Forderung nach behindertengerechtem Pflaster

Ein Platz für alle? Gerichtsstreit um das Kloster Einsiedeln

Veröffentlicht am 10.05.2023 um 00:01 Uhr – Von Wolfgang Holz (KNA) – Lesedauer: 

Einsiedeln ‐ Der Einsiedler Klosterplatz ist ein heißes Pflaster. Eine gehbehinderte Privatperson verlangt, dass der ganze Platz einen behindertengerechten Belag erhält. Sie will den Fall sogar vor das Schweizer Bundesgericht bringen.

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Das Kloster Einsiedeln gehört zu den wichtigsten Barockklöstern Europas. Auch die Gnadenkapelle mit der Figur einer Schwarzen Madonna zieht viele Pilger, Kunst- und Kulturinteressierte aus aller Welt an. Das Kloster im Kanton Schwyz ist Etappenort des Jakobswegs. Doch es ist derzeit auch Ort eines Rechtsstreits – und eines Baustopps.

Die überwiegende Fläche des unteren Einsiedler Klosterplatzes soll mit ungeschliffenen Flusskieseln gepflastert werden. So sieht es ein Kompromiss zwischen Behörden, Kloster und Denkmalpflege vor. Doch dagegen haben zwei Behindertenorganisationen sowie zwei Privatpersonen geklagt. Für sie stellt dieser Belag für den "Platz im Platz" rund um den Liebfrauenbrunnen ein kaum zu überwindendes Hindernis dar.

Das Schwyzer Verwaltungsgericht urteilte in erster Instanz abschlägig; der Flusskiesel-Plan sei in Ordnung, da eine Überquerung des Platzes auf Bahnen mit ebenem Belag möglich sei. Drei der Klägerparteien akzeptierten das Urteil. Doch eine der Privatpersonen will in Berufung gehen und die Sache vor das Schweizer Bundesgericht in Lausanne tragen; es gehe um die gesetzlich garantierten Rechte von behinderten Menschen. Und diese Rechte müssten auch auf dem Unteren Klosterplatz in Einsiedeln gewährt werden.

Ganzer Platz soll behindertengerecht werden

"Wenn ich jetzt meinen jahrelangen Kampf für einen behindertengerechteren Klosterplatz beende, würde ich mich bis an mein Lebensende darüber ärgern", sagte die betreffende Person dem Portal kath.ch. Sie fordert, der ganze Platz müsse künftig behindertengerecht mit geschliffenen Flusskieseln gepflastert werden – und nicht nur, wie es ein behördlicher Kompromiss vorsieht, auf gewissen Bahnen.

Dass die anderen Kläger dem Widerstand der Privatperson nicht folgen und das Urteil des Verwaltungsgerichts hinnehmen, führt sie darauf zurück, dass sie im Fall einer Niederlage vor dem Bundesgericht zum einen wohl die Gerichtskosten scheuten. Zum anderen fürchteten sie wohl die Gefahr, dass das Bundesgerichtsurteil zum Klosterplatz wegweisend für andere Streitfälle werden könnte – zulasten von Interessen von Menschen mit Behinderung.

„Auch für die rollstuhlgängige Rampe im Abteihof bin ich dankbar, die zu einem neuen Lift führt, der gehbehinderten Menschen den Zugang zu diesem alten barocken Haus ermöglicht.“

—  Zitat: Urban Federer

Unterm Strich seien diese "betrogen" worden, so die Privatperson. Sie beruft sich auf einen Kompromiss von 2018. Damals hätten Kloster, Denkmalpflege und Bezirk auch ihr persönlich zugesichert, den ganzen Platz mit hindernisfrei geschliffenen Flusssteinen zu pflastern. Im Gegenzug habe sie eine Beschwerde gegen die neu geplanten, für Menschen im Rollstuhl unüberwindbaren Treppen am unteren Ende des Klosterplatzes zurückgezogen. Der einseitige Bruch dieses Kompromisses sei auch ein Vertrauensbruch.

Spenden gesammelt

150.000 Franken Spenden habe sie als Privatperson für eine hindernisfreie Erneuerung des Klosterplatzes gesammelt. Nun habe das Kloster etwa diese Summe anderweitig verbaut: für den auf dem "Platz im Platz" notwendigen provisorischen Belag. Die Klägerpartei verweist darauf, dass auf dem bereits fertiggestellten Klosterplatz vor der Stiftskirche 99 Prozent aller Besucher auf dem hindernisfreien Weg mit den geschliffenen Flusskieseln gingen – und nicht auf den unbehauenen Steinen nebenan. Dies müsse auch wegweisend sein für den "Platz im Platz" rund um den Liebfrauenbrunnen.

Abt Urban Federer sagte auf Anfrage von kath.ch, da die Causa um den Vorplatz am Marienbrunnen vor das Bundesgericht komme, könnten sich Kloster und Bezirk Einsiedeln derzeit nicht dazu äußern. Doch über den Platz vor der Klosterfront und den großzügigen barrierefreien Zugang zur Kirche zeigt er sich erfreut. "Auch für die rollstuhlgängige Rampe im Abteihof bin ich dankbar, die zu einem neuen Lift führt, der gehbehinderten Menschen den Zugang zu diesem alten barocken Haus ermöglicht", so der Abt.

Das finanzielle Risiko der Gerichtskosten trägt die Privatperson als letzte Klagepartei nun allein. Ihre Chancen schätzt sie mit 50:50 ein. "Wenn ich den Prozess verliere, dann verlieren alle Menschen", sagt sie – "auch jene ohne Behinderung. Die können nämlich selbst jederzeit zu Menschen mit Behinderung werden – spätestens im Alter."

Von Wolfgang Holz (KNA)