Chefin von "Biblische Reisen": Geht um mehr als den Besuch von Stätten
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Die Geschichten aus der Bibel vor Ort begreifen und religiöses, historisches und kulturelles Wissen mitbringen: "Biblische Reisen" bietet Touren zu Stätten der Heiligen Schrift an. Irmela Preissner, die neue Geschäftsführerin des Reiseveranstalters, ist selbst bereits in der ganzen Welt unterwegs gewesen. Wie viel hat das mit ihrem Glauben zu tun? Und wie geht es dem Tourismus durch Corona, Inflation, Terroranschläge und Konflikte? Ein Interview.
Frage: Sie haben auf vier Kontinenten gelebt und gearbeitet und über 75 Länder bereist. Viele Ihrer Reiseziele haben etwas Religiöses an sich. Hat das etwas mit Ihrem Glauben zu tun, dass Sie gerne reisen und diese Ziele entdecken?
Preissner: Für mich persönlich auf jeden Fall. Ich finde, Religion an sich ist immer ein ganz wichtiger Teil jeder Kultur. So hatte ich das Glück, schon ganz tiefe Einblicke zu gewinnen in die verschiedenen Religionen.
Bei meiner Gastfamilie in den USA war ich regelmäßig zweimal pro Woche in der Kirche. Die waren in einer Freikirche. Da habe ich eine ganz andere Art von Gottesdienst erlebt. In den USA ist das ja mit anderem Gesang und mit modernerer Musik verbunden. Da waren neuere Gebäude, keine alten Kirchenorgeln.
Im Hobbybereich war ganz viel über Kirchen organisiert. Spannenderweise hatte unsere Kirche zum Beispiel ein Basketballteam, da gab es eine Kirchen-Basketball-Liga, die dann gegeneinander gespielt hat. Das fand ich sehr spannend.
Ich habe an meinen anderen Stationen immer viel miterleben können. Ich war zum Beispiel in Indonesien für sechseinhalb Jahre, das ist ja das größte muslimische Land der Welt. In der Zeit habe ich natürlich viele Moslems kennengelernt. Die waren immer alle sehr offen, einen einzuladen und auch etwas von ihrer Religion und Kultur zu teilen, vielleicht mal zu besonderen Festtagen einzuladen oder eben zum Fastenbrechen während des Ramadans.
So konnte ich da immer schon viele Einblicke gewinnen und habe meine Reisen oft ein bisschen danach ausgerichtet, was ich an der Kultur lernen und was ich da sehen kann. Gibt es vielleicht Tempel zu besichtigen? Das ist ja auch immer so eine ganz lebendige Form der Religion, das zu beobachten. Deswegen war ich viel in Asien unterwegs und habe mir Länder wie Japan oder Indonesien zum Beispiel angeschaut, wo ich viel mitnehmen konnte über die verschiedenen Religionen.
Frage: Das ist ja auch der Bezug zu Ihrem jetzigen Job, Sie sind in dieser Nische des Tourismus mit religiösem Bezug gelandet. Seit Sommer sind Sie Chefin von "Biblische Reisen" – in einer Zeit von Konflikten, häufig genau in den Ländern, in die Sie die Reisen anbieten. Dann kommen auch noch die Kirchenaustritte dazu. Das heißt, viele Menschen fühlen sich gar nicht mehr so der Kirche zugehörig und würden vielleicht solche religiösen Reisen in Anspruch nehmen. Die Inflation, deutlich gestiegene Preise und die Corona-Pandemie haben ja die Tourismusbranche insgesamt sehr beunruhigt. Da haben Sie sich schon was vorgenommen...
Preissner: Ja, das stimmt. Das ist jetzt ein spannender Zeitpunkt, nach Corona wieder einzusteigen. Insgesamt war das natürlich ein harter Schlag für die ganze Branche. Wir hatten ja im Grunde ein Berufsverbot. Die meisten Reiseveranstalter sind in die Kurzarbeit gegangen, viele zu 50 Prozent, viele auch zu 100 Prozent.
