Burger: Dass Zollitsch so gehandelt hat, kann ich nicht verstehen
Der Bericht zu Missbrauch im Erzbistum Freiburg hat Strukturen des jahrelangen Vertuschens offengelegt. Im Interview erklärt Erzbischof Stephan Burger, welche Schlüsse die Kirche aus der Studie ziehen sollte.
Frage: Herr Erzbischof, was ist für Sie das wichtigste Ergebnis des Berichts zu sexualisierter Gewalt durch Priester im Erzbistum Freiburg?
Burger: Dass der Bericht schonungslos aufdeckt, welche fatalen Folgen es hat, wenn Macht und Entscheidungsgewalt in den Händen weniger liegt – einer kleinen, verschworenen Gruppe. Das darf nicht sein - gerade dann nicht, wenn es wie bei Missbrauch und sexualisierte Gewalt um das Schicksal von Menschen geht.
Frage: Was folgt aus der Studie?
Burger: Wir werden alle im Bericht erarbeiteten Verbesserungsvorschläge gewissenhaft prüfen. Zum Beispiel darf es nicht sein, dass Täter unter dem Radar abtauchen und verhängte Auflagen nicht mehr erfüllen. Wir werden auch prüfen, ob es vielleicht noch zusätzliches Personal und zusätzliche Expertise in dem Bereich braucht.
Frage: Wie bewerten Sie die Ausführungen zu Ihrem Amtsvorgänger Robert Zollitsch?
Burger: Dass er so gehandelt hat und über Jahre Kirchenrecht missachtet hat, kann ich nicht verstehen. Zumal er als Bischofskonferenz-Vorsitzender bei anderen stets angemahnt hat, die Richtlinien und Gesetze einzuhalten.
Frage: Wie konnte er das Leid der Opfer ignorieren?
Burger: Wenn ich um das Leid der Opfer weiß und es wirklich an mich heranlasse, kann ich die Augen eigentlich nicht verschließen.
Frage: Sie tragen jetzt auch bundesweit bei der Missbrauchsaufarbeitung in der katholischen Kirche Verantwortung. Was sind dort die nächsten Herausforderungen?
Burger: Im Grunde geht es immer um die Frage von Machtkontrolle. Wie gelingt es, dass wir uns als Kirche wirklich kontrollieren lassen. Wie geschieht transparente Aufarbeitung. Ein weiterer Baustein dazu ist der geplante neue Expertenrat. In diesem neuen Gremium sollen ab 2024 Fachleute von außen einen kritischen und unverbrauchten Blick auf unsere Abläufe bei Vorbeugung und Aufarbeitung werfen. Es wird auch darum gehen, immer wieder neu auf Verbesserungsvorschläge der Betroffenenvertreter einzugehen.
Frage: Kirche verwendet viel Energie und Geld für Aufarbeitung – wie sehen Sie dies in anderen Gesellschaftsbereichen – etwa im Sport?
Burger: Es gibt überall viel Arbeit. Eine Gesellschaft muss allen Betroffenen gleichermaßen gerecht werden, egal wo sie sexualisierte Gewalt erfahren haben: in Vereinen, im Kulturbereich, im Bildungswesen, in Schulen, im Sport oder in Familien. Vielleicht können wir als katholische Kirche sogar unser in den vergangenen Jahren erworbenes Fachwissen einbringen, wenn das gewünscht ist.