Schuld und Versöhnung – Pfingsten als Option
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"Denk mal drüber nach was passieren würde, wenn wir einander die Sünden nicht vergeben würden." Dieser Satz eines Freundes lässt mich die Texte von Pfingsten andersherum lesen: Vom letzten Satz des Evangeliums bis hin zum ersten Satz der Lesung.
Was wäre, wenn die Jünger und Jüngerinnen die zweite Option gewählt hätten und wir das auch täten: "Denen ihr sie (die Sünden) behaltet, sind sie behalten"?
Wir würden uns selbst nicht verzeihen. Dann würden wir uns in Selbstvorwürfen verhärten. Wir würden aus Angst vor weiteren Fehlern keine neuen Aufgaben und keine Verantwortung übernehmen. Unsere Charismen würden wir nicht entwickeln. Wir wären vor lauter Kreisen um uns selbst nicht mehr offen, nicht mehr empathisch. Wozu da noch den anderen verstehen können? Wenn wir einander nicht mehr verzeihen würden, dann gäbe es keine Beziehung mehr, keine Liebe – nur verhärtete Fronten, immer tiefere Gräben. Wir würden aufhören, miteinander zu reden, wollten die Sprache des/der anderen gar nicht mehr sprechen. Wir würden uns abgrenzen nach Geschlecht, Rasse, Nationalität, würden einander die Fehler generationsmäßig vorrechnen: "Der war schon immer so, genauso wie seine Mutter und die Urgroßeltern!" Und wie wäre es, wenn Gott uns nicht verzeihen würde? Wir wären (wie) tot – unbeweglich gefangen in unserer Schuld, hoffnungslos verheddert im begrenzten eigenen Menschsein. Ohne dieses neue Anhauchen des Schöpfers, wie damals bei der Erschaffung der Welt, könnten wir nicht immer wieder neu wachsen, Grenzen überschreiten, neue Menschen werden und die Sünden, die uns trennen, auf Gott hin überwinden.
Im Jugendpastoralen Zentrum gestalten wir für Firmlinge einen Abend zum Thema "Schuld und Versöhnung". Die Jugendlichen setzen sich hier in verschiedenen Stationen und im Austausch mit sich selbst und ihren schwierigen Seiten auseinander, der Abend endet mit einem Ritual und der Eucharistiefeier. Zentrales Element des Abends ist ein Gespräch zu dem Erlebten und dem Erkannten – das kann ein Beichtgespräch sein, das kann ein seelsorgerliches Gespräch mit einem unserer Teamer:innen, junge Erwachsene, sein. Die Jugendlichen erfahren konkret, warum so ein Gespräch über die eigenen Fehler wichtig sein kann: Weil es befreit, weil es ermöglicht, wieder neu auf die Freundin, den Freund oder die Eltern etwa zuzugehen. Weil erst mit dem Neuanfang wieder die Gemeinschaft, die Eucharistie, möglich ist. Erst, wenn wir von der Last befreit sind und einander wieder in die Augen schauen können, können wir wieder eine Gemeinschaft, ein Leib, sein.
Und so ist eine Kirche, die als ein zentrales Element ihres Glaubens die Sündenvergebung hat, eine Kirche, die Freiheit ermöglicht. Weil sie uns Möglichkeiten einräumt, loszulassen von dem, was uns belastet – im Sakrament, in seelsorgerlichen Gesprächen und Liturgien. Weil sie, die Kirche, will, dass wir als freie, souveräne, neue Menschen immer wieder neu aufeinander und auf Gott zuzugehen. Das ist Freiheit und das ist der Heilige Geist, der uns immer wieder neu erschafft!
Lesung aus der Apostelgeschichte (Apg 2, 1–11)
Als der Tag des Pfingstfestes gekommen war, waren alle zusammen am selben Ort. Da kam plötzlich vom Himmel her ein Brausen, wie wenn ein heftiger Sturm daherfährt, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen.
Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich verteilten; auf jeden von ihnen ließ sich eine nieder. Und alle wurden vom Heiligen Geist erfüllt und begannen, in anderen Sprachen zu reden, wie es der Geist ihnen eingab.
In Jerusalem aber wohnten Juden, fromme Männer aus allen Völkern unter dem Himmel. Als sich das Getöse erhob, strömte die Menge zusammen und war ganz bestürzt; denn jeder hörte sie in seiner Sprache reden. Sie waren fassungslos vor Staunen und sagten: Seht! Sind das nicht alles Galiläer, die hier reden? Wieso kann sie jeder von uns in seiner Muttersprache hören:
Parther, Meder und Elamíter, Bewohner von Mesopotámien, Judäa und Kappadókien, von Pontus und der Provinz Asien, von Phrýgien und Pamphýlien, von Ägypten und dem Gebiet Líbyens nach Kyréne hin, auch die Römer, die sich hier aufhalten, Juden und Proselýten, Kreter und Áraber – wir hören sie in unseren Sprachen Gottes große Taten verkünden.
Evangelium nach Johannes (Joh 20,19–23)
Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch!
Nach diesen Worten zeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch.
Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.
Die Autorin
Sr. Birgit Stollhoff CJ gehört dem Orden Congregatio Jesu (auch bekannt als Mary-Ward-Schwestern) an, ist Leiterin des Jugendpastoralen Zentrums "Tabor" in Hannover und macht derzeit daneben die Ausbildung zur Pastoralreferentin im Bistum Hildesheim.