Auch der heilige Rumold macht an diesem Tag einen Ausflug

Buntes Spektakel: Die Hanswijk-Prozession in Mechelen feiert Jubiläum

Veröffentlicht am 13.05.2023 um 12:24 Uhr – Von Alexander Brüggemann (KNA) – Lesedauer: 6 MINUTEN

Mechelen ‐ Es sind bunte Brauchtumsmomente, die die oft triste Realität der kirchlichen Gegenwart aufhellen. In Mechelen bei Brüssel steht so ein Moment an: Die Hanswijk-Prozession erinnert seit 750 Jahren an eine Befreiung aus Not.

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Deutschland rühmt sich der Vielzahl seiner Festumzüge – mit Recht: Jahrhunderte alte religiöse Prozessionen zu Wasser, zu Land und zu Pferd, Passionsspiele und natürlich die vielen regionalen Traditionen im Straßenkarneval. Unser kleines Nachbarland Belgien steht uns jedoch in dieser Vielfalt keineswegs nach. Für den 14. Mai steht wieder ein buntes Spektakel an: die Hanswijk-Prozession im flandrischen Mechelen unweit von Brüssel.

Die Belgier lieben ihre Prozessionen, bei denen sich religiöse Motive und weltliche Legenden und Figuren seltsam verweben. Da gibt es das Katzenfest mit Hexenverbrennung in Ieper (Ypern), alle drei Jahre im Mai; den jährlichen "Ommegang" im Juli auf der Grand-Place von Brüssel; das Waltraudsfest mit Drachenkampf in Mons (nach Pfingsten) oder das Fest der Riesen in Ath (August).

Maria wollte bleiben

Nun also die Hanswijk-Prozession mit über 1.000 Jahren Geschichte. Tausende Besucher auch von außerhalb werden in der 87.000-Einwohner-Stadt Mechelen nördlich von Brüssel erwartet, dem Sitz des belgischen Primas, Kardinal Jozef De Kesel – der als Schirmherr auch selbst die Festmesse zum Auftakt feiert.

Der religiöse Kern der Tradition: Die Überlieferung will, dass im Jahr 988 auf dem Flüsschen Dilje ein Schiff unterwegs war, das neben Handelswaren auch eine hölzerne Marienstatue an Bord hatte. Auf Höhe des Weilers Hanswijk lief das Boot auf Grund. Nach vergeblichen Versuchen, es wieder flott zu machen, wurde die Statue an Land gebracht – und plötzlich konnte das Schiff weiterfahren. Offenbar wünschte Maria, dort zu bleiben.

1272 litt Mechelen dann unter Kriegswirren und der Pest. In ihrer Verzweiflung beschlossen die Hanswijker, ihre Maria in die Stadt zu tragen. Beim Anblick der Menschenmenge bekamen die Bürger von Mechelen Angst und schlossen die Tore. Doch beim Gesang "Monstra te esse matrem" ("Zeig, dass du unsere Mutter bist") öffneten sie sich wundersam wieder. Nach überstandener Krise gelobte man, die Statue künftig alljährlich in einer Prozession durch die Stadt zu tragen. Dieses Versprechen, erstmals umgesetzt 1273, vor genau 750 Jahren, wird bis heute gehalten. Im diesem Jahr wird offiziell Jubiläum gefeiert.

Abschlussgebet der Hanswijk-Prozession in Mechelen
Bild: ©KNA/Alexander Brüggemann

Zum Abschlussgebet der Prozession versammeln sich die Gläubigen in der Basilika Unserer Lieben Frau von Hanswijk.

1738 – zum 750-Jahr-Jubiläum des Marienereignisses an der Dilje von 988 – wurden erstmals Jubelfeiern mit einer sogenannten Kavalkade (Reiterzug) organisiert, einem historisch-religiösen Umzug mit Pferden und barocken Prunkwagen. Dieser noch feierlichere Ablauf – eine regelrechte Tour de force durch die Bibel, beginnend mit der Schöpfung, dann den Berufungen von Abraham, Moses und Maria, Geburt, Berufung Jesu, Tod und Auferstehung, Petrus und Paulus – findet bis heute nur alle 25 Jahre statt; zuletzt 2013, damals mit Hunderten Darstellern und Tieren und in Anwesenheit des designierten Königspaares Philippe und Mathilde.

