Warum ein Pfarrer seine Hostien selber backt

Pfarrer Stephan Rauscher aus dem bayerischen Attenkirchen ist Dekan und Hostienbäcker. Im Keller des Pfarrhauses stehen acht Hostieneisen. 30.000 "Laienhostien" backt er in seiner hauseigenen Hostienbäckerei – so viel braucht er für den Pfarrverband Holledau im Jahr. Wie es dazu kam und welche besonderen Motive der Geistliche auf den Hostien verwendet, erzählt Rauscher im Interview mit katholisch.de.
Frage: Herr Pfarrer Rauscher, wie kam es dazu, dass Sie Ihre Hostien selbst backen?
Rauscher: Das war eher ein Zufall. Schon als Kind war ich fasziniert von Hostien. Ich war Ministrant in einem kleinen Wallfahrtsort in der Nähe von Freising. Im Gottesdienst habe ich immer wieder versucht das Motiv auf der Hostie des Pfarrers zu erkennen. Schon damals dachte ich mir, das Bild da auf der Hostie will mir etwas sagen. Als ich dann später selbst Pfarrer wurde, habe ich bei einem Bekannten, der privat auch Hostien backt, meine Hostien bestellt. Einmal hat er mir erzählt, dass er damit aufhören will, weil er keinen Raum mehr für seine Hostieneisen hat. Da hatte ich die spontane Idee, dass er bei mir im Pfarrhauskeller seine Backstube einrichten könnte. So kam ich dann auch dazu. Seit zehn Jahren backe ich nun die Hostien für meine Kirchengemeinden selbst. Mir schmecken die eigenen einfach besser als die gekauften.
Frage: Wieviel Hostien brauchen Sie für Ihre Gemeinden?
Rauscher: Ich brauche im Jahr etwa 30.000 Laienhostien für die Gottesdienste. Wir haben 18 Kirchen im Pfarrverband Holledau, jeden Tag eine Messe, sonntags sogar vier, da kommt schon was zusammen bei etwa 7.000 Katholiken. Ich backe ein- bis zweimal im Monat Laienhostien und Priesterhostien. Das sind weiße Brothostien, ich mache sie nur etwas dicker als sie sonst üblicherweise im Handel erhältlich sind.

Pfarrer Stephan Rauscher aus dem Erzbistum München und Freising in seiner Hostienbäckerei in Nandlstadt.
Frage: Das Rezept für Ihre Hostien verraten Sie aber nicht, oder?
Rauscher: Nicht so gerne. Es darf laut Vorschrift nur Wasser und Mehl hinein. Es kommt dann auf das passende Mischverhältnis an. Ich verwende Rosenmehl aus dem Supermarkt, also ganz normales Mehl zum Backen. Ich habe auch viel und lange rumprobiert, bis ich herausgefunden habe, wie die Hostien knusprig werden und gut schmecken, denn es kommt vor allem darauf an, wie lange die Hostien gebacken werden, also wie lange der sogenannte "Hostienkuchen" im Eisen bleibt – je länger, desto brauner werden die Hostien. Sie schmecken dann auch leicht angebrannt. Wenn der Hostienkuchen danach trocknet, nutze ich einen sogenannten Hostienbefeuchter, damit die Hostien schön glatt werden. Dann werden die Hostien per Hand ausgestanzt. So eine Stanze sieht ein bisschen aus wie eine Nähmaschine mit einem Fußpedal. Aus einem Hostienkuchen stanze ich etwa 15 bis 20 Laienhostien aus. Ich schaffe in einer Viertelstunde bis zu 300 Laienhostien. Wenn ich dann zwei bis drei Stunden arbeite, kommt schon was zusammen. Wir haben in der Hostienbäckerei inzwischen acht Hostieneisen. Ich sage immer, das ist ein teures Hobby, denn die Eisen sind speziell angefertigt mit handgravierten Edelstahlplatten.
Frage: Welche Motive verwenden Sie für Ihre Hostien?
Rauscher: Inzwischen haben wir an die 40 verschiedene Motive für unser Priester- und Laienhostien. Viele davon haben wir eigens anfertigen lassen. Wir haben Ostermotive, Weihnachtsmotive und Motive nach dem kirchlichen Jahreskreis. Wir haben also das ganze Leben Jesu von der Geburt bis zu seinem Tod auf der Hostie. Dazu kommen Christusmonogramme, unterschiedliche Lämmer, Motive vom Heiligen Geist und unterschiedliche Kreuze, die wir zum Teil selbst entworfen haben. Und natürlich auch ganz alte Motive: etwa den Pelikan als Motiv für Christus, der sein Leben für die Gläubigen gibt oder christliche Motive aus den Katakombengräbern in Rom, die beispielsweise Christus mit Anker, Kreuz, Siegeskranz oder einen Fisch zeigen. Wir haben auch lateinische Sprüche auf den Hostien wie etwa "Ich bin das Brot des Lebens". Und dann gibt es noch biblische Geschichten wie das Brotwunder Jesu mit den fünf Körben Brot. Solche Hostien haben nur wir, die kann man nirgends kaufen!
Frage: Wie finden es Ihre Gemeindemitglieder, dass sie selbstgemachte Hostien vom Pfarrer zur Kommunion bekommen?
Rauscher: Am Anfang war das schon etwas Besonderes, aber jetzt nach zehn Jahren sind meine Gemeindemitglieder wohl daran gewöhnt, denke ich. Ich freue mich aber immer sehr, wenn die Leute mich darauf ansprechen. Vor allem die Kinder, die sich auf ihre Erstkommunion vorbereiten, mögen die unterschiedlichen Motive. Ich mache für sie extra größere Hostien und erkläre ihnen, was darauf zu sehen ist und was es bedeutet. Aber letztlich soll es nicht nur um die Motive gehen: die Hostien sind schließlich dazu da, dass sie in der Eucharistie gewandelt werden und Jesus dann ganz nah bei uns ist. Daher sage ich den Kindern dann schon: Bitte nicht nur schauen, sondern essen.