Die meisten Reiseveranstalter mussten viel Personal abbauen. Viele Mitarbeitende haben sich eigene andere Jobs gesucht in Bereichen, in denen man arbeiten konnte. So gab es natürlich große Umwälzungen in der Tourismusbranche. Jetzt geht es Gott sei Dank wieder aufwärts. Die Zahlen steigen, die Reiselust steigt wieder.
Man muss natürlich aber auch noch im Kopf behalten, dass die ganzen Beschränkungen erst Anfang dieses Jahres langsam abgebaut wurden. Es war ja immer noch so, dass man über den Winter Masken getragen hat in den öffentlichen Verkehrsmitteln. Das ist alles gar nicht so lange her.
Bei der Form des Reisens, die wir machen, dauert es oft ein bisschen, bis das alles wieder in den Schwung kommt. Wir bieten Gruppenreisen an, wo man zubuchen kann. Das heißt, wenn jetzt eine oder zwei Personen reisen und mit einer Gruppe gerne ein Land erleben möchten, dann können sie sich da einfach einbuchen.
Unser Hauptgeschäft sind aber Gemeindereisen, im Grunde also maßgeschneiderte Gruppenreisen für schon bestehende Gruppen. Und die haben oft ein bisschen mehr Vorlauf. Deswegen ist es so, dass wir uns dieses Jahr eher noch etwas erholen. Wir haben wieder ein Wachstum, aber noch kein starkes Wachstum. Wir sehen aber jetzt, dass die Anfragen fürs nächste Jahr stark steigen.
Es werden Kirchengemeinden zusammengelegt. Unsere früheren Ansprechpartner, die Pastoren oder auch die Leiter der Kirchenchöre, mit denen wir sonst gesprochen haben, die dann mit ihren Gruppen Reisen unternommen haben, gerade auch nach Israel oder nach Jordanien, die haben eventuell gar keine Zeit mehr, weil sie jetzt für viel größere Gemeinden zuständig sind.
Wenn Gemeinden zusammengelegt werden, haben sie da vielleicht auch im Management des Ganzen viel mehr zu tun oder müssen auch in verschiedenen Kirchen ihre Gottesdienste abhalten. Das ist natürlich jetzt für uns die große Aufgabe zu sehen, wie wir trotzdem die Gruppenleiter so gut wie möglich unterstützen können und es ihnen so einfach wie möglich machen können.
Da sind wir gerade dran, verbessern das immer noch weiter. Aber im Grunde übernehmen wir die ganze Organisation einer Reise. Wir brauchen nur ein Vorgespräch, damit wir wissen, wohin es gehen soll. Und dann schreiten wir zur Tat. Wir buchen, wir beraten, wir stellen auch Marketingmaterialien zur Verfügung. Es wird dann mit den einzelnen Reisenden alles abgerechnet und die Reiseverträge geschlossen. Da hat der Gruppenleiter im Endeffekt gar nicht so viel Arbeit. Trotzdem schauen wir natürlich: Wie können wir es noch weniger und noch spannender machen?
Gruppenreisen bieten ja immer eine ganze Menge Vorteile. Vor allen Dingen stärkt das die Gruppe, die reist. Man wächst zusammen, man lernt Destinationen kennen, man hat gemeinsame Reiseerfahrungen. So etwas schweißt einfach zusammen. Ich glaube, gerade in diesen Zeiten sind solche Gemeindereisen eigentlich total wichtig, denn es bietet die Möglichkeit, dass die Gemeinde danach wirklich ein Stückchen mehr zusammenwächst.
Und wir hören immer wieder von unseren Pfarrerinnen und Pastoren, dass sie sagen, danach ist die Gemeindearbeit eine andere, weil man sich einfach anders aufeinander verlassen kann. Man hat sich irgendwie anders kennengelernt, besser kennengelernt und das bringt dann viele Vorteile.
