Königsmünster-Abt Cosmas: Orden waren immer Avantgarde
Diversität im Kloster ist für den neuen Abt von Königsmünster, Cosmas Hoffmann, ein großes Plus. Im katholisch.de-Interview erklärt der Ordensmann, welche Impulse sein Kloster in die Gesellschaft geben kann und welcher Umgang mit verschiedenen Meinungen aus seiner Sicht "wirklich katholisch" wäre.
Frage: Abt Cosmas, Sie sind seit Mitte August im Amt. Wie herausfordernd ist Ihr neues Amt angesichts der Vertrauenskrise in der Kirche, die auch die Orden betrifft?
Abt Cosmas: Natürlich ist es eine große Herausforderung. Aber was das Thema Spiritualität angeht, nehme ich schon noch großes Vertrauen in die Orden wahr. Als Suchorte sind Klöster durchaus weiter geschätzt. Kürzlich hatten wir eine Gruppe führender Mitarbeiter einer weltweit operierenden Firma hier, die im Haus der Stille auch Personalberatung machen. Das war ein sehr lebendiges Gespräch – und da habe ich gemerkt, dass man durch Begegnung konkret eine ganze Menge an Unsicherheiten, Vorurteilen oder Zurückhaltung abbauen kann, indem man einfach einladend ist. Das ist ja das Prinzip der benediktinischen Gastfreundschaft.
Frage: Ihr Konvent besteht aktuell aus 46 Mönchen. Das klingt jetzt im Vergleich zu anderen Klöstern nicht gerade nach akutem Mitgliedermangel. Was machen Sie richtig?
Abt Cosmas: Ja, es klingt so, als würden wir vieles richtig machen (lacht). Aber das Durchschnittsalter der Mönche liegt bei 60 Jahren. Ich gehöre zu den vielen, die vor 35 Jahren eingetreten sind und finde, dass wir mittlerweile ganz schön alt sind. Deshalb ist das Thema Nachwuchsgewinnung und -förderung auch für uns ein ganz akutes. Gerade die Corona-Phase war hart, weil man bei uns Benediktinern mitleben muss, um eine Idee zu bekommen, wie das Klosterleben ist. Das ging wegen der Pandemie-Verordnungen lange Zeit nicht: Es sind keine Schulklassen gekommen, keine jungen Leute unverbindlich im Jugendgastbereich gewesen, geschweige denn in der Klausur. Ich bin froh, dass das jetzt alles langsam wieder anläuft, und es melden sich auch wieder junge Männer mit Interesse am Klosterleben.
Frage: Was können Sie ganz konkret in Sachen Nachwuchsarbeit tun?
Abt Cosmas: Das ist eine große Frage, weil es etwas ist, was man letztlich nicht machen kann. Wichtig für uns als Konvent ist es, einen Rahmen zu schaffen: Wenn jemand zu uns kommt, soll er merken, dass die Mönche in einer guten Weise leben, Mensch-Sein ausstrahlen, authentisch sind und für das stehen, was am Anfang der Benediktsregel steht: "Wer ist der Mensch, der das Leben liebt und gute Tage zu sehen wünscht?". Wenn das rüberkommt, strahlt es Kraft aus. Wenn eine Gemeinschaft Panik hat vor der Zukunft oder sagt, eigentlich sollte man langsam mal ein Seniorenheim aus dem Ganzen hier machen, wird es eher schwierig. Aber wenn wir ein echter Lebensort sind, wo man Leben in Fülle findet, wirkt das auch auf andere faszinierend.
Frage: Es gibt das Klischee, dass Leute, die in einer persönlichen Krise sind, sich überlegen, ins Kloster zu gehen. Dazu gibt es manche, die Priester werden wollen, aber wegen mangelnder persönlicher Eignung nicht im Priesterseminar aufgenommen werden. Die zieht es dann manchmal auch ins Kloster. Überspitzt gefragt: Wie sorgen Sie dafür, dass Ihr Kloster nicht zu einer Art Abstellgleis wird?
