Der Blick in die Schrift
Alkohol
Egal, wovon ich in der vorösterlichen Bußzeit die Finger lasse: Fleisch, Schokolade oder Alkohol - Religiöses Fasten erfüllt keinen Selbstzweck und darf deshalb auch nicht zu einem solchen verkommen. Denn wo meine Gedanken immer wieder allein um diesen Verzicht kreisen, da kreisen sie auch um mich. Da werde ich selbst- und ungerecht. Da verfalle ich in Selbstmitleid. Das wusste schon der Prophet Jesaja, dessen Worte ich deshalb in der Fastenzeit gerne lese ( Jes 58, 3-10 ).
"Warum fasten wir und du siehst es nicht? Warum tun wir Buße und du merkst es nicht?", fragt das scheinbar fromme Volk Gott (V. 3). Und Gott sagt ihnen, warum: Weil sie nicht verstanden haben, worum es beim Fasten geht. Weil das Volk "den Kopf hängen lässt, so wie eine Binse sich neigt, wenn man sich mit Sack und Asche bedeckt" (V. 5). Gott gab ihnen aber auch einen Tipp, was ihm stattdessen gefallen würde: zum Beispiel "die Fesseln des Unrechts zu lösen" (V. 6) oder "an die Hungrigen dein Brot auszuteilen" (V. 7).
Wenn ich den Verzicht in der Fastenzeit also als Symbol dafür verstehe, mich nicht nur um mein Wohlergehen zu kümmern. Wenn ich mich von mir ab- und anderen Menschen zuwende, dann bedeutet er nicht nur Entbehrung, sondern zeitgleich auch Bereicherung.
Fleisch
In der österlichen Bußzeit habe ich - gerade durch die Gedächtnisstütze des Fastens – stets die Kar-Tage im Blick. Den Leidensweg Christi. Vor der Freude des Osterfestes muss die Stille und Trauer des Karfreitags stehen. Und zwar nicht nur aus theologischen Gründen, ich brauche diesen extremen Gegensatz auch für mein persönliches Verständnis des Osterfestes. Die rauschende Feier der Osternacht wird ja gerade durch die unmittelbare Verbindung zum Grab so besonders.
In diesem absoluten Widerspruch zwischen Tod und Leben liegt die Hoffnung unseres Glaubens. Die Freude der Auferstehung ist stärker als die Trauer am Grab. Die Fastenzeit mahnt uns, dass wir dennoch nicht leichtfertig und ohne Bodenhaftung durchs Leben gehen sollen. Trauer und Freude wechseln sich in unserem Leben ab, sie gehören zusammen. Daher passt eine meiner liebsten Bibelstellen ganz besonders gut in "meine" Fastenzeit. Sie stammt aus dem Buch Kohelet ( Koh 11, 9 f. ):
"Freu dich, junger Mann, in deiner Jugend, sei heiteren Herzens in deinen frühen Jahren! Geh auf den Wegen, die dein Herz dir sagt, zu dem, was deine Augen vor sich sehen. Aber sei dir bewusst, dass Gott dich für all das vor Gericht ziehen wird. Halte deinen Sinn von Ärger frei und schütz deinen Leib vor Krankheit; denn die Jugend und das dunkle Haar sind Windhauch."
Süßigkeiten
Fasten ist gar nicht so einfach. Überall lauern Versuchungen. Und nicht zuletzt das eigene Wohlbefinden leidet ja doch etwas. Klar, nur weil ich auf Süßigkeiten verzichte, leide ich keinen Hunger. Aber der Heißhunger auf Schokolade und Co. bleibt eben doch. Und manchmal kommt schon ein bisschen schlechte Laune hoch, wenn die Kollegen beherzt bei der Schokolade oder beim Grießbrei in der Kantine zugreifen und man selbst nur zusehen kann.
"Wenn ihr fastet, macht kein finsteres Gesicht wie die Heuchler", sagt Jesus im Matthäusevangelium ( Kapitel 6, Vers 16 ) zu seinen Jüngern – und damit letztlich auch zu mir. "Sie geben sich ein trübseliges Aussehen, damit die Leute merken, dass sie fasten." Nein, das stimmt so nicht. Ich gebe mir nicht mit Absicht ein trübseliges Aussehen – oder doch? Will ich am Ende bemitleidet werden?
Auch wenn es ziemlich deutliche Kritik ist, die Jesus da von sich gibt – letztlich hat er Recht. Ja, ich schmolle, weil ich eben gerade keine Süßigkeiten essen darf. Ich möchte Mitleid, weil ich etwas auf mich nehme und die anderen nicht. Das ist falsch. Ich faste schließlich nicht für mich. Stattdessen möchte ich mich die nächsten Wochen bemühen, mir das Fasten nicht anmerken zu lassen. "Dein Vater, der das Verborgene sieht, wird es dir vergelten" – das ist der Satz Jesu an die Jünger, der mich auf diesem Weg begleiten wird.