Papst erntet Kritik für Aussage über Kindererziehung

Der Papst und die Familie

Veröffentlicht am 06.02.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Vatikan

Vatikanstadt ‐ Papst Franziskus wählt gerne plakative Aussagen – das ist spätestens seit seinen als " Karnickelgate " bekannt gewordenen Sätzen klar, in denen er darauf hinwies, Katholiken müssten sich nicht vermehren "wie die Kaninchen". Nun hat er mit plakativen Worten das Thema Erziehung aufgegriffen und ist dafür in die Kritik geraten.

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Was ist passiert? Am Mittwoch hatte Franziskus bei der Generalaudienz im Vatikan die unersetzbare Rolle der Väter für die Familie und die Erziehung der Kinder hervorgehoben. Dazu gehöre auch, dass Väter ihre Kinder mit Entschiedenheit korrigierten, ohne sie jedoch zu entmutigen - mit Bestimmtheit und Großherzigkeit, mit Geduld, aber auch mit der Bereitschaft zum Vergeben. Aufgabe des Vater sei es, das Wachsen und Reifen der Kinder zu begleiteten und ihnen "weiterzugeben, was im Leben wirklich zählt", sagte der Papst. Die Kirche unterstütze mit allen Kräften die wichtige Präsenz der Väter in den Familien, damit sie diese auch voll und großherzig wahrnehmen könnten.

Eine Familie bestehend aus Mutter, Tochter und Vater (von links nach rechts) läuft händchenhaltend eine Wiese entlang.
Bild: ©Kzenon / Fotolia.com

Eine Familie bestehend aus Vater, Mutter und Tochter.

Franziskus: "Er muss strafen, aber er tut es gerecht, und geht voran"

Wie nun bekannt wurde, illustrierte Franziskus diese Worte abweichend vom Redetext mit einer Anekdote. Er habe einmal einen Vater sagen hören: "Hin und wieder muss ich meine Kinder ein wenig schlagen, aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu erniedrigen". Die Aussage des Vaters kommentierte Franziskus mit den Worten, der Vater habe "Sinn für Würde. Er muss strafen, aber er tut es gerecht, und geht voran."

Papstsprecher Federico Lombardi sah sich unterdessen zu einer Einordnung der Aussage veranlasst: "Der Papst hat nicht dazu eingeladen, Kinder zu schlagen. Wie ganz richtig beobachtet wurde, zeigt der Papst gegenüber Kindern immer große Zuneigung und Zärtlichkeit". Er hält die Debatte deshalb für unbegründet. Die Annahme, der Papst halte die Prügelstrafe für ein gutes Mittel der Erziehung, sei offenbar ein Missverständnis, sagte Lombardi der Katholischen Nachrichten-Agentur. Franziskus habe deutlich gemacht, Eltern müssten zwar korrigieren, aber ohne zu erniedrigen. Für den Papst seien Liebe und Verantwortung die wichtigsten Grundlagen elterlicher Erziehung. Immer wieder habe er auch von der notwendigen Zärtlichkeit zwischen den Menschen gesprochen, so Lombardi.

Kinderhilfe: "Völlig daneben"

Dennoch haben die Worte des Papstes in Deutschland Diskussionen und Kritik ausgelöst. So hatte unter anderem die Sprecherin des Bundesfamilienministeriums, Verena Herb, gesagt, dass es "kein würdevolles Schlagen" gebe. "Jede Gewalt gegen Kinder ist verboten." Der Vorstandsvorsitzender der deutschen Kinderhilfe, Rainer Becker, nannte die Aussage "völlig daneben". Franziskus mache sich "mitschuldig, wenn auch nur einem einzigen Kind unter Verweis auf seine Aussage Schmerzen zugefügt werden", sagte Becker am Freitag in Berlin. Die Bundesvorsitzende der Grünen, Simone Peter, schrieb auf Twitter: "Alltägliche Gewalt gegen Kinder darf so nicht verharmlost werden". (gho/KNA)

6. Februar 2015, 17.20 Uhr: Um ein längeres Statement von Papstsprecher Lombardi ergänzt.

Dokumenation: Übersetzung der Worte des Papstes

"Ein guter Vater versteht es zu warten und zu vergeben, aus der Tiefe seines Herzens. Natürlich weiß er aber auch mit Entschlossenheit zu korrigieren: er ist kein schwacher, nachgiebiger, sentimentaler Vater. Der Vater, der es versteht zu korrigieren, ohne zu erniedrigen, ist derselbe, der Schutz gebietet, ohne sich zu schonen. [In freier Rede fährt der Papst fort:] Einmal habe ich in einer Versammlung mit Ehepaaren einen Vater sagen hören: 'Hin und wieder muss ich meine Kinder ein wenig schlagen, aber nie ins Gesicht, um sie nicht zu erniedrigen.' Wie schön! Er hat Sinn für die Würde. Er muss strafen, aber er tut es gerecht, und geht voran." (Quelle: Radio Vatikan)

Kommentar: Der "Klaps auf den Hintern"

Ein solches Verständnis von Erziehung deckt sich nicht dem in Europa verbreiteten Modell. Der berüchtigte "Klaps auf den Hintern" für Kinder ist zwar mancherorts noch in Verbreitung, aber er ist verpönt. Zu Recht, wie die Mehrheit der Kinderpsychologen meint. Körperliche Züchtigung ist für das Kind immer demütigend. Und letztlich nicht nur für das Kind: Auf Seite der Eltern sind in dieser Situation meistens Wut und Unvermögen im Spiel. Gerechte Erziehung? Fragwürdige Erziehung. Papst Franziskus´ Bemerkung streift biblische Monumentalsätze wie: "Wo ist der Sohn, den sein Vater nicht züchtigt?" (Hebr 12,7) Dieses Erziehungsmodell galt über Jahrtausende. In den westlichen Gesellschaften, und nur da, ist es erst in den vergangenen drei, vier Jahrzehnten zunehmend außer Gebrauch geraten. Die Prügelstrafe an deutschen Schulen wurde Anfang der 1970er gesetzlich abgeschafft. Franziskus entstammt einem anderen Kulturkreis und einer anderen Generation als die Eltern unserer Breitengrade. Das soll seine Aussage nicht rechtfertigen noch relativieren, sondern einordnen. Die Goldwaage im Vatikan ist, zusammen mit manch anderer Gerätschaft, derzeit in päpstlichen Magazinen verstaut. Franziskus legt seine Worte vorab keinem Haustheologen zur Absegnung vor. Das ist Teil seines Selbstverständnisses und Teil seines Pontifikats. Dass Franziskus nicht nur an-, sondern mitunter auch aufregt, haben wir mittlerweile verstanden. Und es liegt eine große Chance darin: die Chance auf Veränderung. Diskutieren wir in unseren Ortskirchen, bitte, wie wir katholischen Eltern es mit dem "Klaps auf den Hintern" halten sollen. Ich wünsche mir, dass ein unumwundenes Nein dabei herauskommt. Von Gudrun Sailer (Radio Vatikan) Den Kommentar finden Sie im Original auf der Seite von Radio Vatikan