Liturgiewissenschaftlerin: Kinderbeichte unverständlich und zu früh
Die Frage nach der Erstbeichte im Zusammenhang mit der Erstkommunion ist ein kontrovers diskutiertes Thema. Doch wie hängen Erstkommunion und Beichte historisch betrachtet zusammen? Die Schweizer Liturgiewissenschaftlerin Birgit Jeggle-Merz von der Universität Luzern gibt in ihrem Gastbeitrag einen umfassenden Überblick der geschichtlichen Entwicklungen und zeigt auf, warum es sich lohnen würde, die Beichte für Kinder erst nach der Erstkommunion einzuführen.
Das Bußsakrament ist die Vorbereitung auf den Kommunionempfang. Schaut man ins Kirchenrecht, besteht auf den ersten Blick darüber kein Diskussionsbedarf: Das Gesetzbuch sieht vor, dass erst "nach vorheriger sakramentaler Beichte" die Kinder "mit dieser göttlichen Speise gestärkt werden" sollen (c. 914 CIC 1983). Der Empfang des Bußsakramentes ist demnach unverzichtbare Vorbereitung auf den Kommunionempfang. Überlegungen, die Einführung in das Bußsakrament erst nach der Erstkommunion anzusetzen oder sie sogar noch weiter hinauszuschieben, kommen hierin nicht vor. Doch schon nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil gab es eine Diskussion um die Reihenfolge der Sakramente und die römischen Behörden erteilten auch Ausnahmegenehmigungen. Demnach konnte ad experimentum die Erstbeichte auch nach der Erstkommunion gehalten werden. Diese Genehmigungen wurden aber 1973 wieder zurückgenommen.
Allerdings hatte man im deutschsprachigen Raum zu dieser Zeit schon gute Erfahrungen mit der Beichte nach der Erstkommunion gemacht, so dass sich sowohl die Würzburger Synode 1974 als auch die Vollversammlung der Deutschen Bischöfe 1975 nicht leichttaten, der römischen Anweisung zu folgen. Man sprach sich letztlich doch für die Beibehaltung der traditionellen Reihenfolge der Sakramente aus. Im theologischen Votum des damaligen Erzbischofs von München, Joseph Kardinal Ratzinger, fanden sich seinerzeit Befürworter und Gegner einer späteren Erstbeichte wieder: "Bußerziehung ist ein inneres Moment eucharistischer Erziehung; eucharistische Erziehung schließt Bußerziehung ihrem Wesen nach ein und würde ohne sie eine ihr wesentliche Dimension verlieren." Hier wirkte nach, was lange Zeit unhinterfragt war.
Spätestens seit dem 12. Jahrhundert war der Empfang der Kommunion an die vorherige Beichte gebunden und bis in die frühen 1960er Jahre wurde vor der Messe, und nicht selten noch parallel dazu, die Beichte derer abgenommen, die anschließend zur Kommunion gehen wollten. Dies hatte sich so tief in die katholische Seele eingebrannt, dass man nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil zwar von der Beichtpflicht vor jedem Kommunionempfang absah, aber bei den Erstkommunikanten daran festhielt. In den 1960er und frühen 1970er Jahren hatte die Einführung in die Beichte vor der Erstkommunion auch in gewisser Weise einen Sitz im Leben. Damals war es weiterhin (noch) üblich – zumindest in der katholischen Grundschule – in regelmäßigen Abständen klassenweise zur Beichte zu gehen.
Dies entsprach einer Praxis der ab dem 17. Jahrhundert aufgekommenen "Andachtsbeichte". Sie war ganz auf das Bekenntnis leichter Sünden konzentriert und diente hauptsächlich der Vorbereitung auf den Kommunionempfang. Dass das Konzil von Trient das Bußsakrament zwar deutlich gegenüber den Vorbehalten der Reformatoren verteidigt hatte, aber nur das Bekenntnis der Todsünden – also Mord, Ehebruch, Unzucht, Götzendienst – ausdrücklich forderte (DH 1680), geriet dabei in Vergessenheit. Entscheidend war nur noch der Zusammenhang von Beichte und Kommunionempfang. Die Beichte war damit der feste Ort der Vergewisserung über die Zulassung zur Erstkommunion.
Beichte vor Erstkommunion fest in katholischen DNA verankert
So kann man den Eindruck gewinnen, dass der Empfang des Bußsakraments vor der Erstkommunion fest in der katholischen DNA verankert ist. Im ersten Jahrtausend war es jedoch weithin Brauch, den Neugetauften sogleich auch die Eucharistie zu reichen. Damit stellte sich die Frage nach einer eigenen Erstkommunion beziehungsweise einer Vorbereitung darauf gar nicht. Erst als man intensiv zu reflektieren begann, unter welchen Voraussetzungen ein Christ oder eine Christin den Leib Christi empfangen könne, kam auch die Frage in den Blick, ob das auch für Kinder gelte. Das IV. Laterankonzil (1215) verfügte daraufhin, dass "jeder Gläubige beiderlei Geschlechts, nachdem er in die Jahre der Unterscheidung gelangt ist, wenigstens einmal im Jahr all seine Sünden allein dem eigenen Priester getreu beichten, die ihm auferlegte Buße nach Kräften zu erfüllen suchen und zumindest an Ostern ehrfürchtig das Sakrament der Eucharistie erlangen" solle (DH 812).