„Und wir hören immer wieder von unseren Pfarrerinnen und Pastoren, dass sie sagen, danach ist die Gemeindearbeit eine andere, weil man sich einfach anders aufeinander verlassen kann.“
Frage: Wer bucht Ihre Reisen und welche Rückmeldungen kriegen Sie von denen?
Preissner: Wir sind ein ökumenischer Veranstalter. Deswegen werden die Reisen insgesamt von Christen gebucht, zur Hälfte von Christen katholischen Glaubens und zur Hälfte von Christen evangelischen Glaubens. Natürlich haben wir auch immer mal die eine oder andere Variation mit dabei. Insgesamt sind die Reisen offen für Menschen auch anderer Religionen. Das möchten wir natürlich fördern.
Ansonsten haben wir aber verschiedene Vereine, die unsere Reisen buchen, Bildungseinrichtungen und es gibt einfach auch einige Stammkunden, die schon seit 20 oder 30 Jahren mit uns Gruppenreisen organisieren und da mittlerweile so ihren eigenen Fanclub oder Reiseclub haben, die dann gerne mit uns unterwegs sind.
Frage: Natürlich spielt neben der Kultur und der Geschichte des jeweiligen Reiseziels auch immer die Religion eine Rolle. Wie viel "Kirche" steckt im Verreisen mit Ihrem Veranstalter drin? Wirkt sich das auch aus, dass die Kirche als Institution gerade bei einem Großteil der Gesellschaft an Bedeutung verliert?
Preissner: Wir sind an sich ja kein kirchlicher Veranstalter, aber die Gesellschaften, die den Veranstalter gegründet haben, sind das Katholische Bibelwerk, die die katholische Bibel herausbringen, und die Deutsche Bibelgesellschaft, die die evangelische Bibel herausbringen. Die wollten einfach die Bibel erlebbar machen. So hat sich das ursprünglich entwickelt. Deswegen schauen wir natürlich, dass wir, wenn wir an einen Ort fahren wie Israel, auch die biblischen Stellen mit drin haben.
Ich würde aber sagen, dass es, wie der Name schon sagt, da eher um die Bibel geht, die Bibel zu erleben oder zum Beispiel das Christentum zu erleben. Es geht weniger direkt um die Kirche in dem Sinne. Wir haben aber in unserer Firma auch einen theologischen Leiter und der theologische Leiter ist natürlich immer im engen Austausch mit der Bibelgesellschaft und dem Katholischen Bibelwerk. Er schaut dann, dass die Reisen insgesamt vom Programm her auch das ein bisschen aufnehmen oder dem entsprechen.
Wir haben aber auch jetzt ganz neu Reisen im Angebot, die in andere Zielgebiete gehen. Denn uns geht es nicht nur darum, den christlichen Glauben zu stärken oder zu Stätten der Bibel zu reisen, sondern insgesamt einfach mehr Verständnis und Toleranz in der Bevölkerung, in der Gesellschaft hervorzurufen. Denn das ist ja eigentlich das, was das Reisen so ausmacht und was das Reisen mit sich bringt.
Deswegen haben wir ganz neu auch andere Religionen, die wir auf unseren Reisen vorstellen. Es gibt zum Beispiel jetzt eine Reise nach Indien, wo der Hinduismus im Besonderen vorgestellt wird, oder eine Reise nach Sri Lanka, wo der Buddhismus vorgestellt wird. Es gibt auch eine Reise nach Israel, wo das Judentum noch mal insbesondere vorgestellt wird und dann nicht auf die christlichen biblischen Stätten geschaut wird. Und es gibt auch eine Reise nach Saudi-Arabien, wo es darum geht, den Islam kennenzulernen.
Im Grunde ist es ja gerade das Wissen um die anderen Religionen, das die Toleranz in einem selbst fördert. Es ist ja eher das Nichtwissen, was Ängste oder Sorgen hervorruft. Da möchten wir uns auch ein bisschen einbringen.