Abt Cosmas: Unser Konzept des Miteinander-Lebens ist hierbei ideal. Es gibt Orden, die psychologische Tests machen und dadurch versuchen, auszusieben. Bei uns ist es so, dass man im Alltag merkt, wie tragfähig ein Mensch ist, wie er sich in der Gemeinschaft engagiert. Ist das jemand, der von "Konto" der Gemeinschaft nur abhebt oder auch einzahlt? Schon Benedikt schreibt in seiner Regel, worauf man achten muss, wenn jemand kommt. Er sagt immer, man muss schauen, ob derjenige wirklich Gott sucht. Das merkt man daran, ob einer wirklich auch an Gottesdiensten teilnimmt, beim Gemeinschaftsleben dabei ist und – eine ganz wichtige Sache –, ob er die Fähigkeit hat, mit Schwierigkeiten umzugehen. Da sind wir bei einem Thema, das gesellschaftlich total en vogue ist: Resilienz. Wenn es bei Interessenten an diesen Dingen fehlt, klappt es mit der Gemeinschaft auch nicht.
Frage: Gab es bei Ihnen konkret schon den Fall, dass der Konvent einen Interessenten abgelehnt hat?
Abt Cosmas: Ja. Bei uns ist es in der Regel so, dass nach dem Postulat und Noviziat die Zeitliche Profess zunächst für ein Jahr folgt. Wenn ein Mitbruder den entsprechenden Antrag stellt, kommt er ins Kapitel und erzählt, warum er bleiben möchte. Da können ihm die anderen Mönche ein Feedback geben, was ihnen im Alltag aufgefallen ist. Dann wird ihm meistens noch das eine oder andere nahegelegt. Einmal hatten wir den Fall, da haben wir der Zeitlichen Profess zugestimmt, weil der Betroffene klar benannt hat, in welchen Bereichen er Verbesserungsbedarf bei sich sieht und erklärt hat, dass er daran arbeiten wird. Wir haben im folgenden Jahr aber nicht wirklich gemerkt, dass sich da etwas ändert. Deshalb haben wir ihm dann nahegelegt, das Kloster zu verlassen.
Frage: Wenn wir jetzt nochmal auf den Konvent blicken: Bei 46 Mönchen gibt es bestimmt eine große Diversität und Pluralität. Ist die auch in kirchenpolitischen Fragen erkennbar?
Abt Cosmas: Es ist ganz eindeutig erkennbar, dass wir verschiedene Perspektiven auf kirchliche Entwicklungen haben. Es gibt Brüder, die sich ganz stark für die Themen des Synodalen Wegs einsetzen. Aber es gibt auch solche, die zu manchen Themen kritische Nachfragen haben. Das betrifft nicht nur kirchliche, sondern auch gesellschaftliche Debatten, etwa mit Blick auf die Genderthematik.
„Ich betone immer wieder, dass Diversität im Kloster ein großes Plus ist, weil dadurch verschiedene Perspektiven zusammenkommen, die bei der Lösung von Problemen helfen können.“
Frage: Macht diese Pluralität das Gemeinschaftsleben komplizierter?
Abt Cosmas: Nein. Ich betone immer wieder, dass Diversität im Kloster ein großes Plus ist, weil dadurch verschiedene Perspektiven zusammenkommen, die bei der Lösung von Problemen helfen können. In der Welt, in der wir heute Leben, muss man Vielfalt nutzen. Und wenn verschiedene Sichtweise aufeinanderprallen, ist es notwendig, dass wir das aushalten. Aber gerade in Krisensituationen liegt darin eine Chance, denn manchmal funktioniert ein anderer Schlüssel besser als der, den man vorher benutzt hat.
Frage: Was sehen Sie in diesen kirchenpolitischen Debatten im Kloster als Ihre Aufgabe an?
Abt Cosmas: Meine Aufgabe als Verantwortlicher ist erst einmal, einen Raum des Zuhörens zu schaffen. In der Debatte werden schnell Schubladen auf- und zugemacht. Aber manche Aussagen, die manchmal etwas plakativ daherkommen, sind oft Ausdruck eines dahinterliegenden Bedürfnisses. Wenn man dem nachgeht, hilft es vielleicht, die Position zumindest nachvollziehen zu können.
Frage: Es gibt Stimmen in der Kirche, die betonen, in Sachen zukünftiger Form des Kirche-Seins könnte man sich einiges von den Orden abschauen, gerade im Blick auf Mitbestimmung oder auch zeitliche Begrenzung von Ämtern. Wie stehen Sie dazu?
