Bischof Overbeck besorgt über restaurative Tendenzen in der Kirche
Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck beobachtet "mit großer Sorge" restaurative Tendenzen in der katholischen Kirche. Konkret sprach Overbeck am Mittwoch in einem Interview von "kirche-und-leben.de" von religiös-reaktionären Bewegungen, "die meines Erachtens in der Beschreibung eher dem identitären Umfeld zuzuordnen sind". Und weiter: "In dieser Dimension sind das recht neue Phänomene, die andere religiöse Deutungen als 'Häresien' abqualifizieren und sich im Besitz der einen absoluten Wahrheit wähnen." In gewisser Weise seien diese Bewegungen "das religiöse Äquivalent zur neuen politischen Rechten mit nicht selten direkten Verbindungen". Er selbst unternehme alles in seiner Macht Stehende, um darauf hinzuwirken, dass diese Tendenzen in der Kirche möglichst klein blieben.
Der Essener Bischof rief die Kirche dazu auf, im Kampf gegen rechte Tendenzen in der Gesellschaft "sehr deutlich und vernehmbar im Chor derer mitzuwirken, die entschieden für unsere liberale Demokratie eintreten". Dabei gehe es um Rechtsstaatlichkeit, um Freiheit, Gleichheit und Würde aller Menschen als Personen, um soziale Marktwirtschaft und letztlich auch immer wieder um die Meinungs- und Religionsfreiheit aller.
Overbeck erläuterte weiter, dass rechte Parteien vielfach Zerr- und Angstbilder nutzten, um ihre politischen Ziele zu erreichen. "Davor kann man alle demokratischen Parteien der Mitte nur eindringlich warnen, denn diese Strategie ist menschenfeindlich. Das gilt insbesondere gegenüber Geflüchteten, die zu Gegnern, ja man muss sogar sagen, zu Feinden des 'neuen Wir' gemacht werden", so der Bischof. Er warnte zugleich davor, dass die Demokratie von zwei Seiten her derzeit "massiv unter Druck" stehe: "Von außen her durch Autokraten, die selbst vor einem Angriffskrieg nicht zurückschrecken. Aber auch von innen her durch jene, die auf die schwierigen Fragen unserer Zeit verlockend einfache und bequeme Antworten anbieten." Diese einfachen Antworten hätten jedoch alle einen hohen Preis. Sie wollten überzeugen, indem sie das Vertrauen in die Demokratie schwächten. "Denn sie setzen auf das Recht des Stärkeren und die zerstörerische Kraft der Gleichgültigkeit. Unsere Demokratie hingegen lebt von der Stärke des Rechts und davon, dass Menschen für die Werte eintreten, die unter anderem im Grundgesetz beschrieben sind", so Overbeck. (stz)