Wie Klöster für die Gesellschaft erhalten werden können
Das Kloster Schlehdorf liegt landschaftlich sehr reizvoll: 30 Kilometer entfernt von Garmisch-Partenkirchen überragt der eindrucksvolle Barockbau die kleine ländliche Gemeinde am Kochelsee mit ihren etwa 1.300 Einwohnern. Bis zur Säkularisation erst Benediktinerkloster, dann Kollegiatstift, haben die Missions-Dominikanerinnen von Qonce seit 1904 den Ort geprägt. Diese Zeiten sind vorbei, die Schwestern wurden weniger und älter – das imposante Kloster gibt es immer noch. Eine Herausforderung, für Orden wie Gesellschaft.
"Das ganze Dorf war immer wieder bei uns zu Gast, wir waren der Mittelpunkt der örtlichen Gesellschaft", beschreibt Schwester Josefa Thusbaß die Bedeutung des Klosters für die Gemeinde: Bildungsangebote in den Klosterräumlichkeiten, Jugendarbeit, Firm- und Kommuniongruppen, nicht zuletzt war das Kloster durch die angeschlossenen Betriebe auch ein wichtiger Arbeitgeber, bei so einem kleinen Dorf sogar ein bedeutender. "Außerdem", ergänzt Schwester Josefa mit einem Schmunzeln, "hatten wir hier in der Landwirtschaft immer den Zuchtbullen für die Landwirte des Dorfes." Das Kloster Schlehdorf war und ist ein Identifikationspunkt der Menschen in der Gemeinde.
An dem Kloster hing – wie bei vielen anderen auch – noch eine Menge dran: Schulen und landwirtschaftliche Betriebe, eine Krankenstation. Schwierig wurde es, als die Schwestern immer weniger wurden. Der Trend hält seit Jahrzehnten an: Gab es 2001 noch mehr als 30.000 Ordensfrauen in Deutschland, sind es heute keine 12.000 mehr – und davon sind mehr als 80 Prozent über 65 Jahre alt. Bei den Männern sieht es nicht anders aus – das Ordensleben in Deutschland ist auf dem Rückzug.
Bis das System nicht mehr überlebensfähig war
Das Kloster in Schlehdorf reagierte, wie es viele andere Klöster auch tun: Was nicht mehr von Schwestern getragen werden konnte, wurde nun von Angestellten übernommen. Die Verantwortung blieb bei den weniger werdenden Schwestern, verteilte sich auf immer weniger, immer ältere Schultern. Bis das System dann irgendwann nicht mehr rentabel und damit überlebensfähig war.
Wie soll es nun weitergehen? Diese Frage zu beantworten ist gar nicht so einfach. "Wir stehen da in Deutschland noch ganz am Anfang", sagt Kulturmanagerin Ulrike Rose, Vorsitzende des Vereins "Zukunft Kulturraum Kloster". Denn egal, welche Schritte man geht, braucht es viele Verwaltungsakte. Manche Klöster wie das Kloster Hegne am Bodensee haben ihre Klosterbetriebe (in diesem Fall das Hotel und die Schule) in Stiftungen eingebracht. Doch auch das Kloster aus der Hand geben? "Wegen des emotionalen Wertes schrecken manche Gemeinschaften davor zurück", so Rose. Außerdem gelte: "Eine Stiftung baut sich nicht von heute auf morgen auf."
Nicht selten läuft es momentan noch so, dass viele Klöster ihr Schrumpfen unter den Teppich kehren. Irgendwann kann sich das Kloster dann nicht mehr halten, die Gemeinschaft löst sich auf und das Gebäude wird verkauft und beispielsweise zu privaten Wohnungen umgebaut – wenn nicht sogar abgerissen. Für Rose die ungünstigste aller Möglichkeiten: "Es gibt europaweit einige Beispiele, wie es anders gehen kann und etwas von dem gesellschaftlichen und spirituellen Erbe eines Klosters erhalten bleibt."
Niederlande als Vorbild
Die eindrücklichsten Beispiele stammen vor allem aus den Niederlanden. Dort hat das Klostersterben bereits früher angefangen als hierzulande. Was dort heute an der Tagesordnung ist, wird für Deutschland wohl in etwa 10 Jahren eintreffen. Dort haben etwa in Oirschot in Brabant die Schwestern des dortigen Klosters ihre Räumlichkeiten bei der Renovierung Mitte der 1990er Jahre direkt in ein Altenheim umbauen lassen, in das sie selbst eingezogen sind. In der noch bestehenden Abtei St. Adelbert in Egmond-Binnen entstand ein Kunstprojekt zwischen Spiritualität und Gemeinschaftserleben, das die Menschen und die alte Ordensgemeinschaft mit einbezieht. Einige Ansätze gibt es auch schon in Deutschland: So wurde aus dem Kloster in Bruch ein Hospiz, im Kloster der Auerbacher Schulschwestern in Bamberg eröffnete eine (von Schwestern betriebene) Zahnarztpraxis.
