Islam-Akademie. Den 15. März wollen CDU und SPD entsprechend eines Beschlusses der UN-Vollversammlung künftig als "Internationalen Tag gegen Islamfeindlichkeit" öffentlich thematisieren und würdigen. Mit Blick auf das Berliner Gesetz über die Sonn- und Feiertage kündigen die Parteien an, das Gesetz dahingehend zu prüfen, dass Angehörige von Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften an bestimmten Feiertagen ihres Bekenntnisses vom Ausbildungsverhältnis ganztägig freigestellt werden können.
Der Koalitionsvertrag muss in den kommenden Wochen noch von beiden Parteien gebilligt werden. Während bei der SPD bis zum 23. April die Mitglieder über den Vertrag abstimmen sollen, will die CDU voraussichtlich am 24. April bei einem Parteitag über das Regierungsprogramm entscheiden. Aus der Wiederholungswahl zum Berliner Abgeordnetenhaus war die Union Mitte Februar mit großem Abstand als Siegerin hervorgegangen, die SPD landete gemeinsam mit den Grünen auf dem zweiten Platz. Die geplante Koalition von CDU und SPD würde das seit 2016 regierende Bündnis von SPD, Grünen und Linken ablösen. (stz)