Drei katholisch.de-Redakteure berichten über ihre Fasten-Erfahrungen

Die Macht der Versuchung

Veröffentlicht am 04.03.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Die Macht der Versuchung
Bild: © KNA
Fasten-Blog

Bonn ‐ 40 Tage hat Jesus in der Wüste verbracht und gefastet. Einfach war das nicht, immerhin war er den Versuchungen des Teufels ausgesetzt - und hat widerstanden. Auch unsere drei fastenden katholisch.de-Redakteure kennen Versuchungen und machen ihre ganz eigenen Erfahrungen damit. Im zweiten Teil des Fasten-Blogs erzählen sie, welchen Verlockungen sie ausgesetzt sind und ob es einfach oder vielleicht doch manchmal schwierig ist Nein zu sagen.

  • Teilen:

Fleisch

Für mich ist die größte Fasten-Versuchung, mich nicht versucht zu fühlen. Zum Wesen des Fastens gehört der Verzicht. Davon kann man sich natürlich herausgefordert fühlen. Während man sich einer Herausforderung stellt, kann man einer Versuchung aber nur erliegen.

Ich verzichte während der Fastenzeit darauf, Fleisch zu essen. Das kann in unserer Versorgungsgesellschaft ein tatsächlicher Verzicht sein. Es ist selbstverständlich, zu jeder Tages- und Nachtzeit Fleisch essen zu können. Unser persönlicher und gesellschaftlicher Wohlstand ermöglicht uns das. Allerdings ist es genauso unproblematisch, sich fleischfrei zu ernähren. Jedes Restaurant hat vegetarische Gerichte auf der Karte, jeder Supermarkt hat ständig frisches Obst und Gemüse im Angebot und wer es wollte, könnte sogar Gemüse-Kebab essen. Der bloße Verzicht auf Fleisch ist gar nicht so schwer. Dieses Fastenopfer ist keine wirkliche Herausforderung, welche Versuchung sollte ich dann noch spüren?

Ich gehe in der Fastenzeit nicht in Sack und Asche, sondern "salbe mein Haar" (Mt 6, 17). Wenn anderen mein Fastenopfer auffällt und wir darüber ins Gespräch kommen, freue ich mich natürlich, aber ich dränge nicht darauf. Darin kann tatsächliche eine Herausforderung liegen – etwa bei der Einladung zum Essen. Bitte ich den Gastgeber, meine temporäre Essgewohnheit zu berücksichtigen? Posaune ich damit nicht meine Frömmigkeit vor mir her wie die Heuchler?

Dann fühle ich mich versucht, mein Fastenvorhaben zum Selbstzweck werden zu lassen. Das ist reizvoll, denn dann könnte ich behaupten, die Versuchung wäre stärker gewesen als ich. Dabei geht es mir gar nicht um den Verzicht, sondern vor allem um die Geisteshaltung. Ich will mich auch mit einer bewussteren Ernährung innerlich auf das Osterfest vorbereiten. Der Fleisch-Verzicht hilft mir dabei, ist aber nur Mittel zum Zweck. Die größte Versuchung liegt für mich darin, mich nicht von einer Regel versucht zu fühlen, die letztlich nur ein Hilfsmittel ist.

Süßigkeiten

Seit zwei Wochen spielen Süßigkeiten in meinem Leben keine Rolle mehr. Schön wäre es – denn leider ist es nicht so. Mir war gar nicht bewusst, wie überpräsent Süßes in meinem Leben ist. Sei es der übrig gebliebene Schokonikolaus im Vorratsschrank, das übervolle Süßigkeitenregal im Supermarkt oder der Süßigkeitenteller auf der Arbeit, der wie von Zauberhand immer wieder aufgefüllt wird. Egal, wo ich hinblicke – nur Süßigkeiten!

Versuchungen sind allgegenwärtig und es ist nicht leicht, ihnen zu widerstehen. Gerne würde ich manchmal doch zugreifen und das Fasten einfach sein lassen. Einfach mal eine Ausnahme machen! Wie verlockend ist da übrigens die Regelung, dass die Fastensonntage keine Fastentage sind.

Mittlerweile glaube ich, dass Versuchungen zur Fastenzeit dazugehören. Denn wäre Fasten ohne Versuchung überhaupt richtiges Fasten? Nicht umsonst belächeln wir doch die, die sagen, sie verzichten aufs Autofahren und haben selbst kein Auto.

Fasten soll weh tun, finde ich. Nicht so, dass ich fürchterliche Schmerzen habe oder vor Entkräftung nichts mehr tun kann – aber diese Wochen vor Ostern sollten mich spüren lasse, dass ich auf etwas verzichte, was mir normalerweise wichtig ist. Das muss ich nicht vor mir hertragen und jedem vorjammern, wie gern ich doch auch etwas vom Schokokuchen haben möchte. Aber ich sollte es mir selbst klar machen, wenn ich Nein zur Versuchung sage. Und ich sollte ihr auch dankbar sein: Denn sie zeigt mir, dass Verzichten zwar nicht einfach, aber immer möglich ist. Und dass es manchmal einfach gut tut, Nein zu sagen.

Alkohol

Was bedeutet das überhaupt, in Versuchung geraten? Lauert die Versuchung "da draußen" und wartet nur darauf, über uns herzufallen? Sind es Situationen, Dinge oder unsere Mitmenschen, die uns in Versuchung führen? Oder ist die Versuchung nicht viel mehr Teil von uns selbst? Das Verlangen nach Konsum, nach Unterhaltung oder – wie im Fall von Adam und Eva – nach Erkenntnis?

Es wäre zu einfach, der Schlange die Schuld an allem zu geben. Denn dann könnten wir die Versuchung als etwas abtun, das lediglich von außen an uns herangetragen wird, das wir kaum beeinflussen können und an dem wir keine Mitschuld haben. Wir könnten vor ihr weglaufen und alle Situationen vermeiden, die uns schwach werden lassen.

In den 40 Tagen der Fastenzeit, in denen ich auf Alkohol verzichte, wird mir ganz besonders bewusst, wie oft wir Menschen kurz davor stehen, schwach zu werden. Und man vermutet schon fast eine Verschwörung, so oft wie einem bei allen möglichen Gelegenheiten ein Glas Wein oder eine Flasche Bier angeboten wird. Natürlich könnte ich einfach zu Hause bleiben und so dieser Herausforderung aus dem Weg gehen. Ich könnte mich auch darüber echauffieren, dass mir überhaupt Alkohol angeboten wird. Gibt es um mich herum denn nur Schlangen?

Doch dann besinne ich mich auf das, worum es beim Fasten geht. Dass ich diesen Verzicht selbst gewählt habe, dass er mir die Chance bietet, mich intensiv mit mir selbst zu beschäftigen und mich so besser kennenzulernen. Dazu gehört es dann auch, dass ich mir meine Schwächen eingestehe und die Schuld dafür nicht bei anderen suche. Nur wer bereit ist, in sich hinein zu horchen, der kann sich innerlich frei machen und Platz für Ostern und seine Botschaft schaffen.