Seit 1838 beteiligt sich außer der Kirche auch die Stadt selbst. Sie schiebt dann ihrerseits diverse eigentümliche Riesenfiguren auf die Rampe: eine allegorische Familie mit Eltern, drei Kindern und Großvater sowie das sagenhafte Streitross Beiaard mit den vier sogenannten Haimonskindern in Legionärsrüstung. Der ganze Tross der "Kavalkade" steht mittlerweile auf der Liste des Unesco-Weltkulturerbes.

Wer war Rumold?

Die alljährliche Prozession am Sonntag ist zwar deutlich kleiner als diese "Kavalkade". Dennoch darf man sich nach der Pandemie nun zum zweiten Mal wieder auf eine große Farben- und Kostümpracht freuen. In der Corona-Zeit fand der Umzug nur als Online-Gebet statt.

Nur einmal im Jahr, am Hanswijk-Tag, macht dann auch der heilige Rumold einen Ausflug, darf hinaus ins Grüne. Dann verlässt der Schutzpatron der Stadt und des Hauptstadt-Erzbistums Mechelen-Brüssel seine Nische im Hochaltar der Kathedrale und zieht mit der Prozession, der Figur der Jungfrau von Hanswijk und der Gilde der Carillonneurs (Glockenspieler) durch die Altstadt und am Flüsschen Dijle vorbei.

Wer war der heilige Rumold von Mechelen? Schon sein Name ist von europäischer Vielfalt: Auch Rumbold oder Romuald genannt, heißt er auf Niederländisch Rombout, auf Englisch Rumbold, auf Französisch Rombaut. Zuverlässige Quellen über sein Leben gibt es nicht. Die ersten legendarischen Nachrichten stammen aus dem 11. Jahrhundert.

Der Schrein des heiligen Rumbold (niederländisch Rombouts) in der Rombouts-Kathedrale in Mecheln (Belgien)
Bild: ©KNA/Alexander Brüggemann

Der Schrein des heiligen Rumold (niederländisch Rombouts) in der Rombouts-Kathedrale in Mechelen.

Trotz seines sächsischen Namens – ein Komposit der althochdeutschen Wörter für "Ruhm" und "herrschen" – kennt ihn eine (sehr unwahrscheinliche) Legende auch als Sohn eines schottischen Königs; eine andere als Bischof von Dublin (oder Dunblane in Schottland), wo er sein Amt niedergelegt habe und zur Missionsreise aufgebrochen sei. Der Abt und Hagiograph Theoderich von St. Truiden schrieb Anfang des 12. Jahrhunderts – also rund 300 Jahre nach Rumolds Tod –, der Heilige stammte aus "Scotien"; möglich, dass er bei den Angelsachsen geboren und in einem schottischen Kloster in Irland erzogen wurde.

Jedenfalls soll Rumold im Zuge der angelsächsischen Mission von Britannien nach Flandern gekommen sein und zusammen mit den heiligen Bonifatius, Lambert von Maastricht, Liafwin und Willibrord als Glaubensbote gewirkt haben. In Flandern wird er auch als Mitgründer des Klosters Lier genannt.

In ganz Flandern verbreitet

Seine letzte Lebensstation jedenfalls war wohl die Gegend um Mechelen, wo er als Einsiedler lebte, 775 von Räubern erschlagen und in den Fluss geworfen wurde. Der örtliche Graf persönlich, so heißt es, habe den Leichnam herausgeholt und aufbahren lassen. Rumolds Feiertag wird am 24. Juni begangen. 1580 wurden seine Reliquien von calvinistischen Truppen und englischen Söldnern im Achtzigjährigen Krieg zerstreut, doch von Erzbischof Johannes Hauchinus angeblich wieder zusammengeführt.

1639 wurden die Gebeine in der nach ihm benannten Rombouts-Kathedrale beigesetzt, aufbewahrt in einem kunstvollen goldenen Schrein hinter dem Hochaltar. In ganz Flandern ist sein Patrozinium verbreitet. Rumolds Attribute sind das Bischofsornat, Axt und Sense.

16 Männer und Frauen braucht es, um den kostbaren Rumold-Schrein durch die Straßen der Stadt zu tragen. Der Rückweg von der Hanswijk-Basilika zur Kathedrale ist dann wesentlich kommoder: Ein LKW befördert die heilige Last in wenigen Minuten.

Von Alexander Brüggemann (KNA)