Johanna Gressung leitet das Bischöfliche Jugendamt in München

Jugendseelsorgerin: Versuche wachsam zu sein, ob Macht mich verändert

Veröffentlicht am 26.06.2023 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier – Lesedauer: 

München ‐ Johanna Gressung ist Diözesanjugendseelsorgerin und leitet das Erzbischöfliche Jugendamt in München und Freising. Früher war dieses Amt ausschließlich Priestern vorbehalten. Im Interview mit katholisch.de spricht die 30-jährige Pastoralreferentin über ihr Amt und die Aufgaben.

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Johanna Gressung wnurde im März zur neuen Geistlichen Leiterin des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend (BDKJ) im Erzbistum München und Freising gewählt. Seit 1. Juni leitet die 30-jährige Pastoralreferentin auch das Erzbischöfliche Jugendamt und die Abteilung Kinder- und Jugendpastoral im Erzbischöflichen Ordinariat in München. Früher war dieses Amt ausschließlich Priestern vorbehalten. Im Interview mit katholisch.de spricht die gebürtige Rheinland-Pfälzerin über ihre Wahl und ihre neue Aufgabe. 

Frage: Frau Gressung, herzlichen Glückwunsch zu Ihrer neuen Aufgabe. Sie sind die erste Frau als Diözesanjugendseelsorgerin im Erzbistum München und Freising. Freut Sie das persönlich?

Gressung: Ja, natürlich freue ich mich darüber. Ich finde allerdings, dass es heutzutage selbstverständlich sein müsste, dass Männer wie Frauen so ein Amt gleichwertig übernehmen können. Als die Stelle vor wenigen Monaten vom BDKJ MÜnchen und Freising ausgeschrieben und das erste Mal für weitere pastorale Berufsgruppen geöffnet wurde, klang das für mich sehr reizvoll. Ich dachte mir: Das ist etwas für mich, das traue ich mir zu. Ich engagiere mich schon so lange in der verbandlichen Jugendarbeit, daher passte es für mich. Als ich bei der Wahl dann die Mehrheit der Stimmen bekam, war ich überwältigt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Wir waren drei starke Kandidaten, zwei Theologinnen und ein Priester. Ich denke, jeder von uns hätte die Aufgabe wunderbar ausfüllen können.

Frage: Haben Sie Angst vor der neuen Aufgabe als Leiterin des Bischöflichen Jugendamtes und als Diözesanjugendseelsorgerin?

Gressung: Nein, Angst habe ich keine, aber Respekt davor habe ich schon, ja.

Frage: Für wie viele Mitarbeitende haben Sie nun Verantwortung im Erzbischöflichen Jugendamt?

Gressung: Es sind etwa 200 Mitarbeitende im Erzbischöflichen Jugendamt München, für die ich verantwortlich bin. Es gibt zusätzlich einen stellvertretenden Jugendamtsleiter, der im pädagogischen Bereich arbeitet. Mit ihm gemeinsam leite ich das Jugendamt.

Frage: Ihr Vorgänger war ein Priester. Hat er Ihnen einen Tipp mit auf dem Weg gegeben?

Gressung: Ja, Pfarrer Richard Greul war sechs Jahre lang Diözesanjugendpfarrer. Er hat mich in der Übergangszeit begleitet und mir einiges erklärt. Ich habe gespürt, dass er sich darüber freut, dass ich nun da bin. Es wird nun Gemeindepfarrer und geht in die Seniorenarbeit.

Frage: Was haben Sie sich vorgenommen, was möchten Sie vielleicht anders machen als Ihr Vorgänger?

Gressung: Ich weiß nur, dass ich nicht gleich alles ändern will. Ich komme von außen, daher fände ich es nicht passend, wenn ich jetzt sofort alles umkrempeln würde. Ich möchte erstmal kennenlernen, zuhören und nachfragen. Mir ist es wichtig, dass wir gemeinsam schauen, was wir für die jungen Menschen machen können. Ich möchte für Kinder und Jugendliche katholisch, politisch, aktiv sein und so die Hoffnung, die uns erfüllt, die Frohe Botschaft Jesu lebendig machen.

Frage: Wie viele junge Menschen haben Sie als Diözesanjugendseelsorgerin in München im Blick?

Gressung: Es sind rund 102.000 Kinder und Jugendliche im Erzbistum München, die ich als geistliche Verbandsleiterin vertrete.

Bild: ©Robert Kiderle Fotoagentur

Johanna Gressung ist die erste Diözesanjugendseelsorgerin des Erzbistums München und Freising. Kardinal Reinhard Marx hatte sie bei einem Gottesdienst ins Amt eingeführt und ihr Vorgänger im Amt, Pfarrer Richard Greul, verabschiedet.

Frage: Muss man heutzutage Jugendliche bewusst ansprechen, sie vielleicht sogar missionieren, um sie für die Verbandsarbeit zu gewinnen?

