Wachszieherei übersteht DDR-Regime

Das Geschäft mit den Kerzen

Veröffentlicht am 17.04.2014 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Ostern

Rosenthal ‐ Ob lang, ob kurz, ob dick, ob dünn, mit Muster oder einfach ganz klassisch - Seit fast 40 Jahren versorgt eine kleine Wachszieherei im sächsischen Rosenthal hunderte Gemeinden in Ostdeutschland mit Osterkerzen. Dass es sie überhaupt gibt, ist ein kurioses Erbe der DDR -Diktatur. Wie das Geschäft mit den Kerzen funktioniert, hat Katholisch.de bei einem Blick hinter die Kulissen in Rosenthal herausgefunden.

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Es ist ein unscheinbarer Bau gleich neben der Wallfahrtskirche von Rosenthal. Wie eine Scheune, vielleicht auch das Lager eines Baubetriebes wirkt das Gebäude. Nur ein kleines Schild weist darauf hin: Hier ist die Wachszieherei beim Kloster Rosenthal. Jörg Weber steht vor dem großen Stahltor und raucht eine Zigarette. "Ja, jetzt ist etwas ruhiger", sagt der frischgebackene Geschäftsführer der Wachszieherei. "Vor Ostern endet für uns die Saison", erklärt Weber das Geschäft mit den Kerzen.

Von Januar bis Ostern mache die Firma zwei Drittel ihres Jahresumsatzes. Kerzen seien ein Saisongeschäft. Das erste Drittel werde bis Maria Lichtmess verkauft, dann noch mal ein Drittel bis Ostern . "Zehn Tonnen insgesamt", wirft ein Mann mit Latzhose ein, der in diesem Moment durch das Stahltor tritt. Es ist Joachim Seidel. 1986 kam er in den Betrieb. Bis vor wenigen Wochen führte er die Firma, jetzt übergibt der 65-Jährige den Betrieb an Jörg Weber.

Alte Tradition, aber noch lange nicht rostig

Der Betrieb ist klein. Kabel, Schalter, Maschinen – alles ist mindestens 40, 50 Jahre oder noch viel älter. Jede Maschine aber wirkt gut gepflegt. Ein Monstrum von einer Maschine steht gleich im ersten Raum. Jörg Weber erklärt die sogenannte Zuganlage: "Auf die großen Trommeln werden Dochte gewickelt. Die Dochte laufen unten in der beheizten Zugwanne durch das flüssige Paraffin". Dabei setzt sich jedes Mal etwas Paraffin am Docht ab. Dabei handelt es sich um ein Stoffgemisch, dass für die Herstelltung von Kerzen benötigt wird.

Umdrehung für Umdrehung wachsen so die Kerzenrohlinge an einem Endlos-Docht. Bei 35 Millimeter Durchmesser ist Schluss. Die noch warmen Paraffinstangen werden in Stücke geschnitten und kühlen über Nacht ab. Danach erst werden die Rohlinge wieder und wieder in flüssiges Paraffin getaucht und wachsen jedes Mal um einen halben Millimeter im Durchmesser.

Bild: ©

Das Unternehmen hat die DDR überlebt

Die Geschichte der eigenen Firma lässt Joachim Seidel lächeln. Es ist ein später Triumph. Die DDR gibt es nicht mehr, die Rosenthaler Wachszieherei hingegen schon. "Das war die letzte Enteignungswelle in der DDR", erinnert er sich. Die letzte private Wachszieherei in der DDR, die Firma Marosek in Dresden, sollte 1974 verstaatlicht werden. "Da hat der Inhaber gleich ganz zugemacht, um den Kommunisten nicht sein Geschäft zu übergeben", erzählt Seidel. Allerdings wurden in den evangelischen und katholischen Gemeinden in der DDR rasch die Kerzen knapp. Denn Altar-, Oster, und Taufkerzen lieferten die sozialistischen Großbetriebe nicht. Das Bistum Meißen suchte nach einer Lösung für die eigenen Gemeinden und baute in Rosenthal eine eigene Wachszieherei auf. "Mit den Maschinen aus der Firma Marosek", sagt Joachim Seidel und lächtelt stolz..

Jörg Weber hat einiges vor mit der Firma

Nach der Wende wurde die Firma wieder privatisiert. Heute werden in den Räumen der Wachszieherei rund 50.000 Kerzen, davon 15.000 Osterkerzen pro Jahr von Hand produziert. 95 Prozent der Kunden sind Kirchgemeinden. Die längste Zeit war Joachim Seidel der einzige festangestellte Mitarbeiter, wurde nur hin und wieder von einer Saisonkraft unterstützt. Jetzt übergibt er die Geschäfte an seinen Nachfolger Jörg Weber. Der hat große Pläne für die kleine Firma. "Wenn alles klappt, werden wir nach Kamenz in neue Räume umziehen", sagt Weber.

Der Standort neben dem Kloster im kleinen Dorf Rosenthal ist nicht mehr ideal. Der letzte Pater ist schon vor einigen Jahren ausgezogen. Auch in den Gemeinden rundherum macht sich der Gläubigen- und Priestermangel bemerkbar. "Das hat unmittelbaren Einfluss auf unser Geschäft", erklärt Seidel. "Wo es weniger Gottesdienste gibt werden auch weniger Kerzen verbraucht".

Es kommen aber auch neue Kunden hinzu. So versendet die Rosenthaler Wachszieherei seit einigen Jahren jedes Jahr zu Ostern zwei Osterkerzen an ein Hospiz in Jerusalem. Ein Pfarrer aus der Umgebung sponsert diese Kerzen. Zudem können die Rosenthaler Spezialaufträge abwickeln. "Wir können auch in kleinen Stückzahlen Kerzen fertigen, die sich für eine große Firma nicht lohnen würden", sagt Jörg Weber. Der Auftrag mit der größten Aufmerksamkeit ist aber Jahr für Jahr ein anderer: Seit es die Dresdener Frauenkirche wieder gibt, wird hier in Rosenthal die Osterkerze gefertigt.

Von Markus Kremser