Standpunkt

Warnung: Erstkommunion wird zum inhaltsleeren Ritual!

Veröffentlicht am 17.04.2023 um 00:01 Uhr – Von Katharina Goldinger – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Erstkommunion ist für viele ein Eintauchen in eine Sonderwelt. Eine reflektierte Auseinandersetzung mit dem Glauben gebe es fast nicht, kommentiert Katharina Goldinger. Das müsse sich ändern, sonst werde das Fest zum inhaltsleeren Ritual.

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Vergangene Woche kritisierte der Psychiater Harald Dreßing die Kinderbeichte im Erstkommunionalter aus entwicklungspsychologischer Sicht als ungeeignetes Format, das Gefahr laufe, inhaltsleeres Ritual zu sein. Ähnlich ungeeignet erscheint mir die Spendung der Erstkommunion in Alter von neun Jahren, auch wenn der weiße Sonntag ohne Zweifel für Erstkommunionkinder und deren Familien ein Höhepunkt des Jahres ist. 
Für mich selbst bedeutete meine Erstkommunion erlebbare Initiation: Während ich bis dahin zu den "Kleinen" zählte, fühlte ich mich mit dem Tag der Erstkommunion aufgenommen in die Welt der "Großen" und ihrer Sonntagsrituale. Ausdruck fand dieses Erleben in sehr (lebens)weltlichen Dingen, von denen eines besonders wichtig war: Ich durfte Lackschuhe tragen, die auf dem Fliesenboden klackerten, wie die meiner Mutter. Es war mir ein Fest, das Großwerden!

Mit Gott hatte die Feier der Erstkommunion wenig zu tun – zumindest nicht in dem Sinn, dass ich mich explizit mit seiner Gegenwart in Brot und Wein auseinandergesetzt hätte. Allerdings: Im Fest des Dazugehörens – und das war unter den gegebenen Umständen religiöser Sozialisation durch den Empfang der Hostie beim Kommuniongang markiert – wurde durchaus Gottesgegenwart für mich erlebbar.
Heute bedeutet Erstkommunion für die überwiegende Mehrheit der Kinder nicht, endlich "mitmachen" zu dürfen bei einem gemeinschaftsstiftenden Ritual, das sie bis dahin wöchentlich als Zaungäste beobachten. Es bedeutet vielmehr, etwas zu tun, was kaum einer der "Großen" regelmäßig tut. Die Erstkommunion ist damit temporäres Eintauchen in eine Sonderwelt oder einmaliges Ereignis. Eine reflektierte Auseinandersetzung mit Realpräsenz ist im Alter von neun Jahren heute sicher ebenso wenig gegeben, wie sie es für mich war.

Was bleibt? Und wie kann trotzdem Gottesgegenwart erlebbar werden? Sinnvoll ist sicher die Konzentration auf die Gemeinschaft (communio) einerseits und die Feier der Wendepunkte im Leben andererseits. Diese Bedeutungsebenen kann jedes Kind verstehen – ganz im Gegensatz zur Realpräsenz Christi in Brot und Wein. Erstkommunionkatechese muss heute also darauf zielen, gemeinsam mit Kindern und Familien, die man kennt, neue Rituale zu entwickeln, die Gemeinschaft im Fest, im Essen und Trinken, in besonderer Kleidung, im Lachen und Tanzen erlebbar machen. Das ist schwer im traditionellen Setting des Kirchenraums, in Großpfarreien und mitten hinein in die ohnehin vollgeplanten Familienkalender. Ich bin aber der Meinung, dass es lohnt: Ähnlich wie die Kinderbeichte wird die Feier der Erstkommunion im Grundschulalter sonst auch zum inhaltsleeren Ritual.

Von Katharina Goldinger

Die Autorin

Katharina Goldinger ist Theologin und Pastoralreferentin im Bistum Speyer, Religionslehrerin an einem Speyerer Gymnasium und Ansprechperson für den Synodalen Weg im Bistum Speyer. Sie ist sehr gerne in digitalen (Kirchen-)Räumen unterwegs und ehrenamtlich im Team der Netzgemeinde da_zwischen aktiv.

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.