Klosterimkerin: Ich bete auch für die Bienen
Schon als Kind hat Schwester Hiltrud Wachter ihrem Vater gerne bei den Bienen geholfen. Dass die Franziskanerin und gelernte Altenpflegerin eines Tages selbst einmal Imkerin im Kloster werden würde, hätte sie sich nicht gedacht. Seit 13 Jahren betreut die heute 72-jährige Ordensfrau nun die Bienenstöcke im Garten des Klosters Reute und erntet den Honig. Im Interview verrät sie, wofür sie den Honig verwendet und warum sie für die Bienen betet.
Frage: Schwester Hiltrud, Sie sind die Bienenschwester von Reute? Stimmt das so?
Schwester Hiltrud: Ja, meine Mitschwestern oder Besucher und Gäste rufen mich manchmal so. Obwohl eigentlich die Bienen die Hauptaufgabe machen. Sie bestäuben Obst, Gemüse und unsere Kulturpflanzen und stellen den Honig her. Ich betreue sie nur als Imkerin.
Frage: Wie kamen Sie zu dieser Aufgabe?
Schwester Hiltrud: Schon als Kind durfte ich meinem Vater bei den Bienen helfen. Ich habe gerne die Waben in die Rahmen gemacht. Einmal bin ich beim Honigschleudern so von den Bienen gestochen worden dass ich zwei Tage nicht aus den Augen heraussehen konnte. Mein Vater hatte stechfreudige Bienen, eine schwarze Sorte. Aber Angst vor den Bienen hatte ich nie, aber Respekt. Früher war ich Altenpflegerin und in einigen Pflegeeinrichtungen und im Krankenhaus der Ordensgemeinschaft tätig. Als mich die Generaloberin eines Tages gefragt hat, ob ich mir vorstellen könnte, Imkerin des Klosters zu werden, war ich erst verhalten. Damals war ich 58 Jahre alt. Ich dachte mir: Vielleicht bin ich allergisch, dann muss ich es nicht machen. Aber so war es dann nicht. Ich mache die Arbeit bei den Bienen inzwischen sehr gerne. Mein Vater hatte mir sogar noch eigens sein Räuchergerät geschenkt, damit ich die Klosterbienen beruhige, wenn ich bei ihnen arbeite.
Frage: Wurden Sie trotzdem schon einmal von Ihren Bienen gestochen?
Schwester Hiltrud: Ja. Einmal habe ich nur schnell etwas am Bienenstock erledigen wollen und dann sind die auf mich losgegangen und haben mich gestochen. Das war heilsame Lehre. Jetzt weiß ich, wenn ich bei den Bienen arbeite, dann muss ich auch für innere Ruhe sorgen. Ich sage mir immer: Arbeite ruhig und umsichtig, dann ist es auch für die Bienen okay. Ich habe die Bienensorte "aps carnica". Normalerweise stechen die nicht so viel. Wenn es ein Gewitter gibt, lasse ich sie in Ruhe. Ansonsten komme ich mit diesen Bienen gut zurecht. Übrigens: Bienengift hat, wenn man nicht allergisch ist, eine positive Wirkung auf den Körper. Zum Beispiel senkt ein Bienenstich den Blutdruck, fördert die Durchblutung, sowie Cholesterin senkend und Blut verdünnend, wirkt gegen Bakterien,Viren und Pilze. Das weiß ich alles, weil ich auch eine Ausbildung zur Imkerin gemacht habe und im Imkerverein hier in der Region Bad Waldsee bin.
Frage: Wie viele Gläser Honig ernten Sie im Jahr?
Schwester Hiltrud: Es kommt ganz auf die Witterung und Klima an. Passt alles, kann mit einer guten Honigernte gerechnet werden. Normalerweise ernte ich zweimal im Jahr. Das sind dann zusammen bis zu 400 Kilo, also 800 Gläser Honig. Da kommt schon was zusammen bei etwa 18 Bienenvölker. Bei der Ernte helfen mir immer zwei Mitschwestern. Eine Honigwabe kann bis zu zwei Kilo und mehr schwer sein. Ich hole sie dann aus dem Bienenstock heraus und die beiden anderen Schwestern deckeln die Waben ab und füllen die Schleuder. Und dann schleudern wir den Honig aus der Wabe, denn dann in den Eimer abfließt. Das ist das edle Imkergold, das mein Imkerherz erfreut.
Frage: Mögen Sie denn Honig auch gerne?
