Bischof Wilmer: Organisierte Kriminalität auch für Kirche ein Thema
Mehr Aufmerksamkeit gegenüber internationaler organisierter Kriminalität hat der Hildesheimer Bischof Heiner Wilmer angemahnt. Die Folgen für das Zusammenleben in Kirche und Gesellschaft weltweit dürften "nicht weiter sträflich vernachlässigt werden", sagte Wilmer am Montag in Berlin. Wilmer äußerte sich zu Beginn einer fünftägigen internationalen Konferenz von Justitia et Pax (übersetzt: Gerechtigkeit und Frieden) zum kirchlichen Handeln angesichts von organisierter Kriminalität.
Es gebe die Probleme organisierter Kriminalität auch in Deutschland, "aber sie tritt bei uns in einer anderen, weniger offensichtlichen und gewalttätigen Form auf als beispielsweise in Mexiko", sagte Wilmer. Es reiche nicht, über das Problem aus einer rein deutschen Perspektive nachzudenken. Ein solcher Blick bleibe immer defizitär und entspreche nicht der katholischen Identität. "Ein Problem 'katholisch' zu bearbeiten, bedeutet immer auch multiperspektivisch zu agieren." Bei der Konferenz gehe es als Solidar-, Lern- und Gebetsgemeinschaft um Chancen und Grenzen kirchlichen Handelns in diesem Bereich.
Die organisierte Kriminalität spiele in der säkularen und kirchlichen Friedensethik in Deutschland bislang eine untergeordnete Rolle, bemängelte der Geschäftsführer von Justitia et Pax, Jörg Lüer. Lange Zeit habe in Deutschland die Auffassung vorgeherrscht, dass organisierte Kriminalität "nicht bei uns" stattfände oder nur ein Phänomen an den Rändern der Gesellschaft sei, das man vernachlässigen könne. Organisierte Kriminalität habe aber einen gesellschaftszersetzenden Charakter und Auswirkungen nicht nur für die unmittelbaren Opfer der Gewalt. Die Kirche in anderen Ländern habe bereits fundierte Erfahrungen im Umgang mit den Folgen organisierter Kriminalität gesammelt. Diese gelte es auszuwerten und von ihnen zu lernen, sagte Lüer.
40 Experten diskutieren Problem aus globaler Sicht
Eine 2019 von Justitia et Pax eingerichtete internationale Fachgruppe untersuchte die Gefahren dieser Kriminalitätsform und erarbeitet derzeit Empfehlungen. Die Zwischenergebnisse sollen während der Konferenz in Berlin diskutiert werden, hieß es.
In einem Diskussionspapier erklärte Justitia et Pax, die Strukturen und Akteure von organisierter Kriminalität seien deshalb so wirkmächtig, "weil sie ein Angebot für eine bestehende Nachfrage bereitstellen". Es sei "die Nachfrage nach Macht und Einfluss, nach Geld, nach dem nächsten Rausch, der sexuellen Befriedigung, günstiger Markenkleidung und Statussymbolen und vielem mehr". Individuelle soziale Wertvorstellungen seien aus den Fugen geraten.
Bis Freitag kommen nach Angaben von Justitia et Pax 40 Wissenschaftler, Bischöfe, Abgeordnete und weitere Expertinnen und Experten aus Mittel- und Südamerika und Europa zur Konferenz in Berlin zusammen. Diskutiert werden dem Programm zufolge unter anderem Perspektiven aus Albanien, Italien, dem Vatikan und Deutschland sowie aus Mexiko, Kolumbien und El Salvador. (KNA)