Möglichkeit von Amtsenthebung Kyrills ist umstritten

Ukrainische Kirche für Absetzung des Moskauer Patriarchen

Veröffentlicht am 28.07.2023 um 17:51 Uhr – Lesedauer: 

Kiew ‐ Moskaus Patriarch Kyrill I. rechtfertigt den Angriffskrieg Russlands in der Ukraine immer wieder mit dem Glauben. Die Orthodoxe Kirche der Ukraine möchte ihn dafür seines Amtes entheben. Doch könnte sie mit dieser Forderung überhaupt Erfolg haben?

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Die autokephale (eigenständige) Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) fordert eine Amtsenthebung des russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. Das höchste Gremium der OKU, das Landeskonzil, bat das Ehrenoberhaupt aller orthodoxen Kirchen, den Ökumenischen Patriarchen Bartholomaios I. von Konstantinopel, die "Lehre von der Russischen Welt" als ketzerische Äußerung zu verurteilen. In dem am Donnerstagabend auf der Kirchen-Website veröffentlichten Schreiben an Bartholomaios I. spricht sich das Landeskonzil zudem dafür aus, dem Moskauer Patriarchen den Thron zu entziehen, weil er diese Lehre verbreitet und Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine gesegnet und gerechtfertigt habe.

An dem von Kirchenoberhaupt Metropolit Epiphanius geleiteten Konzil nahmen am Donnerstag 161 Geistliche und Laien in der Kiewer Sophienkathedrale teil. Eine Bischofsversammlung der OKU hatte gegenüber Bartholomaios I. bereits vor etwa einem Jahr für eine Amtsenthebung von Kyrill I. plädiert. Mit dem Konzept der "Russischen Welt" versucht Moskau, die russische Invasion in der Ukraine zu rechtfertigen. Das westliche Nachbarland gehört laut dieser Doktrin zu Moskau.

Absetzung durch oberstes orthodoxes Kirchengericht unwahrscheinlich

Der russisch-orthodoxe Patriarch wirbt oft für den Fortbestand der "Heiligen Rus", zu der neben Russland und der Ukraine auch Belarus zähle. Dabei bezieht er sich auf ein im 10. Jahrhundert in Kiew gegründetes Reich. Der Ukraine und Belarus spricht Kyrill I. so quasi die völlige Souveränität ab. Im September 2022 versprach er russischen Soldaten, sie würden von all ihren Sünden reingewaschen, wenn sie im Krieg fallen. Das Sterben "bei der Erfüllung der militärischen Pflichten" verglich er damals mit der Opferung Jesu durch Gottvater.

Wie Kyrill I. als Oberhaupt der russisch-orthodoxen Kirche abgesetzt werden könnte, ist umstritten. Manche Befürworter seiner Amtsenthebung wünschen sich eine Versammlung der Vorsteher der orthodoxen Kirchen von Konstantinopel, Alexandria, Antiochien und Jerusalem, die in der Geschichte schon mehrmals als oberstes Kirchengericht fungiert habe. Bislang halten allerdings besonders die Patriarchen von Antiochien und Jerusalem zu Kyrill I. - ebenso die meisten anderen orthodoxen Landeskirchen.

In der Ukraine gibt es zwei konkurrierende orthodoxe Kirchen: die mit Hilfe von Bartholomaios I. 2018 gegründete OKU und die Ukrainische Orthodoxe Kirche (UOK). Auch viele Geistliche der UOK machten sich dafür stark, Kyrill I. vor ein Kirchengericht zu stellen. Sie werfen ihm ebenfalls vor, die Lehre der "Russischen Welt" zu propagieren, die als Häresie eingestuft werden müsse. (KNA)