Erst im Zuge dieser Festlegung wurde es Usus, die Kinder ab dem siebten Lebensjahr zur Kommunion zu führen und ihnen vorab die Beichte abzunehmen. Bei dieser Beichte ging es jedoch keineswegs nur um ein Bekenntnis der Sünden. Der Pfarrer hatte sich auch darüber zu vergewissern, dass die Kinder über Mindestkenntnisse des christlichen Glaubens verfügten. Er hatte sie in der Beichte nach dem Glaubensbekenntnis, dem Vaterunser, dem "Gegrüßet seist du, Maria" zu befragen und sich vor der Kommunion noch einmal zu vergewissern, dass die Kinder die Zehn Gebote kannten und die erforderliche Frömmigkeit zum Empfang des Sakraments mitbrachten. Entsprechend ordnete auch das Konzil von Trient die pfarrliche Katechese (vgl. Conciliorum Oecumenicorum Decreta 703). Die Beichte vor der Erstkommunion ist nach diesem Verständnis eine Art Skrutinium, also eine Auseinandersetzung mit dem persönlichen Glauben, die über die Zulassung zur Kommunion entscheidet.
„Es wäre viel gewonnen, wenn den Kindern vermittelt werden könnte, dass die Feier der Eucharistie grundlegend sündentilgende Kraft hat.“
Von jahrgangsweisen Erstkommunionfeiern kann aber noch lange nicht die Rede sein. Diese kommen erst ab dem 17. Jahrhundert auf. Angeregt durch die Jesuiten wurde die Vorbereitung auf die Erstkommunion in die 8- bis 14-tägigen Volksmissionen integriert. Durch Katechismusunterricht, Exerzitien und Beichte sollten die Kinder auf den Weg geführt werden, "ihre Seele mit Jesus zu vereinen". Der Beichte kam in diesem Zusammenhang eine wichtige Rolle zu. Als Ausdruck dessen, dass sie so bereitet ein erneuertes Leben in der Treue zur Kirche und ihren Geboten führen würden, wurden sie, in Weiß gekleidet, wie Engel zum Altar geführt. Im 19. Jahrhundert wurden dann derartige feierliche Erstkommunionen fester Bestandteil des pfarreilichen Lebens. Der Fokus verschob sich allerdings. Nicht mehr die Umkehr des Lebens stand im Zentrum der Vorbereitungen, sondern alles zielte auf den würdigen Empfang der Kommunion. Seinen Ausdruck findet dies im beginnenden 20. Jahrhundert im Kommuniondekret "Sacra Tridentina Synodus" (1905), in dem Pius X. alle Gläubigen zu einem häufigeren Kommunionempfang aufforderte und für die Kinder die Frühkommunion empfahl. Die Beichtpflicht vor dem Empfang der Kommunion hatte sich schon längst durchgesetzt und wurde kaum in Frage gestellt.
Beichte heute für Kinder unverständlich
Die Praxis der feierlichen Erstkommunionen mit einer längeren Vorbereitungszeit gibt es bis heute. Noch einmal hat sich allerdings der Fokus verschoben. Die Vorbereitung auf die Erstkommunion stellt für die Kinder und deren Familien nicht selten den ersten Berührungspunkt mit Kirche und Glauben dar. Erfahrungen mit Gottesdienst und Eucharistiefeiern können nicht ohne Weiteres vorausgesetzt werden. Anders als in früheren Zeiten ist es deshalb notwendig, in vorsichtigen Schritten für Familien die Begegnung mit Gott einzuüben und Erfahrungsräume zu schaffen, in denen aufleuchtet, was Glauben bedeutet. Dass die Umkehr für den Glauben eine wichtige Dimension ist, braucht dabei nicht vergessen gehen. Es wäre viel gewonnen, wenn den Kindern vermittelt werden könnte, dass die Feier der Eucharistie grundlegend sündentilgende Kraft hat (vgl. Mt 14,24), weil sie die Feiernden mit dem zentralen Heilsgeschehen in Jesus Christus in Berührung bringt. Die sakramentale Form von Umkehr und Versöhnung hat heute keinen rechten Ort mehr im Rahmen der Erstkommunionvorbereitung. Als Vorbereitung auf einen würdigen Empfang der Kommunion bleibt die Beichte unverständlich und als Ausdruck einer Umkehr des Lebens hin zum christlichen Glauben erscheint es zu früh. Es würde viel dafürsprechen, eine Einführung in das Bußsakrament erst später anzusetzen, wenn das Leben ohnehin viele Umbrüche bringt und sich die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt.
Zur Person
Birgit Jeggle-Merz kommt aus Münster in Deutschland und studierte Theologie in Bonn und Freiburg im Breisgau. Seit 2006 ist sie Professorin für Liturgiewissenschaft an der Theologischen Hochschule Chur und a.o. Professorin für Liturgiewissenschaft an der Theologischen Fakultät der Universität Luzern. Die Theologin ist Autorin zahlreicher Veröffentlichungen. Zu den Schwerpunkten ihrer Arbeit zählen die Wort-Gottes-Feier, die performative Dimension der Liturgie sowie der Themenkreis Liturgie und Lebenswelt.