Viele dieser Transformationsprozesse haben für die betroffene Klostergemeinschaft mit Abschieden zu tun. "Doch je früher man anfängt, sich mit der eigenen Zukunft zu beschäftigen, desto mehr hat man sie noch in der Hand", sagt Schwester Josefa. Sie ist mit 23 Mitschwestern aus dem Kloster Schlehdorf aus- und in einen Neubau eingezogen, der von Anfang an altersgerecht und barrierefrei konzipiert wurde. Das historische Klostergebäude wurde an eine Wohnungsbaugenossenschaft verkauft, die dort Zimmer im Rahmen des sogenannten Clusterwohnens, also einer gemeinschaftlichen Wohnform, vermietet sowie Ateliers und Büros eingerichtet hat. Im Kloster Schlehdorf sind die Schwestern also nur noch zu Besuch.
Ob eine Gemeinschaft in ihrem Gebäude bleiben kann oder ausziehen muss, hängt von verschiedenen Faktoren ab: Wie viele Schwestern sind es noch, haben sie das Geld, einen Eigenanteil an der Renovierung zu leisten – und lohnt sich das? "Am Ende liegt es immer an den Verhandlungen mit den Nacheigentümern, ob diese zum Beispiel das Kloster günstiger erwerben können, im Gegenzug die Schwestern beispielsweise ein lebenslanges Wohnrecht erhalten", erklärt Rose.
Last von den Schultern genommen
Die Schwestern in Schlehdorf sind allerdings froh um die gefundene Lösung: "Da ist uns eine große Last von den Schultern genommen worden", sagt Schwester Josefa. Denn die Suche nach dieser Lösung hat sich hingezogen: Zuerst hatten die Schwestern an eine kirchliche Nachnutzung gedacht, doch das Erzbistum München und Freising war nicht interessiert. Auch karitative Träger wollten die repräsentative Anlage, größtenteils aus dem 18. Jahrhundert, nicht haben. Mit einer Wohnungsbaugenossenschaft konnten die Schwestern dann aber immerhin ihren Gemeinschaftsgedanken bei der Nachnutzung umsetzen.
So ein schönes Kloster – und keiner will es? Das liegt an den vielen rechtlichen Auflagen. Große, unter Denkmalschutz stehende Immobilien lassen sich unter den momentanen Pflegesätzen und Sicherheitsanforderungen (größter Posten ist mittlerweile der Brandschutz) nicht kostendeckend etwa als Altenheim betreiben, sagt Rose. "Und die verfasste Kirche will sich diese zusätzlichen Verpflichtungen oft auch nicht mehr aufbürden. Sie steht selbst vor großen Aufgaben mit dem eigenen Gebäudebestand." Dabei bieten sich aber vor allem bei Klöstern in Innenstädten aufgrund der Begehrlichkeit des Wohnungsmarktes große Chancen für neue (Mit-)Nutzungen.
Der Tipp, den Rose deshalb immer parat hat für Ordensgemeinschaften: "Sprechen Sie so früh wie möglich mit Bürgermeistern und Landräten darüber, dass Sie sich verändern müssen." Dann ließen sich strategische Partnerschaften bilden – je nach Ort mit sozialen Trägern, Kultureinrichtungen oder der öffentlichen Hand. So konnte etwa eine Schule in Oberbayern auf einen Neubau verzichten, weil sie ein Klostergebäude beziehen konnte.
Leitbild für gute Nachnutzung
Wichtig ist, dass eine Lösung zu der Klostergemeinschaft passen muss. Die alte Klosterkirche als Kletter- oder Turnhalle? Das ist nicht für jeden etwas. Denn eine Kirche ist nicht selten der Raum, der am schwierigsten neu genutzt werden kann. Auch die Kapelle im Kloster Schlehdorf wurde profaniert, sie ist in der Umbauphase eine Abstellkammer. Die große, prächtige Klosterkirche dient seit der Säkularisierung als Pfarrkirche, sie ist deshalb nicht betroffen. Es ist also auch emotional wichtig, für die eigene Kapelle oder Kirche eine tragbare Entscheidung zu treffen. "Das geht am besten mit einem Leitbild, möglichst nicht mehr als eine Seite lang", so Rose. Darauf stünden wichtige Werte und Eckpunkte, was sich die Gemeinschaft für die Zukunft ihrer Gebäude und Liegenschaften vorstellt. "Damit können die Schwestern abgleichen, wer und was zukünftig zu ihnen und ihren Mutterhäusern und Abteien passt."
Aus dem Pfarralltag gibt es da mit Blick auf Kirchen schon erfolgversprechende Beispiele. So wird in St. Ingbert aus der ehemaligen St.-Hildegard-Kirche die Aula der angrenzenden Schule, in Münster wurde aus der Christ-König-Kirche ein Wohnangebot für Wohnungslose über 65 Jahren. Beides sehr schonende Lösungen, in den Niederlanden geht man dagegen mit Jugendherbergen oder Kneipen in alten Kirchen zum Teil deutlich weiter.
Die Frage, was mit Klöstern bei weniger werdenden Ordensleuten geschehen soll, steckt in Deutschland noch in den Kinderschuhen. Dabei wird es bei den rasant fallenden Zahlen immer virulenter, ob Klostergebäude lediglich als steinerne Gebilde verkauft oder auch für die Gesamtgesellschaft gewinnbringend nachgenutzt werden können. Die Beispiele aus den Niederlanden zeigen: Möglichkeiten gibt es viele. Welche davon auch mit den Intentionen der Ordensgemeinschaften vereinbar sind, muss sich jedes Kloster selbst fragen.