Schwester Johanna Domek über das Sonntagsevangelium

Der Weg zu Gott ist Vergebung

Veröffentlicht am 16.09.2023 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Köln ‐ Wie können wir Vergangenes hinter uns lassen? Wie können wir Traumata überwinden und Raum für Neues schaffen? Wie können wir uns ganz frei machen für Gott? Schwester Johanna Domek findet den Schlüssel dazu im heutigen Evangelium.

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Irgendwann einmal muss der Weg des Menschen ins Leben zu einem Weg in die Vergebung und Versöhnung werden. Nichts, was er sonst noch dazugewinnen mag, kann ihm den Frieden bringen, nach dem er sich sehnt. Es geht nicht um Harmonisierung. Die wäre nicht der Versuch, sondern die Versuchung der Versöhnung. Vergebung gehört wesentlich zur Versöhnung. Das sowohl mit Blick auf eigenes schuldhaftes Tun und Schuldiggebliebenes. Vergebung aber auch im Blick auf das, was an uns geschehen ist im Lauf des Lebens und wir mit uns tragen, oft sinnlos und uns selbst belastend nachtragen.

Einmal sprach ich mit einem alten Menschen, der als Kind beide Eltern durch den Tod verloren hatte. Noch immer trug er ihnen nach, dass sie ihn verlassen, und Gott, dass er das zugelassen hatte. Sein Leben war schwer davon und Herz und Hände nie frei gewesen, die Möglichkeiten zu ergreifen, die dennoch in seinem Leben gelegen hatten. Wie schade das ist!

Als sich ein Freund vor seinem 65. Geburtstag auf den Pilgerweg nach Santiago de Compostela machte, legte ihm ein orthodoxer Priester vier Schritte ans Herz: Vergebung, Loslassen, aufmerksames Leben in der Gegenwart Gottes und Dankbarkeit.

Zur Vergebung schrieb er: "Die erste Vorbereitung besteht darin, dass wir Rache, Wut, Hass, Vorwürfe, Verachtung und Verurteilung für unsere Nächsten ablegen. Nächste das sind Eltern, Geschwister, Lehrer, Jugendfreunde, Nachbarn, Kollegen usw. Eine solche Vorbereitung soll geschehen nach der Weisung des Herrn, der uns sagt: 'Wenn ihr beten wollt und ihr habt einem anderen etwas vorzuwerfen, dann vergebt ihm, damit auch euer Vater im Himmel euch eure Verfehlungen vergibt' (Mk 11, 25).
Lieber Freund, wenn du mit Gott gehen möchtest, dann ist es deine erste Aufgabe zu vergeben. Tu es systematisch. Untersuche deine Vergangenheit von heute bis zur Kindheit. Überprüfe, wenn möglich, jeden Abschnitt deines Lebens. Suche in deinem Gedächtnis, bitte Gott um Erinnerung und sprich mit leiser Stimme: ich vergebe ..."

Summarisch oder pauschal geht das nicht. Jedes Vergeben ist einmalig. Nur so wirkt es sich aus und ermöglicht Befreiung. Fragen gehen dabei mit, natürlich, und das Thema hat für jeden seine eigene Schwere. Ich will mich zu Petrus stellen und Jesus meine Fragen ehrlich sagen. Und dann will ich hören, was er mir sagt. Ich will ihm glauben, dass auch ich vergeben kann, ihm vertrauen und es neu wagen, weil Gott mir viel vergeben hat.

Evangelium nach Matthäus (Mt 18,21-35)

In jener Zeit trat Petrus zu Jesus und fragte: Herr, wie oft muss ich meinem Bruder vergeben, wenn er gegen mich sündigt? Bis zu siebenmal? Jesus sagte zu ihm: Ich sage dir nicht: Bis zu siebenmal, sondern bis zu siebzigmal siebenmal.

Mit dem Himmelreich ist es deshalb wie mit einem König, der beschloss, von seinen Knechten Rechenschaft zu verlangen. Als er nun mit der Abrechnung begann, brachte man einen zu ihm, der ihm zehntausend Talente schuldig war. Weil er aber das Geld nicht zurückzahlen konnte, befahl der Herr, ihn mit Frau und Kindern und allem, was er besaß, zu verkaufen und so die Schuld zu begleichen.

Da fiel der Knecht vor ihm auf die Knie und bat: Hab Geduld mit mir! Ich werde dir alles zurückzahlen. Der Herr des Knechtes hatte Mitleid, ließ ihn gehen und schenkte ihm die Schuld.

Als nun der Knecht hinausging, traf er einen Mitknecht, der ihm hundert Denáre schuldig war. Er packte ihn, würgte ihn und sagte: Bezahl, was du schuldig bist!

Da fiel der Mitknecht vor ihm nieder und flehte: Hab Geduld mit mir! Ich werde es dir zurückzahlen. Er aber wollte nicht, sondern ging weg und ließ ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld bezahlt habe. Als die Mitknechte das sahen, waren sie sehr betrübt; sie gingen zu ihrem Herrn und berichteten ihm alles, was geschehen war.

Da ließ ihn sein Herr rufen und sagte zu ihm: Du elender Knecht! Deine ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich angefleht hast. Hättest nicht auch du mit deinem Mitknecht Erbarmen haben müssen, so wie ich mit dir Erbarmen hatte? Und in seinem Zorn übergab ihn der Herr den Peinigern, bis er die ganze Schuld bezahlt habe.

Ebenso wird mein himmlischer Vater euch behandeln, wenn nicht jeder seinem Bruder von Herzen vergibt.

Die Autorin

Sr. Johanna Domek OSB ist seit mehr als 40 Jahren Benediktinerin in Köln-Raderberg, wo sie in der Kurs- und Exerzitienarbeit tätig ist. Darüber hinaus ist sie Beauftragte des Netzwerks alternde Ordensgemeinschaften und hat zahlreiche Publikationen zum Thema Spiritualität veröffentlicht.

Ausgelegt!

Katholisch.de nimmt den Sonntag stärker in den Blick: Wie für jeden Tag gibt es in der Kirche auch für jeden Sonntagsgottesdienst ein spezielles Evangelium. Um sich auf die Messe vorzubereiten oder zur Nachbereitung bietet katholisch.de nun "Ausgelegt!" an. Darin können Sie die jeweilige Textstelle aus dem Leben Jesu und einen Impuls lesen. Diese kurzen Sonntagsimpulse schreiben Ordensleute und Priester für uns.