Missbrauchs- und Vertuschungsvorwürfe auch gegen Bischöfe

Frankreichs Kirchengericht ermittelt zu Missbrauch in Pariser Mission

Veröffentlicht am 22.06.2023 um 12:31 Uhr – Lesedauer: 

Paris ‐ Der Staatsanwalt ermittelt, ein Bischof hat um seinen vorläufigen Ruhestand gebeten. Nun ermittelt im Zusammenhang mit Missbrauchs- und Vertuschungsvorwürfen auch das nationale kirchliche Strafgericht in Frankreich – eine Premiere.

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Das französische kirchliche Strafgericht ermittelt wegen mutmaßlichen Missbrauchs und Vertuschung durch leitende Mitglieder der Société des Missions Etrangères de Paris (Pariser Mission). Der Generalobere der Gemeinschaft habe das Gericht mit einer kanonischen Voruntersuchung der Vorwürfe beauftragt, teilte das Gericht am Mittwoch mit. "Die Entscheidung ist Teil des entschlossenen Willens, dass diese Untersuchung mit größtmöglicher Unabhängigkeit und Unparteilichkeit durchgeführt wird", heißt es in der Mitteilung. Das Gericht forderte Zeugen auf, sich bei ihm zu melden und kündigte eine Zusammenarbeit mit den staatlichen Strafverfolgungsbehörden im Rahmen der Gesetze an. Weitere Informationen über die Voruntersuchung werde es nicht veröffentlichen. Die Mitteilung ist die erste Information des Gerichts über seine Arbeit, seit es dieset zum Jahresbeginn aufgenommen hat.

In der vergangenen Woche haben die drei katholischen Zeitungen "La Croix", "La Vie" und "Famille Chrétienne" Ergebnisse einer gemeinsamen Recherche vorgestellt. Unter anderem berichteten sie darüber, dass die Staatsanwaltschaft gegen den Bischof von La Rochelle und ehemaligen Oberen der Pariser Mission, Georges Colomb, aufgrund eines mutmaßlichen sexuellen Übergriffs ermittelt. Colomb wies die Vorwürfe zurück und bat Papst Franziskus seinen einstweiligen Ruhestand an. Sein Nachfolger als Oberer der Pariser Mission, der Straßburger Weihbischof Gilles Reithinger, wird beschuldigt, den Vorwürfen damals nicht nachgegangen zu sein. Darüber hinaus gibt es weitere Vorwürfe gegen Priester der Gemeinschaft. In welchen dieser Fälle das kirchliche Gericht genau ermittelt, wurde nicht mitgeteilt.

Pariser Mission hat Missbrauchsstudie beauftragt

Die französische Bischofskonferenz hatte im März 2021 die Einrichtung eines interdiözesanen Strafgerichts beschlossen, um kirchliche Strafverfahren professioneller und transparenter zu gestalten und die Rechtsprechung zu vereinheitlichen. Der nationale kirchenrechtliche Strafgerichtshof (Tribunal Pénal Canonique National, TPCN) wurde im vergangenen Jahr eingerichtet und nahm zum Jahresbeginn seine Arbeit auf. Zuständig ist das Gericht für alle kanonischen Strafsachen in ganz Frankreich, für die das Kirchenrecht nichts anderes festlegt. Die Verantwortung für kanonische Voruntersuchungen bleibt grundsätzlich beim zuständigen Bischof oder Ordensoberen. Dabei wird geprüft, ob eine Straftat hinreichend wahrscheinlich ist, um ein Gerichtsverfahren zu eröffnen. Die Möglichkeit, dem Gericht selbst die Voruntersuchung zu übertragen, ist in den Statuten nicht geregelt, das allgemeine kirchliche Prozessrecht sieht aber vor, dass der zuständige Obere geeignete Personen mit der Voruntersuchung betrauen kann.

Die Pariser Mission wurde im 17. Jahrhundert gegründet, um Geistliche und Laien für die Mission in Indochina auszubilden. Die Gemeinschaft ist als Gesellschaft apostolischen Lebens organisiert und ist damit weitgehend anderen Ordensgemeinschaften gleichgestellt. Im vergangenen Jahr hatte die Generalversammlung der Pariser Mission die Leitung beauftragt, eine Studie über Missbrauch in der Gemeinschaft für die Jahre ab 1950 in Auftrag zu geben. Die Studie wird laut einer Mitteilung vom Mai von einem unabhängigen Beratungsunternehmen angefertigt und soll eine Bestandsaufnahme von Fällen sexualisierter Gewalt sowie eine Überprüfung von Präventionskonzepten vornehmen und daraus Empfehlungen entwickeln. (fxn)