Abt Cosmas: Das sehe ich genauso. Wenn ich in die Kirchengeschichte blicke, waren die Orden eigentlich immer Avantgarde. Wir gehen voran und können Dinge ausprobieren, wobei wir natürlich nicht so viele institutionelle Aufgaben wie die Gesamtkirche haben. Ich bin engagiert beim Campus der Theologie und Spiritualität in Berlin. Das ist ein Zusammenschluss von Orden, die sagen, dass sie eine Menge Erfahrung mit Gemeinschaft haben, die sie im Rahmen theologischer Reflexion und Lehre weitergeben wollen. Zudem ist das eine der zentralen Fragen für die Zukunft in der Kirche: Kriegen wir eine Gemeinschaft hin, die Differenz und Diversität aushält? Wir als Ordensmitglieder sind davon überzeugt, dass wir ein solches Gemeinschaftsverständnis und -modell in der Kirche unterstützen können.
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Frage: Aber eine Ordens- oder Klostergemeinschaft ist eine überschaubarere Größe, bei der das wohl besser funktioniert als in der Weltkirche…
Abt Cosmas: Sicher, das macht es uns leichter. Aber ich möchte ein konkretes Beispiel nennen: Ich habe schon oft Generalkapitel unserer Kongregation moderiert. Dort sind wir zirka 60 Mitbrüder, die eine Hälfte ist aus Afrika und die andere Hälfte aus Europa und Nordamerika; ein ganz kleiner Teil kommt aus Asien. Da hat man Weltkirche, und es ist spannend, wenn es um grundsätzliche Entscheidungen geht. Wir hatten schon vor rund 20 Jahren die Frage, ob wir Äbte oder Obere auf Zeit oder auf Lebensdauer wählen. Für die Afrikaner war ganz klar: Häuptling bleibt Häuptling. Die Europäer waren da anderer Meinung. Am Schluss wurde entschieden, dass jedes Kloster selbst vor der Wahl entscheidet, ob sie auf Zeit oder auf Dauer ist. Solche Lösungen, die im Blick haben, was regional verständlich ist, können aus meiner Sicht für die Zukunft der Kirche hilfreich sein. In dieser Hinsicht Spielräume zu schaffen, wäre wirklich "katholisch".
Frage: Wie können Sie als Kloster sonst noch in das kirchliche Leben ausstrahlen?
Abt Cosmas: Das ist auch ein wichtiges Thema für uns. Ich bin sehr froh, dass wir eine gute Zusammenarbeit mit dem Erzbistum Paderborn haben. Dort ist zurzeit sehr viel die Rede von pastoralen Räumen oder pastoralen Zentren. Wir Mönche können vor allen Dingen zum Thema Spiritualität beitragen. Klöster können spirituelle Zentren sein: Wir können den Raum bieten, in dem man dem Glauben auf die Spur kommen kann. Aber dafür brauchen wir auch Unterstützung, denn Klöster haben nicht automatisch Teil an der Kirchensteuer. Wir erwirtschaften zwar mit unseren Klosterbetrieben Geld, sind aber für unsere seelsorgliche und karitative Arbeit auch auf Unterstützung angewiesen.
Frage: Sie sind jetzt zunächst für zwölf Jahre gewählt. Wenn Sie sich gedanklich ans Ende dieser Amtszeit begeben: Wie soll das Kloster beziehungsweise die Gemeinschaft aufgestellt sein?
Abt Cosmas: Ich wünsche mir zunächst, dass wir das Durchschnittsalter der Mönche etwas absenken und dass wir Wege finden, die auch den jeweiligen Generationen gemäß sind, wie Gemeinschaft gelebt werden kann. Dann soll die Gemeinschaft gut versorgt sein, gerade die älteren oder kranken Mitbrüder. Dazu wäre mir wichtig, dass wir die Kontakte in die Region hinein vertieft haben und wirklich ein Akteur bei der Gestaltung der Gesellschaft sind. Mit Blick auf die Kirche wünsche ich mir, dass wir ein wichtiger Partner bei der Gestaltung von Gemeinschaftsleben und Spiritualität sind.