Frage: An den Orten, zu denen Sie die Reisegruppen mitnehmen, haben sich in den vergangenen Jahren immer mehr Hürden aufgetan: Zum Beispiel der Syrienkrieg seit 2011, der Putschversuch in der Türkei 2016, terroristische Anschläge... Entlegene, spannende und geschichtsträchtige Orte eigentlich, wenn man sich beispielsweise auf die Spuren der Bibelgeschichte begibt und Religionen kennenlernt. Wie aussichtslos oder hoffnungsvoll ist die Lage für Sie aktuell für die Zukunft?
Preissner: Die Lage ist sehr hoffnungsvoll. Es ist so, dass diese Konflikte natürlich bestehen. Wir merken aber auch, dass jetzt gerade zum Beispiel Israel ein typisches Ziel ist. Es ist oft in den Medien – auch gerade wieder mit bestimmten Unruhen und Konflikten. Die Türkei war auch viel in den Medien. Das Gute ist ja, dass wir wirklich Jahrzehnte lange Erfahrungen in den Gebieten haben und auch die Partner vor Ort.
Wir sind wirklich meist täglich im Austausch mit unseren Partnern – zum Beispiel in Israel oder in der Türkei – und sind da immer auf dem neuesten Stand. Das ist ja immer ganz wichtig. Die Reiseleiter kennen sich ganz genau aus und wir bieten die Gruppen an, die komplett geführt sind. Man hat den Busfahrer dabei, den Reiseleiter dabei, das sind oft Einheimische. Und die kennen natürlich die Destinationen wie ihre eigene Westentasche.
Das Tolle daran ist, dass die genau wissen, wo man hingehen kann und wo nicht. Gibt es einen Bereich in der Stadt, der gerade etwas unsicherer ist oder wo es vielleicht zu einer Demonstration kommen könnte? Es ist natürlich so, dass wir dann in dem Fall dort nicht hingehen und notfalls natürlich auch eine Reise absagen würden.
Das können wir natürlich mehr leisten, als es jetzt ein einzelner Reisender könnte, der einfach sagt: Mensch, ich fliege nach Israel, ich nehme mir einen Mietwagen – und auf einmal fährt er in ein Gebiet, was er gar nicht einschätzen kann. Das passiert natürlich bei uns nie.
Es ist auch so, dass die Menschen sich ein bisschen schon an Konflikte gewöhnt haben, leider. Damals ja auch schon an Anschläge. Im Grunde geht man schon mit einer gewissen Ruhe – vielleicht mehr als vor ein paar Jahren noch – rein, weil man weiß: Ja, es gibt immer mal was und es kann auch immer mal was passieren. Aber wir können da eben die Gewissheit geben, dass wir ganz viel Wissen mitbringen und im ständigen Austausch sind mit den Partnern vor Ort. Da haben wir Länderkenntnisse, die man sonst als einzelner Tourist gar nicht hat.
Wenn man dann so ein Land bereist, merkt man ja auch immer: Es gibt vielleicht Konflikte oder Spannungen, aber die Menschen vor Ort sind eigentlich doch immer alle wie wir. Eigentlich sind ja immer alle Menschen gleich. Die leben ihr tägliches Leben, man kümmert sich um seine Familie, man möchte irgendwie genug haben, um die Familie ernähren zu können, um ein Dach über dem Kopf zu haben und um glücklich zu sein. Das ist eigentlich etwas, das man vor Ort erlebt.
Deswegen ist Reisen wichtig, auch in Zielgebiete, wo es vielleicht gerade bestimmte Konflikte gibt. Denn die Menschen sind trotzdem noch da. Es ist ja auch immer nicht ein ganzes Land, was eine politische Richtung oder einen bestimmten Machthaber unterstützt. Es ist ja oft die Hälfte oder weniger. Und dann gibt es noch die andere Hälfte – und die freut sich meist sehr, dann Besucher in ihrem Land begrüßen zu dürfen.