Chaldäische Christen im Irak fürchten um staatliche Anerkennung
Die chaldäische Kirche im Irak fürchtet nach der Rücknahme eines Anerkennungsdekrets für den Patriarchen durch die Regierung um ihr Vermögen und ihre Immobilien. In einer Stellungnahme forderte das chaldäische Patriarchat am Wochenende den Präsidenten Abdul Latif Raschid auf, den alten Zustand wiederherzustellen "bevor die Situation sich zu einer Krise mit unabsehbaren Konsequenzen" entwickelt. Anfang Juli hatte der Präsident das Dekret seines Vorgängers aufgehoben, da es keine rechtliche Grundlage für die staatliche Anerkennung von Religionen gebe.
Im Nordirak haben sich Christen mit öffentlichen Kundgebungen hinter den Patriarchen Louis Raphaël I. Sako gestellt. Bei Demonstrationen in Ankawa bei Erbil in der Autonomen Region Kurdistan und in Karamles in der Ninive-Ebene forderten die Demonstrierenden Gerechtigkeit für den Patriarchen. Nach der landesweiten Debatte und internationalen Protesten der chaldäischen Gemeinschaft erklärte der Präsident am Mittwoch, dass das Dekret einzig deshalb erlassen worden sei, weil der Staat nur staatliche Institutionen und Ämter anerkennen könne, nicht aber religiöse. "Geistliche, die mit Ämtern betraut werden, gelten nicht als Staatsbedienstete, für die ein Ernennungsdekret erlassen werden könnte", so die Stellungnahme. Das Dekret diene einzig und allein dazu, diesen Sachverhalt zu klären und habe keine weiteren Folgen. Zuvor hatte der Präsident bereits erklärt, dass Sako das rechtmäßig durch den Heiligen Stuhl ernannte Oberhaupt des chaldäischen Patriarchats sei. Das Patriarchat wies in seiner Stellungnahme darauf hin, dass es schon seit der Zeit des Abbasiden-Kalifats im achten Jahrhundert üblich gewesen sei, religiöse Führer staatlich anzuerkennen und diese Tradition seither ununterbrochen fortgeführt worden sei. In einem Brief an den Präsidenten kündigte Sako an, gegen die Rücknahme zu klagen.
Politische Machtspiele vermutet
Die Sorge des chaldäischen Patriarchats gründet darin, dass das nun aufgehobene Anerkennungsdekret aus dem Jahr 2013 nicht nur die Ernennung des Patriarchen bestätigte, sondern auch seine Zuständigkeit für die Verwaltung der Güter seiner Kirche im Land. "Jemand will die Kontrolle über Vermögen und Liegenschaften der Gläubigen und der Kirche übernehmen", zitiert "AsiaNews" eine anonyme Quelle aus dem Umfeld der chaldäischen Kirche. Die Entscheidung des Präsidenten könnte demnach auf ein Treffen mit dem Parteichef des "Babylon Movement", Rayan al-Kildani, zurückgehen. Die Partei vertritt zwar chaldäische Christen, ist aber nicht mit dem Patriarchat verbunden. Das Patriarchat hatte sich zuvor deutlich von der Bewegung distanziert.
Die chaldäisch-katholische Kirche hat ihren Sitz in Bagdad. Mit je nach Quelle 67 bis 80 Prozent der Christen sind katholische Chaldäer die größte christliche Konfession im Irak. Aktuellen Schätzungen zufolge ist der Anteil der Christen an der irakischen Bevölkerung in den vergangenen Jahren auf etwa ein Prozent zurückgegangen. Die Terrormiliz "Islamischer Staat" hatte die Chaldäer in ihren angestammten Gebieten im Nordirak vertrieben und mit großer Brutalität verfolgt. Nach Schätzungen sind zwei Drittel der Gläubigen vor Krieg und Terror aus dem Irak geflohen, viele in den Westen. Louis Raphaël I. Sako wurde 2013 von der Bischofssynode der Chaldäisch-katholischen Kirche zum Patriarchen von Babylon gewählt. 2018 wurde er von Papst Franziskus zum Kardinal erhoben, seit 2022 führt er den Titel "Patriarch von Bagdad". Sako warnt seit Jahren vor einem Verschwinden der Christen aus dem Nahen Osten. (fxn)