Konferenz untersucht jüdische Spuckattacken auf Christen
Wenn Juden auf Christen spucken, hat das zwar eine lange Tradition, findet aber keine Rechtfertigung im Judentum. Zu dieser Schlussfolgerung kam eine Konferenz mit dem Titel "Warum spucken (manche) Juden auf Nichtjuden?" am Freitag in Jerusalem. Die Mittel dagegen, so war man sich einig, sind konsequente Dokumentation der Vorfälle und mehr Bildung.
Nachdem sich das Davids-Turm-Museum in der Jerusalemer Altstadt wohl auf Druck der Stadt kurzfristig als Austragungsort zurückgezogen hatte, übernahm das armenische Patriarchat die Rolle des Gastgebers für die rund 150 Teilnehmer, darunter der stellvertretende Bürgermeister Jerusalems, Jossi Havilio, der lateinische Patriarchalvikar für Jerusalem, Weihbischof William Schomali, und Benediktinerabt Nikodemus Schnabel. Weitere rund 120 jüdisch-israelische Teilnehmer folgten der Konferenz auf Zoom.
Keine Schuldzuweisungen, sondern Sensibilisierung
Besonders der Titel der Konferenz hatte im Vorfeld für Unmut gesorgt, wie mehrere Referenten betonten. Kritiker witterten eine Beleidigung des Judentums, verallgemeinernde Schuldzuweisungen und eine negative Darstellung Israels – Vorwürfe, die die Veranstalter als Missverständnisse zurückwiesen. Nicht Nestbeschmutzung nach außen, sondern die Sensibilisierung eines jüdisch-israelischen Publikums sei das Ziel – deshalb tagte man auch auf Hebräisch.
Mitveranstalterin Yisca Harani identifizierte religiöse Symbole, Kirchbauten, das Innere von Kirchen sowie Christen als Angriffsziele. Die Altstadt und besonders das armenische Viertel als Verbindungsweg zur Klagemauer seien besonders problematisch. Die Akte reichten dabei von Vandalismus wie Graffiti und mutwilliger Zerstörung über Steinwürfe, Beleidigungen, Anspucken bis zu physischer Gewalt. Die Täter: ultraorthodoxe und nationalreligiöse Juden jeden Alters und Geschlechts.
Weil viele Angriffe so schnell passierten oder erst spät bemerkt würden, sei die Identifizierung der Täter schwierig. Viele Betroffene meldeten Angriffe aus Angst vor Konsequenzen für den Aufenthaltsstatus oder aus Misstrauen nicht den Behörden, die wiederum Untersuchungen oft ergebnislos eingestellten. Haranis Aufruf teilten weitere Referenten: Zwischenfälle melden, im Zweifel anonym über die eigens eingerichtete Website, damit genügend Datenmaterial gesammelt werden kann.
Woher aber kommt das feindselige Verhalten und wie stehen Religions- und Strafrecht zu dem Phänomen: Diesen Fragen gingen Fachleute der "Open University of Israel", der Hebräischen Universität Jerusalem und des "Israel Religious Action Center" (IRAC) nach. Historisch unter Gefährdung des eigenen Lebens Ausdruck der Abscheu und des Widerstands gegen die christlichen Verfolger gebräuchlich, seien Spuckattacken auf Christen im jüdischen Mehrheitsstaat Israel zu einem täglichen Machtmissbrauch ohne Gefahr für die Täter geworden.
Ohne Zweifel Straftatbestand
Auf Sitten und Gebräuche führte Talmudexperte Jair Furstenberg die Spuckattacken zurück. Im jüdischen Religionsrecht jedenfalls gebe es keinerlei diesbezügliche Klausel. Vielmehr betonten die jüdischen Weisen das übergeordnete Prinzip des Friedens mit Nichtjuden. Der Graben zwischen Realität und Lehre, so Furstenberg, sei enorm. Kein Zweifel besteht laut IRAC-Rechtsexperten Ori Narov daran, dass das Spucken auf einen Christen, in seine Richtung oder in Richtung einer christlichen Stätte den Straftatbestand erfüllt. Liege dem Akt Hass oder Rassismus zugrunde, sei dies ein erschwerender Faktor, der das Strafmaß erhöhen könne. Auch Narov drängte Betroffene zur Anzeige.
Exemplarisch schilderten ein baptistischer Pastor aus West- und ein Dominikanerbruder aus Ostjerusalem von erlebten Übergriffen, von der Untätigkeit der Behörden und dem nachträglichen Bedauern, nicht weitere Schritte zur Strafverfolgung angestellt zu haben. Fast schon beschwichtigend klang dagegen Weihbischof Schomali, der aufforderte, die – gewiss inakzeptablen – Spuckangriffe richtig zu gewichten. Die Spucke vergehe mit dem Wind, die verbreitete Hassrede in sozialen Netzwerken hingegen bleibe und richte weitaus größeren Schaden an.
Der Palästinenser plädierte für Strafverfolgung nicht nur der "indoktrinierten jugendlichen Täter", sondern auch und vor allem jener, die sie aufwiegelten – für Harani und ihre Mitstreiter ein weiteres Argument für die Anzeige möglichst aller Zwischenfälle: Nur, wenn man die Täter kenne, könne man an ihre Erzieher und Eltern gelangen. Denn darin waren sich alle einig: Herr werden kann man des Problems nur durch eine Behandlung an den Wurzeln, der Erziehung zu Toleranz und Respekt.