Schwester Hiltrud: Oh ja, ich bin ein großer Honig-Fan. Ich schätze auch die anderen Bienenprodukte wie etwa Propolis. Schon als ich Altenpflegerin und Fußpflegerin war, habe ich gerne die Propolislösung verwendet. Das ist ein natürliches Antibiotikum, hergestellt von den Bienen. Auch bei Herpes wende ich Propolis an. Das ist etwas ganz Gutes. Auch der frische Wabenhonig ist gut gekaut, ein Naturkaugummi, ein Heilmittel für den Rachenraum. Ich sage immer: Ich tausche nur mit den Bienen. Sie geben mir ihren Honig und ich gebe ihnen dafür auch Honig im Abdeckelwachs zurück. Für die Bienen gebe ich nur das Beste, was ganz wichtig ist, nur den eigenen und keinen fremden Honig. Beim Einfüttern kommt in das Zuckerwasser immer etwas Salz. Dann ist das Futter nicht langweilig.
Frage: Verkaufen Sie den Klosterhonig auch?
Schwester Hiltrud: Nein. Eigenbedarf! Wir brauchen den Honig selbst für unser Kloster. Und wir brauchen viel Honig. Meine Mitschwestern freuen sich darüber. Sonntags und an Feiertagen oder Namenstagen gibt es zum Frühstück Honig. Nicht jeden Tag. Es gibt zwischendurch ein Jahr, da ist die Honigernte nicht so reichlich, dann ist es gut, noch Honig in Reserve zu haben. So wollen wir bewusst die Arbeit der Bienen wertschätzen. Allein eine Bienenkönigin kann bis zu vier oder fünf Jahre leben, viel länger als im Vergleich zu einer Arbeiterbiene.
Frage: Warum ist das so?
Schwester Hiltrud: Die Königin wird von den wenige Tage alten jungen Bienen, die das Gelee Royale in ihren Drüsen bilden können, ständig damit gefüttert. Dadurch wird sie groß und kräftig und kann bis zu 2.000 Eier am Tag legen. Nur das Gelee Royal, also das Futter allein macht sie zur Königin. Das gibt dann wieder ein kräftiges Bienenvolk, das sind bis zu 60.000 Bienen im Höhepunkt des Sommers, die da herumschwirren Ich wette, dass auch die englische Königin Elisabeth bis zu ihrem Tod dieses Gelee Royal gegessen hat. Daher wurde sie so alt und blieb so lange vital.
Frage: Wäre das auch was für Sie, so alt zu werden?
Schwester Hiltrud: Nein, nein. Außerdem ist das Gelee Royal sehr teuer. Ich habe immer welches hier in der Imkerei, um es den interessierten Menschen probieren zu lassen, die bei uns eine Führung durch den Bienengarten und Bienenhaus machen. Es ist schon etwas Edles und schmeckt leicht scharf und etwas säuerlich wie Joghurt.
Frage: Sind Sie dann mehr im Garten als im Kloster?
Schwester Hiltrud: Ausgewogen! Je nach Bedarf im Bienengarten und im Bienenhaus. Ich bin auch viel in der Kirche tätig, weil ich die Sakristanin im Kloster bin. Das heißt, ich muss vor dem Gottesdienst alles vorbereiten und danach wieder alles zurück räumen, alles bedarf der Pflege, die Kirche herrichten, die Altarwäsche machen und alles, was dazugehört. Da fällt immer etwas an. Ich sage immer, ich bin die Haushälterin beim lieben Gott. Die Bienen und die Kirche, das gehört und passt für mich gut zusammen.
Frage: Beten Sie auch für Ihre Bienen?
Schwester Hiltrud: Ja, ich habe im Bienenhaus ein Gebet für die Bienen aufgehängt. Das ist ein Bienensegen. Den bete ich immer, wenn ich ins Bienenhaus komme. Ich freue mich auch immer, wenn ich im Gottesdienst auch sonst eine Liedzeile oder Psalm entdecke, in denen die Bienen vorkommen. Auch in der Bibel werden die Bienen erwähnt, etwa bei Jesus Sirach heißt es: "Die Bienen ist ein kleines Vögelein und gibt doch die allerbeste Frucht." Ganz besonders freue ich mich in der Osternacht auf das Exsultet, das Loblied auf die Osterkerze. Darin wird der Fleiß der Bienen gelobt. Es ist für mich einfach faszinierend zu beobachten, wie die Bienen selbst aus Wachs eine sechseckige Zelle im Bienenstock bauen, so exakt und ohne ein Loch dazwischen. Für mich sind die Bienen Lehrmeisterinnen des Leben, was sie versprechen gilt für immer. Sie setzen sich füreinander ein und sind für die anderen da. Sie sind für mich auch ein Symbol für unsere Ordensgemeinschaft. Jede von uns hat in der Gemeinschaft ihre Aufgaben und Pflichten wie in einem Bienenstock. Wenn jede ihr mögliches tut, kann es gut funktionieren.
Frage: Habe Sie schon eine Nachfolgerin als Bienenschwester?
Schwester Hiltrud: Bislang nicht. Ich mache es noch selbst, solange ich kann. Ich bitte aber den Heiligen Ambrosius, den Schutzpatron der Imker, dass er mir eine Nachfolgerin schickt. Ich bin dabei, jüngere Mitschwestern für die Imkerei zu begeistern.