Ein Hostienkuchen mit Laienhostien, die unterschiedliche Motive haben.
Frage: Ihre Hostien haben es sogar schon bis in den Vatikan geschafft. Wie kam es dazu?
Rauscher: Als ich einmal mit dem Pfarrverband Holledau in Rom war, haben wir bei einer Audienz Papst Benedikt ein Päckchen selbstgemachter Hostien mitgebracht. Und die scheinen ihm geschmeckt zu haben, denn er hat immer wieder neue bei uns bestellt. Einmal bei einer Gottesdienstübertragung aus dem Vatikan konnten wir in einer Nahaufnahme dann auch unsere Hostie in seiner Hand erkennen. Das hat uns schon gefreut. Auch Papst Franziskus habe ich mal ein Päckchen Hostien geschenkt. Ob er sie auch verwendet, weiß ich allerdings nicht.
Frage: Was ist Ihr Lieblingsmotiv auf den Hostien?
Rauscher: Das ist das Motiv des Guten Hirten, das mochte ich schon als Kind sehr gerne. Den guten Hirten habe ich auch bei meiner Primiz als frisch geweihter Priester verwendet. Ich backe es auch heute noch sehr gerne. Vor allem, wenn es dann als schönes 3-D-Motiv aus dem Hostieneisen rauskommt, freut mich das schon. Diese Hostienbäckerei ist eine Art der Glaubensverkündigung für mich. Und ein Stück Dankbarkeit dafür, dass ich Priester werden konnte. Ich bin eigentlich gelernter Kinderpfleger. Dann wollte ich die Ausbildung zum Gemeindereferenten machen. Der Ausbildungsleiter hatte mich damals gefragt, ob ich lieber Pfarrer werden möchte. Das wollte ich, aber ich dachte, das geht nicht, weil ich kein Abitur hatte. Das habe ich dann nachgeholt und wurde Priester. Dafür bin ich heute dankbar. Ich sage immer: Der Herrgott hat mich geleitet. Daher lege ich auch viel Liebe in meine Hostien hinein. Ich denke mir oft, was ich predige, vergessen die Leute schnell wieder. Aber sie erinnern sich vielleicht an das, was auf der Hostie zu sehen war. Es soll eine Erinnerung dafür sein, was wir in der Eucharistie eigentlich feiern. Ich sage gerne: Wir machen hier keine Jause oder Brotzeit und ich backe auch keinen Kuchen für euch mit schönen Motiven drauf, sondern das ist der Leib Christi.