Schwester Christine Klimann über das Sonntagsevangelium

Profit, Effizienz und Kapitalismus – oder doch eher Vertrauen?

Veröffentlicht am 15.07.2023 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Rom ‐ Das Gleichnis vom Sämann könnte ein richtig schönes kapitalistisches Gleichnis sein. Es geht um Profit, und sogar auf überproportionale Weise. Schwester Christine Klimann ist sich aber sicher: Es geht um etwas ganz anderes!

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Das Gleichnis vom Sämann könnte ein richtig schönes kapitalistisches Gleichnis sein. Es geht um Profit, und sogar auf überproportionale Weise. Das ausgesäte Weizenkorn soll Frucht bringen, 30fach, 60fach, sogar 100fach. So schreibt sich dieses Gleichnis gut in unsere westliche Logik ein, in der es so oft um Erfolg, Effizienz und Maximierung geht. Und es gibt genügend christliche Gruppierungen, die versuchen, diese weltliche Logik auf den religiösen Bereich auszuweiten.

Vermutlich sind Erfolg und Effizienz heute auch deswegen so attraktiv, weil sie in einer Zeit, in der Unsicherheit mehr und mehr das Lebensgefühl prägt, einen Eindruck von Kontrolle suggerieren. Wer planen und organisieren kann, hat den Eindruck, das Ruder in der Hand zu haben, und merkt weniger schmerzhaft, wie viel uns gerade entgleitet.

Das Gleichnis vom Sämann als Ermutigung zu westlichem Sicherheitsstreben zu verstehen, wäre eine Karikatur.  Ich glaube aber, dass es eine Botschaft gerade für unsere von Unsicherheit geprägte Zeit enthält.

Jesus erzählt seinen Jüngern das Gleichnis, um ihnen etwas vom Reich Gottes nahezubringen. Und weil seine Zuhörer oder die Leser des Evangeliums es genauer wissen wollen, kommt die Deutung gleich dazu. Doch obwohl hier so viele Erklärungen geliefert werden, ist erstaunlich, wie viel doch offen bleibt: Wer ist denn Saat und wer ist Sämann? Sind wir aufgefordert, auszusäen, den Samen des Wortes Gottes in die Welt hineinzutragen oder ist es letztlich Gott, der allein Herzen bewegen kann? Sind wir aufgefordert, fleißig oder gelassen zu sein? In unserem Elan nicht nachzulassen oder Vertrauen zu haben? Geht es um die Warnung vor den unfruchtbaren Böden und den schlechten Bedingungen oder geht es um die Hoffnung, dass am Ende die Ernte trotz allem überreich sein wird?

Vielleicht liegt die Botschaft des Evangeliums gerade in dieser Mehrdeutigkeit. Vielleicht ist es gar nicht so wichtig, wer genau da was sät. Wichtiger ist, in welcher Haltung es geschieht: In Einfachheit, Großzügigkeit und Vertrauen. Der Sämann scheint sich nicht groß darum zu kümmern, wo genau seine Samenkörner hinfallen, ob auf den Weg, in die Dornen oder auf guten Boden. Er sät. Im Moment der Aussaat bleibt offen, was aus ihnen werden wird. Er sät, auch wenn da so viel ist, das er nicht kontrollieren kann. Er sät. Vielleicht geht es in diesem Gleichnis also tatsächlich weniger um den Gewinn als um das Vertrauen. Dann bräuchten wir uns in Zeiten der Unsicherheit weniger auf Erfolg und Kontrolle zu fixieren, sondern wären mehr um den guten Boden in uns besorgt. Und wir könnten in Gelassenheit das tun, was heute möglich ist – weil wir wissen, dass wir das, was draus wird, getrost einem anderen überlassen können.

Aus dem Evangelium nach Matthäus (Mt 13,1-9)

An jenem Tag verließ Jesus das Haus und setzte sich an das Ufer des Sees. Da versammelte sich eine große Menschenmenge um ihn. Er stieg deshalb in ein Boot und setzte sich. Und alle Menschen standen am Ufer. Und er sprach lange zu ihnen in Gleichnissen.

Er sagte: Siehe, ein Sämann ging hinaus, um zu säen. Als er säte, fiel ein Teil auf den Weg und die Vögel kamen und fraßen es. Ein anderer Teil fiel auf felsigen Boden, wo es nur wenig Erde gab, und ging sofort auf,
weil das Erdreich nicht tief war; als aber die Sonne hochstieg, wurde die Saat versengt und verdorrte, weil sie keine Wurzeln hatte.

Wieder ein anderer Teil fiel in die Dornen und die Dornen wuchsen und erstickten die Saat. Ein anderer Teil aber fiel auf guten Boden und brachte Frucht, teils hundertfach, teils sechzigfach, teils dreißigfach.

Wer Ohren hat, der höre!

Die Autorin

Schwester Christine Klimann gehört zur Kongregation der Helferinnen, ist Pastoralreferentin und studiert in Rom Psychologie.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreibt ein Pool aus Ordensleuten und Priestern für uns.