Für gute Ernährung auch Fastengebote wiederentdecken

Welskop-Deffaa: Brauchen Werbeverbot für ungesunde Lebensmittel

Veröffentlicht am 05.08.2023 um 12:00 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Die Inflation treibt nicht zuletzt die Lebensmittelpreise nach oben. Das vorhandene Geld sollte für gesunde Lebensmittel ausgegeben werden, sagt die Caritas – und will ein Werbeverbot ungesunder Nahrung. Im Interview erläutert Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa die Gründe.

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Die Caritas will, dass Werbung für ungesunde Lebensmittel im Fernsehen verboten wird – gerade angesichts steigender Lebensmittelpreise. Im Interview spricht Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa über leere Portemonnaies, gesundes Essen – und was das Fasten damit zu tun hat.

Frage: Frau Welskop-Deffaa, warum ist Ihrer Ansicht nach ein generelles Verbot von Lebensmittelwerbung für ungesunde Lebensmittel im Fernsehen notwendig?

Welskop-Deffaa: Es geht dem Deutschen Caritasverband darum, aus der Erfahrung mit der Werbung für Tabak zu lernen. Wir möchten nicht, dass in einer Zeit, in der die Preise für gesunde Nahrungsmittel inflationsbedingt steigen, das knappe Budget vieler Familien für Lebensmittel aufgebraucht wird, die krank machen – nur weil die Werbung sie anpreist. Mit gutem Grund wird gerade diskutiert, ob die Mehrwertsteuer für Grundnahrungsmittel erlassen werden kann, um einkommensarmen Familien eine gute Ernährung zu sichern. Aus ähnlichen Gründen findet die Forderung nach einem kostenfreien gesunden Mittagessen in Grundschulen öffentlich breite Zustimmung. Wir können nicht zusehen, wenn das gute Essen der Schulmensa verkommt, weil die Kinder von Werbeprofis verleitet werden, ihr knappes Taschengeld für Süßgetränke am Kiosk auszugeben.

Frage: Ist das nicht etwas kurz gedacht? Schließlich verliert das Fernsehen gegenüber Social-Media-Inhalten und dort aktiven Influencern bei jungen Menschen mehr und mehr an Relevanz.

Welskop-Deffaa: Für den Caritasverband geht es nicht um die Frage Fernsehen oder Social Media. Uns geht es um die Frage: Was können wir gesellschaftlich tun, um die Attraktivität gesunden Essens zu unterstützen. Wir freuen uns über jeden YouTuber, der Eltern zeigt, wie man aus einer Gurke und einer Paprika eine lustige Geburtstagsschlange für die Kinderparty macht. Und wie man mit den Kindern leckere zuckerfreie Limonade selbst herstellen kann.

Bild: ©Rawpixel.com/Fotolia.com

Die Caritas setzt sich für mehr gesunde Lebensmittel auf dem Mittagstisch ein.

Frage: Macht ein Verbot die dann nicht mehr beworbenen Lebensmittel nicht noch interessanter?

Welskop-Deffaa: Nein. Aber natürlich ist ein Werbeverbot nicht alles, was zu tun ist, um gesunde Ernährung zu fördern. Ich glaube, wir brauchen eine heitere Tischkultur, die Spaß am Essen mit guten Gesprächen verbindet und nicht mit bekannten Labeln auf der Ketchup-Flasche.

Frage: Welche Rolle spielt der Alltag in der Familie? Sind Eltern nicht die entscheidendsten "Influencer" ihrer Kinder?

Welskop-Deffaa: Eltern haben unbestreitbar eine sehr wichtige Vorbildfunktion. Aber gerade in den Altersphasen, in denen Kinder gerne genau das Gegenteil von dem tun wollen, was ihre Eltern gut finden, kann es über Kleidung und Essen zu Konflikten kommen. Diese Konflikte werden leicht von Vorstellungen beflügelt, die aus der Clique oder aus der Werbung kommen.

Frage: Wie kann Kirche zu einem körperlich wie geistig gesunden Leben beitragen?

Welskop-Deffaa: Ich habe durchaus Sympathie für die Wiederentdeckung der überlieferten Fastengebote. Sie können unseren Sinn dafür schärfen, dass gutes Essen seine Zeit hat. Ich freue mich immer, wenn ich in unseren katholischen Jugendhilfeeinrichtungen oder Kitas sehe, wie viel Liebe die Erzieherinnen und Erzieher darauf verwenden, gemeinsame Mahlzeiten zu gestalten und Kindern ein Bewusstsein zu vermitteln vom Wert der Nahrungsmittel, die uns so selbstverständlich erscheinen. Immer mehr Kitas haben kleine Gemüse- und Kräutergärten oder Obstbäume. Mit der Pflege dieser Gärten gestalten wir Bildungsarbeit hin zu mehr Schöpfungspartnerschaft.

Von Christoph Paul Hartmann