"Ich wäre als Pilger nach Aachen gekommen so wie viele Tausende auch"

Heiligtumsfahrt: Gottesdienst wegen Protesten ohne Kardinal Woelki

Veröffentlicht am 18.06.2023 um 09:14 Uhr – Lesedauer: 

Aachen ‐ Eigentlich hätte der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki am Sonntag eine Messe während der Aachener Heiligtumsfahrt zelebrieren sollen. Nach Protesten im Vorfeld hat man sich nun aber dagegen entschieden. Woelki selbst äußerte sich dazu.

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Nach Protesten im Vorfeld wird der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki am Sonntag nun doch nicht einen Gottesdienst in Aachen feiern. Der Aachener Bischof Helmut Dieser und Woelki hätten entschieden, auf den gemeinsamen Auftritt im Rahmen der Heiligtumsfahrt zu verzichten, erklärte das Bistum Aachen am Samstagnachmittag. Stattdessen soll Dompropst und Wallfahrtsleiter Rolf-Peter Cremer mit Dieser am Sonntag am Altar stehen. "Eine Situation, die absehbar nicht mehr erwarten lässt, dass eine geistlich verbindende Atmosphäre zur Feier des Gottesdienstes erlebbar wird, möchte ich vermeiden", begründete der Bischof von Aachen den Schritt.

Woelki warnte nach Bekanntgabe der Entscheidung vor einer Instrumentalisierung von Gottesdiensten für Protestaktionen. "Ich wäre als Pilger nach Aachen gekommen so wie viele Tausende auch. Ich bin davon überzeugt, dass es unter Christen möglich sein muss, unterschiedliche Auffassungen zu haben und deutlich zu vertreten – und dennoch gemeinsam die heilige Eucharistie zu feiern."

"Nicht dem Gift der Polarisierung erliegen"

Die Kritik an Woelki hatte sich vor allem an seiner Rolle bei der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der Kirche entzündet. So gab es Presseberichten zufolge im Mädchenchor des Aachener Doms Diskussionen darüber, ob man in Woelkis Anwesenheit bei der Messe singen wolle oder nicht. Nur knapp die Hälfte der 120 Sängerinnen habe sich dazu bereitgefunden.

"Mir persönlich sind Prävention, Aufklärung und Aufarbeitung ein Herzensanliegen", betonte Woelki. "Betroffene sexuellen Missbrauchs müssen sowohl vor weltlichen Gerichten wie auch in der Kirche zu ihrem Recht kommen. Und hier heißt katholisch zu sein – auch wenn die Aufarbeitung weh tut und sie tut weh – nicht dem Gift der Polarisierung zu erliegen, sondern Brücken zu bauen."

Erzbistum Köln in der Vertrauenskrise

Die Heiligtumsfahrt in Aachen endet am Montagabend mit der sogenannten Verschließungsfeier. Im Mittelpunkt der seit 1349 begangenen Wallfahrt stehen vier Tuchreliquien, die 799 Karl dem Großen übergeben wurden. In ihnen wird das Kleid Mariens aus der Heiligen Nacht, Windeln Jesu, das Lendentuch des Gekreuzigten und das Enthauptungstuch Johannes des Täufers verehrt. Für ihre Echtheit gibt es keine historischen Nachweise. Die Kirche heute sieht in ihnen Zeichen, die auf Jesus hinweisen. Normalerweise findet die Heiligtumsfahrt alle sieben Jahre statt; pandemiebedingt wurde der reguläre Rhythmus 2021 unterbrochen und das Glaubensfest um zwei Jahre verschoben.

Das Erzbistum Köln befindet sich in einer Vertrauenskrise. Ein erstes Gutachten der Münchner Kanzlei WSW war wegen "methodischer Mängel" nicht veröffentlicht worden, das zweite 2021 veröffentlichte Gutachten der Kölner Kanzlei Gercke stellt Pflichtverletzungen bei ehemaligen Kölner Erzbischöfen und weiteren Verantwortlichen fest, nicht aber beim amtierenden Erzbischof Woelki. Im Zuge der Kritik an Woelki hatte Papst Franziskus den 2021 in eine mehrmonatige Auszeit geschickt. Zudem verlangte er ein Rücktrittsgesuch des Kardinals, über das der Papst bis heute nicht entschieden hat. Seit Anfang Mai ermittelt die Staatsanwaltschaft auch wegen des Verdachts des Meineids gegen Woelki. (mpl/KNA)