Gressung: Ich persönlich bin kein Fan davon, junge Leute für die Kirche zu rekrutieren oder sie zu irgendetwas zu überreden. Ich finde, wir können ihnen Möglichkeiten eröffnen und sie entscheiden dann selbst, ob das etwas für sie ist oder nicht. Ich denke, das spricht sich dann schon herum, wenn es etwas Gutes ist. Ich selbst bin schon sehr lange in der verbandlichen Jugendarbeit engagiert. Für mich war immer das Gefühl der Gemeinschaft prägend. Ich bin da hineingewachsen, schon als Ministrantin und spürte, dass ich hier die sein kann, die ich bin. Es wurde mir auch immer viel zugetraut und ich konnte mich ausprobieren. Schließlich wurde ich auch in der kirchlichen Jugendarbeit darin bestärkt, katholische Theologie zu studieren.

Frage: Sie sind als Diözesanjugendseelsorgerin auch spirituell verantwortlich für die jungen Menschen. Was ist Ihnen dabei wichtig?

Gressung: Wenn junge Menschen ein erfülltes und freudiges Leben haben können, ist das Ziel erreicht, denke ich. Ich will qualitativ hochwertige Arbeit für Kinder und Jugendliche gestalten und Freiräume für ihre Persönlichkeitsentwicklung, also auch Platz für Lebens- und Glaubensfragen lassen und sie dabei kompetent begleiten. So, dass es Räume gibt, in denen sich junge Menschen ausprobieren und entwickeln können. Da haben auch Fragen nach dem Glauben einen Platz. Aber auch kritisches Hinterfragen darf da sein: Ist das noch meine Kirche? Ich selbst habe eine starke persönliche Beziehung zu Gott, ein Urvertrauen, dass die Dinge gut werden. Das möchte ich weitergeben. Aktuell steigen die Mitgliedszahlen innerhalb der Verbände des BDKJ wieder. Das zeigt mir, dass wir es richtig machen.

Frage: Manch junge Menschen haben aufgrund der Missbrauchskrise auch das Vertrauen in die Kirche verloren. Wie wollen Sie damit umgehen?

Gressung: Ich bin sehr nachdenklich darüber und über die Kirchenkrise, in die wir auch durch diesen Missbrauchskandel geraten sind. Es ist wichtig, dass wir ehrlich sind und ehrlich darüber reden, damit wir nicht wieder in eine Vertuschungsmaschinerie hineingeraten. Momentan sind wir beim BDKJ gut aufgestellt, was die präventiven Maßnahmen betrifft. Wir wollen Kinder und Jugendliche nicht allein lassen. Mir ist es auch wichtig, dass wir Kinder stark machen, so dass sie selbst für ihr Rechte eintreten können und sagen: Bis hierher und nicht weiter. Und dass sie sich auch trauen, mit Erwachsenen darüber zu sprechen, wenn sie Missbrauch erleben oder beobachten. Es geht aber auch darum, Erwachsene zu sensibilisieren, den Kindern zuzuhören und sie ernst zu nehmen. Wir haben im Erzbischöflichen Jugendamt eine Präventionsstelle, die wir nun fest installieren wollen, ergänzend zur allgemeinen Präventionsstelle des Erzbistums. Dort geht es um die präventive Schulung von Ehrenamtlichen, aber auch um den Umgang mit aktuellen Fällen etwa bei Jugendfreizeiten. Zum Glück sind das nur sehr vereinzelte Fälle. Wir haben auch ein neues Online-Tool, das die Prävention sexualisierter Gewalt niederschwellig unterstützen soll und es gibt unabhängige Kontaktpersonen für Missbrauchsvorfälle. Wir merken, dass die Sensibilität in den letzten Jahren enorm gestiegen ist, sowohl bei den Jugendlichen als auch bei den Gruppenleitungen. Das ist wichtig, um Missbrauch zu vermeiden.

Frage: Was verstehen Sie unter Macht?

Gressung: Ich bin nun auf drei Jahre in mein neues Amt gewählt und für vieles verantwortlich. Vor allem für Menschen. Ich versuche wachsam zu bleiben, was die Macht mit mir macht, ob sie mich verändern wird, ob ich sie vielleicht ausnutzen werde. Ich hoffe es nicht. Ich möchte respektvoll im Umgang mit anderen bleiben. Ich sitze im Erzbischöflichen Jugendamt. Es sind zwei Aufgabenbereiche, die amtliche und die verbandliche Seite, an einem Standort. Manche haben mich schon gefragt, wie ich damit umgehen werde, wenn ich für beides gleichzeitig zuständig bin. Ob mich das nicht zerreißen würde oder so. Ich finde, es ist eine Stärke, dass das in einer Person zusammengeht. Ich möchte es zusammenbringen und miteinander verbinden, das ist eine Verantwortung aber auch eine große Chance.

Von Madeleine Spendier